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Unter den österreichischen Lehrpersonen der vorliegenden Studie wurden
Deutschlandismen weiters zwar häufiger als Austriazismen durch Unterwellen als
stilistisch unpassend markiert, aber seltener als falsch korrigiert. Wenn Deutsch-
landismen korrigiert oder unterwellt wurden, dann waren häufiger ältere LehrerIn-
nen am Werk. Unter jüngeren LehrerInnen war hingegen eine größere Akzeptanz von
Deutschlandismen erkennbar. Besonders häufig wurden Austriazismen von Lehre-
rInnen der HS/NMS als nicht normgerecht angestrichen. Die Ergebnisse zeigten auch,
dass die LehrerInnen aus Vorarlberg Austriazismen kritischer gegenüberstanden als
ihre KollegInnen aus den übrigen Bundesländern, weil sie Austriazismen nicht nur
häufiger unterwellten, sondern auch öfter als falsch korrigierten. Was die Akzeptanz
von Deutschlandismen in den verschiedenen Regionen Österreichs betrifft, waren
es die LehrerInnen aus Ost- und Südösterreich, die in Summe mehr Deutschlandis-
men mit einer Welle versahen. In den Interviews entstand der Eindruck, dass es
hinsichtlich der Normerwartungen in der LehrerInnenschaft große Auffassungs-
unterschiede und Unsicherheiten gibt. Das belegen die häufigen Relativierungen,
die in den Interviews aufgefallen sind. Auch aus der Gruppendiskussion ging hervor,
dass unter den Deutschlehrenden ambivalente Normvorstellungen vorherrschen.
6.3.2 Normen und Korrektur bei mündlicher Kommunik
ation
im Deutschunterricht
Im Rahmen der Interviews wurden die DeutschlehrerInnen auch dazu befragt,
welche Sprachregister sie von ihren SchülerInnen bei mündlicher Kommunikation
erwarten. Das Ergebnis war eine sehr große Bandbreite von Meinungen, die von
der durchgängigen Standarderwartung bis hin zum relativ situationsabhängigen
Einfordern der Standardsprache reichten.
Einig waren sich die befragten LehrerInnen, dass in bestimmten Situationen
ausschließlich der Standard adäquat ist und demzufolge eingefordert werden muss.
Manche LehrerInnen erwarteten allerdings von ihren SchülerInnen in sämtlichen
Kommunikationssituationen im Deutschunterricht durchgängig den Standard.
Würden seine SchülerInnen vom Standard abweichen, mache er sie darauf auf-
merksam, berichtete ein Lehrer aus Vorarlberg (MV2): „[…] sie versuchen/oder sie
fangen dann mit Dialekt an, und (sag ich) ‚na bitte, hochdeutsch!‘“ Ähnlich äußerte
sich ein weiterer Deutschlehrer aus Vorarlberg, der seiner Aussage nach ebenfalls
situationsunabhängig sofort korrigiert („Relativ rigoros.“). Einer Lehrerin aus dem
Burgenland (FB2) war das Ziel der konsequenten schülerseitigen Standardverwen-
dung ebenfalls ein Anliegen. Ihrer Meinung nach sei es wichtig, die Beherrschung
des Standards meistens am Anfang des Schuljahres schon einzuführen: „[…] also
wenn ich die Klasse neu bekomm, dass ich dann sag: ‚Kannst Du mir das bitte in
der Hochsprache wiederholen?‘ oder halt: ‚Kannst Du Dich darauf konzentrieren‘
oder halt
– was i net
–‚in Zukunft das bitte in der Hochsprache formulieren?‘“
Open Access © 2019 by BÖHLAU VERLAG GMBH & CO. KG, WIEN KÖLN WEIMAR
| Ergebnisse der empirischen Erhebung an
Schulen180
Österreichisches Deutsch macht Schule
Bildung und Deutschunterricht im Spannungsfeld von sprachlicher Variation und Norm
Veröffentlicht mit Unterstützung des Austrian Science Fund (FWF)
- Titel
- Österreichisches Deutsch macht Schule
- Untertitel
- Bildung und Deutschunterricht im Spannungsfeld von sprachlicher Variation und Norm
- Autoren
- Rudolf de Cillia
- Jutta Ransmayr
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2019
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-20888-4
- Abmessungen
- 15.5 x 23.0 cm
- Seiten
- 266
- Schlagwörter
- Austriacism, teaching German, dialect, Austria, Austrian German, Austriazismus, Deutschunterricht, Dialekt, Lehrbücher, Lehrpläne, Österreich, Österreichisches Deutsch, Plurizentrik, Pluriarealität, Spracheinstellungen, Sprachnormen, Standardsprache
- Kategorie
- Lehrbücher
Inhaltsverzeichnis
- 1 Einleitung 10
- 2 Theoretische Einordnung des Forschungsgegenstandes Innere Mehrsprachigkeit – sprachliche Variation – Sprach/en/unterricht 14
- 2.1 (Innersprachliche) Mehrsprachigkeit und sprachliche Variation 14
- 2.2 Status und Rolle/Funktion der deutschen Sprache in den deutschsprachigen Ländern/Regionen 16
- 2.3 Sprachliche Variation und deutsche Sprache 21
- 2.4 Konzeptualisierungen der Variation im Standarddeutschen 24
- 2.5 Sprachliche Variation der deutschen Sprache in Österreich 46
- 2.6 Sprachnorm und Sprachenunterricht 52
- 2.7 Forschungslage zum österreichischen Deutsch als Unterrichts- sprache und ExpertInnenbefragung 57
- 2.7.1 Forschungslücken/Forschungsfragen 59
- 3 Forschungsfragen und Untersuchungsdesign 61
- 4 Analyse von unterrichtsrelevanten Dokumenten (Lehrpläne, Studienpläne, Lehrbücher) 68
- 5 Empirische Erhebung bei LehrerInnen und SchülerInnenan österreichischen Schulen Beschreibung der Daten 89
- 6 Ergebnisse der empirischen Erhebung an Schulen 120
- 6.1 Konzeptualisierung der Variation des Deutschen in Österreich 120
- 6.2 Spracheinstellungen gegenüber den Varietäten des Deutschen 144
- 6.2.1 Korrektheit des österreichischen Deutsch 144
- 6.2.2 Einstellungen gegenüber dem österreichischen, deutschen und Schweizer Standarddeutsch: Polaritätsprofile 152
- 6.2.3 Sprache – Identität 154
- 6.2.4 Zusammenfassung der Ergebnisse zu den Einstellungen gegenüber den Varietäten des Deutschen unter LehrerInnen und SchülerInnen 161
- 6.3 Korrekturverhalten 163
- 6.5 Dialekt – Umgangssprache – Standard? Angaben zum Varietätengebrauch innerhalb und außerhalb der Schule 198
- 6.6 Zusammenfassung der wichtigsten Ergebnisse der empirischen Erhebung an den Schulen 215
- 7 Schlussbetrachtung und Ausblick 221
- Anhang 232
- Literatur 237
- Verzeichnis der Tabellen und Abbildungen 252
- Sachregister 256