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Also bei uns is es halt/ es gibt halt Lehrer, die bemühen sich, dass sie im Unterricht
viel Hochdeutsch reden und sehr verständlich reden und wenn man dann privat mit
ihnen spricht, persönlich fragt, dass sie dann komplett im Dialekt mit einem reden,
das ist schon oft passiert.
Auf die Zwischenfrage des Moderators „Also sie bemühen sich?“
Ja, sie bemühen sich. Ja, das ist mir schon aufgefallen, besonders bei unserer (Unter-
richtsfach-) Lehrerin dass sie/ da sie auch vom Land kommt, wirklich oft, dass sie sich
konzentrieren muss und ab und zu rutscht ihr was rein, aber sie bemüht sich sehr.
Aber ja wir haben auch Lehrer, die halten den kompletten Unterricht durchgehend
im Dialekt. (F2)
Im Unterricht haben SchülerInnen auch wahrgenommen, dass die Varietäten-
verwendung vom Inhalt der Kommunikation abhängt und beispielsweise das
Switchen in den Dialekt zum „Schmähführen“ genutzt wird:
Der (Unterrichtsfach-)Lehrer wechselt ganz oft ab. Also es kommt immer ganz aufs
Thema drauf an. Er erklärt schon hochdeutsch, damits ja alle verstehen, und dann
schiebt er einen Schmäh rein, den aber nur die halbade Klasse versteht, weil der ein-
fach SO im Dialekt ist. (F1)
Wenn von den SchülerInnen hier von „Dialekt“ die Rede ist, dann ist vermutlich
eine regional gefärbte, umgangssprachliche Varietät des Deutschen in Österreich
gemeint. Umgangssprache als Varietät wird in der metasprachlichen Beschreibung
nicht verwendet – es gibt nur Dialekt oder „Hochdeutsch“.
Im Fragebogen wurden die LehrerInnen auch danach befragt, wie sich ihre
SchülerInnen in bestimmten Situationen (im LehrerInnen-SchülerInnen-Gespräch,
bei Gruppenarbeiten, in Referaten, in den Pausen) ausdrücken. Dabei gaben die
LehrerInnen an, dass die Mehrheit der SchülerInnen am häufigsten bei Gruppen-
arbeiten und in den Pausen Dialekt verwenden (46 % bzw.
57,4 %). Im LehrerInnen-
SchülerInnen-
Gespräch beobachten die LehrerInnen offenbar eher weniger Dialekt
und noch seltener bei Referaten (siehe Abb. 82 auf S. 205).
Werden diese Ergebnisse nach externen Variablen aufgeschlüsselt, zeigen
sich interessante hochsignifikante Unterschiede, so etwa nach Bundesländern
(p = 0,000): Hier sticht Vorarlberg heraus, wo rund 56 % der LehrerInnen anga-
ben, dass fast alle SchülerInnen im LehrerInnen- SchülerInnen- Gespräch Dia-
lekt verwenden. In allen anderen Bundesländern war die Dialektverwendung im
LehrerInnen- SchülerInnen- Gespräch wesentlich geringer ausgeprägt: Der Wert
lag bei 25 % in Salzburg und Oberösterreich, 21 % in Tirol, 10 % in Kärnten und
in der Steiermark, sowie 3 % in Wien, Niederösterreich und Burgenland.
Open Access © 2019 by BÖHLAU VERLAG GMBH & CO. KG, WIEN KÖLN WEIMAR
| Ergebnisse der empirischen Erhebung an
Schulen204
Österreichisches Deutsch macht Schule
Bildung und Deutschunterricht im Spannungsfeld von sprachlicher Variation und Norm
Veröffentlicht mit Unterstützung des Austrian Science Fund (FWF)
- Titel
- Österreichisches Deutsch macht Schule
- Untertitel
- Bildung und Deutschunterricht im Spannungsfeld von sprachlicher Variation und Norm
- Autoren
- Rudolf de Cillia
- Jutta Ransmayr
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2019
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-20888-4
- Abmessungen
- 15.5 x 23.0 cm
- Seiten
- 266
- Schlagwörter
- Austriacism, teaching German, dialect, Austria, Austrian German, Austriazismus, Deutschunterricht, Dialekt, Lehrbücher, Lehrpläne, Österreich, Österreichisches Deutsch, Plurizentrik, Pluriarealität, Spracheinstellungen, Sprachnormen, Standardsprache
- Kategorie
- Lehrbücher
Inhaltsverzeichnis
- 1 Einleitung 10
- 2 Theoretische Einordnung des Forschungsgegenstandes Innere Mehrsprachigkeit – sprachliche Variation – Sprach/en/unterricht 14
- 2.1 (Innersprachliche) Mehrsprachigkeit und sprachliche Variation 14
- 2.2 Status und Rolle/Funktion der deutschen Sprache in den deutschsprachigen Ländern/Regionen 16
- 2.3 Sprachliche Variation und deutsche Sprache 21
- 2.4 Konzeptualisierungen der Variation im Standarddeutschen 24
- 2.5 Sprachliche Variation der deutschen Sprache in Österreich 46
- 2.6 Sprachnorm und Sprachenunterricht 52
- 2.7 Forschungslage zum österreichischen Deutsch als Unterrichts- sprache und ExpertInnenbefragung 57
- 2.7.1 Forschungslücken/Forschungsfragen 59
- 3 Forschungsfragen und Untersuchungsdesign 61
- 4 Analyse von unterrichtsrelevanten Dokumenten (Lehrpläne, Studienpläne, Lehrbücher) 68
- 5 Empirische Erhebung bei LehrerInnen und SchülerInnenan österreichischen Schulen Beschreibung der Daten 89
- 6 Ergebnisse der empirischen Erhebung an Schulen 120
- 6.1 Konzeptualisierung der Variation des Deutschen in Österreich 120
- 6.2 Spracheinstellungen gegenüber den Varietäten des Deutschen 144
- 6.2.1 Korrektheit des österreichischen Deutsch 144
- 6.2.2 Einstellungen gegenüber dem österreichischen, deutschen und Schweizer Standarddeutsch: Polaritätsprofile 152
- 6.2.3 Sprache – Identität 154
- 6.2.4 Zusammenfassung der Ergebnisse zu den Einstellungen gegenüber den Varietäten des Deutschen unter LehrerInnen und SchülerInnen 161
- 6.3 Korrekturverhalten 163
- 6.5 Dialekt – Umgangssprache – Standard? Angaben zum Varietätengebrauch innerhalb und außerhalb der Schule 198
- 6.6 Zusammenfassung der wichtigsten Ergebnisse der empirischen Erhebung an den Schulen 215
- 7 Schlussbetrachtung und Ausblick 221
- Anhang 232
- Literatur 237
- Verzeichnis der Tabellen und Abbildungen 252
- Sachregister 256