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Wenns heißt, ja, es ist ein Referat zu halten
[…] dann kicherns herum und fühlen sich
lächerlich ode:r, äh, seltsam, ode:r befremdlich, beim zweiten Mal gehts dann schon.
Da wird der Schalter umgelegt und dann wird schon versucht, ä::hm::, wirkli in:, in
aner gehobenen, ah, Standardsprache, ah/ eben, also, oder gehobenen Umgangssprache
zu: sprechen, u::nd, ah, da hab i festgestellt, dass es für die Schüler anfoch a Überwin-
dung/ es ist a
– Gewohnheitseffekt auch, a::hm:, wobei, wenns zum Plaudern kommt
oder wenns ins Erzählen kommt, sie sofort dann wieder in den Dialekt hineinfallen.
In die Sprache einfach, in der sie sich zuhause fühlen. (F7)
Zusammenfassend kann zur Verwendung von Dialekt, Umgangssprache und
Standard im Schulunterricht festgehalten werden, dass das gesamte Spektrum des
Dialekt-
Standard-
Kontinuums bei LehrerInnen und SchülerInnen anzutreffen sein
dürfte. Die für Österreich typische Registervariabilität wird von den Lehrenden
zum Teil wohl intuitiv, zum Teil auch bewusst ausgeschöpft. Bei den LehrerInnen
konnte eine Standardnähe bei bestimmten Teilen der Unterrichtshandlung fest-
gestellt werden wie etwa beim Stoffvortrag und beim Erklären bzw. Erteilen von
Arbeitsanweisungen. Bei den Lehrkräften ist eine relativ klare, zum Teil bewusste
Trennung von Standard, Umgangssprache und Dialekt je nach Funktionsbereich
erkennbar. Bei SchülerInnen verlaufen die Trennlinien bei der Zuordnung und
der Verwendung von Standard, Umgangssprache und Dialekt weniger klar. Das ist
wohl auch dadurch erklärbar, dass sie noch im Lernprozess der Entwicklung ihrer
standardsprachlichen Kompetenz und ihres Varietätenbewusstseins begriffen sind.
Die Ergebnisse von Hochholzer (2004), der u. a. Daten zum Dialektgebrauch an
Schulen in Bayern, Nordrhein- Westfalen und Mecklenburg- Vorpommern erho-
ben hat, ergaben deutlich höhere lehrerseitige Dialektwerte, und zwar nicht nur
in Bayern. Danach ist „der Dialekt nach Aussage der Befragten eine feste Größe
der sprachlichen Unterrichtsrealität auf Seiten der Deutschlehrer“ (Hochholzer
2004, 327). In Bayern gebe sogar die überwiegende Mehrheit an, Dialekt in ver-
schiedenen Abstufungen auch im Unterricht zu gebrauchen. Zum Teil mögen die
unterschiedlichen Ergebnisse daran liegen, dass unsere ProbandInnen zwischen
Dialekt und Standardsprache als weitere Option die Umgangssprache angeben
konnten
– bei Hochholzer ist das Spektrum „Dialekt in verschiedenen Abstufun-
gen“. Aber die Gruppendiskussionen und Interviews weisen auch darauf hin, dass
unsere Fragebogenergebnisse die eine oder andere sozial erwünschte Antwort
enthalten könnten und dass das gesamte Dialekt- Standard- Kontinuum wohl in
allen Unterrichtssituationen eine Rolle spielt.
Auch über die Sprachverwendung im außerschulischen Bereich gaben die
Frage bogendaten und Interviews Aufschluss. Die LehrerInnen wurden dazu
befragt, welche Varietät(en) sie privat mit einer Auswahl an Gesprächspartne-
rInnen sprechen (KollegInnen, SchülerInnen, eigenen Kindern, PartnerIn, Eltern,
Großeltern). Die Mehrheit der mittels Interview befragten LehrerInnen gab an,
im privaten Alltag Umgangssprache zu sprechen, viele gaben zusätzlich oder
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| Ergebnisse der empirischen Erhebung an
Schulen206
Österreichisches Deutsch macht Schule
Bildung und Deutschunterricht im Spannungsfeld von sprachlicher Variation und Norm
Veröffentlicht mit Unterstützung des Austrian Science Fund (FWF)
- Titel
- Österreichisches Deutsch macht Schule
- Untertitel
- Bildung und Deutschunterricht im Spannungsfeld von sprachlicher Variation und Norm
- Autoren
- Rudolf de Cillia
- Jutta Ransmayr
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2019
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-20888-4
- Abmessungen
- 15.5 x 23.0 cm
- Seiten
- 266
- Schlagwörter
- Austriacism, teaching German, dialect, Austria, Austrian German, Austriazismus, Deutschunterricht, Dialekt, Lehrbücher, Lehrpläne, Österreich, Österreichisches Deutsch, Plurizentrik, Pluriarealität, Spracheinstellungen, Sprachnormen, Standardsprache
- Kategorie
- Lehrbücher
Inhaltsverzeichnis
- 1 Einleitung 10
- 2 Theoretische Einordnung des Forschungsgegenstandes Innere Mehrsprachigkeit – sprachliche Variation – Sprach/en/unterricht 14
- 2.1 (Innersprachliche) Mehrsprachigkeit und sprachliche Variation 14
- 2.2 Status und Rolle/Funktion der deutschen Sprache in den deutschsprachigen Ländern/Regionen 16
- 2.3 Sprachliche Variation und deutsche Sprache 21
- 2.4 Konzeptualisierungen der Variation im Standarddeutschen 24
- 2.5 Sprachliche Variation der deutschen Sprache in Österreich 46
- 2.6 Sprachnorm und Sprachenunterricht 52
- 2.7 Forschungslage zum österreichischen Deutsch als Unterrichts- sprache und ExpertInnenbefragung 57
- 2.7.1 Forschungslücken/Forschungsfragen 59
- 3 Forschungsfragen und Untersuchungsdesign 61
- 4 Analyse von unterrichtsrelevanten Dokumenten (Lehrpläne, Studienpläne, Lehrbücher) 68
- 5 Empirische Erhebung bei LehrerInnen und SchülerInnenan österreichischen Schulen Beschreibung der Daten 89
- 6 Ergebnisse der empirischen Erhebung an Schulen 120
- 6.1 Konzeptualisierung der Variation des Deutschen in Österreich 120
- 6.2 Spracheinstellungen gegenüber den Varietäten des Deutschen 144
- 6.2.1 Korrektheit des österreichischen Deutsch 144
- 6.2.2 Einstellungen gegenüber dem österreichischen, deutschen und Schweizer Standarddeutsch: Polaritätsprofile 152
- 6.2.3 Sprache – Identität 154
- 6.2.4 Zusammenfassung der Ergebnisse zu den Einstellungen gegenüber den Varietäten des Deutschen unter LehrerInnen und SchülerInnen 161
- 6.3 Korrekturverhalten 163
- 6.5 Dialekt – Umgangssprache – Standard? Angaben zum Varietätengebrauch innerhalb und außerhalb der Schule 198
- 6.6 Zusammenfassung der wichtigsten Ergebnisse der empirischen Erhebung an den Schulen 215
- 7 Schlussbetrachtung und Ausblick 221
- Anhang 232
- Literatur 237
- Verzeichnis der Tabellen und Abbildungen 252
- Sachregister 256