Seite - 220 - in Österreichisches Deutsch macht Schule - Bildung und Deutschunterricht im Spannungsfeld von sprachlicher Variation und Norm
Bild der Seite - 220 -
Text der Seite - 220 -
bemerkenswerte Auffassungsunterschiede zwischen den LehrerInnen- und
SchülerInnen- Antworten: 70 % der befragten Lehrkräfte verbinden mit dem
österreichischem Deutsch in erster Linie die „Umgangssprache“, mit klarem
Abstand folgen die standardnahe Mediensprache (47,6 %) und Dialekte (43,9 %).
Auch die SchülerInnen assoziieren mit österreichischem Deutsch mehrheitlich
die Umgangssprache (72,5 %). Anders als bei den LehrerInnen ist aber der Dia-
lekt mit der Umgangssprache fast gleichauf (70,2 %), während die standardnahe
Mediensprache, die eigentlich gemeinhin als typische Ausprägung des österrei-
chischen Standarddeutsch gilt, bei den SchülerInnen eine klar untergeordnete
Rolle spielt (20,5 %). Österreichisches Deutsch und die standardnahe Medien-
sprache bringen vor allem AHS-/Sek.-II-LehrerInnen (60 %) bzw. Lehrkräfte, die
an der Universität ausgebildet wurden (61 %), miteinander in Verbindung. Haben
die PädagogInnen ihre LehrerInnenausbildung an einer PH/PädAk absolviert,
tun sie das hingegen nur zu rund 33 %. Auffallend war auch, dass besonders
VS-LehrerInnen (61 %) vorrangig „Dialekt“ mit österreichischem Deutsch assozi-
ieren
– eine Tendenz, die wir auch in der jüngsten Altersgruppe der LehrerInnen
feststellen konnten: Rund 64 % der 22 – 32-jährigen PädagogInnen denken bei
„österreichischem Deutsch“ an Dialekt.
Wie benennen die LehrerInnen und SchülerInnen eigentlich die Mehrheits-
sprache in Österreich? Etwa die Hälfte der LehrerInnen und SchülerInnen führten
spontan „Deutsch“ an. Von knapp 20 % der LehrerInnen wurde „österreichisches
Deutsch“ genannt – darunter rund doppelt so häufig von Universitätsabsolven-
tInnen wie von AbgängerInnen einer PH/PädAk – und 11 % der SchülerInnen.
Was andere Angaben betrifft, so wurde „Dialekt“ bzw. „Mundart“ von ca.
9 % der
LehrerInnen und 5 % der SchülerInnen angeführt. Unter der LehrerInnenschaft
fällt dabei auf, dass vor allem jüngere Lehrkräfte bei dieser Frage zur Bezeichnung
„Dialekt“ tendieren – von älteren LehrerInnen wurde „Dialekt“ praktisch kaum
genannt. Bei den SchülerInnen findet man besonders häufig in Tirol und Vorarl-
berg die Bezeichnung „Dialekt“ für die Mehrheitssprache Österreichs, während
SchülerInnen aus Ostösterreich mehrheitlich „Deutsch“ genannt haben.
Unsere Ergebnisse haben gezeigt, dass die Meinungen darüber, was öster-
reichisches Deutsch ist, je nach Schultyp bzw. Ausbildungsinstitution und Alter
stark variieren. Dies war auch anhand der Bezeichnungen erkennbar, mit denen
die ProbandInnen die Mehrheitssprache in Österreich benannt haben. Insgesamt
wurde jedoch klar, dass unsere ProbandInnen unter österreichischem Deutsch
nicht
– wie auf fachlicher Ebene üblich
– primär die Standardsprache verstehen,
sondern dass das gesamte sprachliche Varietätenspektrum Österreichs für die
LehrerInnen und SchülerInnen österreichisches Deutsch ist – eine Erkenntnis,
die in der Sprachwissenschaft Berücksichtigung finden sollte.
Ein weiteres Ergebnis unserer Untersuchung ist, dass sich in Österreich offen-
sichtlich ein Sprachwandel vollzieht, der sich auf LehrerInnen und SchülerInnen
auswirkt und sich etwa darin äußert, dass zunehmend mehr Deutschlandismen
Open Access © 2019 by BÖHLAU VERLAG GMBH & CO. KG, WIEN KÖLN WEIMAR
| Ergebnisse der empirischen Erhebung an
Schulen220
Österreichisches Deutsch macht Schule
Bildung und Deutschunterricht im Spannungsfeld von sprachlicher Variation und Norm
Veröffentlicht mit Unterstützung des Austrian Science Fund (FWF)
- Titel
- Österreichisches Deutsch macht Schule
- Untertitel
- Bildung und Deutschunterricht im Spannungsfeld von sprachlicher Variation und Norm
- Autoren
- Rudolf de Cillia
- Jutta Ransmayr
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2019
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-20888-4
- Abmessungen
- 15.5 x 23.0 cm
- Seiten
- 266
- Schlagwörter
- Austriacism, teaching German, dialect, Austria, Austrian German, Austriazismus, Deutschunterricht, Dialekt, Lehrbücher, Lehrpläne, Österreich, Österreichisches Deutsch, Plurizentrik, Pluriarealität, Spracheinstellungen, Sprachnormen, Standardsprache
- Kategorie
- Lehrbücher
Inhaltsverzeichnis
- 1 Einleitung 10
- 2 Theoretische Einordnung des Forschungsgegenstandes Innere Mehrsprachigkeit – sprachliche Variation – Sprach/en/unterricht 14
- 2.1 (Innersprachliche) Mehrsprachigkeit und sprachliche Variation 14
- 2.2 Status und Rolle/Funktion der deutschen Sprache in den deutschsprachigen Ländern/Regionen 16
- 2.3 Sprachliche Variation und deutsche Sprache 21
- 2.4 Konzeptualisierungen der Variation im Standarddeutschen 24
- 2.5 Sprachliche Variation der deutschen Sprache in Österreich 46
- 2.6 Sprachnorm und Sprachenunterricht 52
- 2.7 Forschungslage zum österreichischen Deutsch als Unterrichts- sprache und ExpertInnenbefragung 57
- 2.7.1 Forschungslücken/Forschungsfragen 59
- 3 Forschungsfragen und Untersuchungsdesign 61
- 4 Analyse von unterrichtsrelevanten Dokumenten (Lehrpläne, Studienpläne, Lehrbücher) 68
- 5 Empirische Erhebung bei LehrerInnen und SchülerInnenan österreichischen Schulen Beschreibung der Daten 89
- 6 Ergebnisse der empirischen Erhebung an Schulen 120
- 6.1 Konzeptualisierung der Variation des Deutschen in Österreich 120
- 6.2 Spracheinstellungen gegenüber den Varietäten des Deutschen 144
- 6.2.1 Korrektheit des österreichischen Deutsch 144
- 6.2.2 Einstellungen gegenüber dem österreichischen, deutschen und Schweizer Standarddeutsch: Polaritätsprofile 152
- 6.2.3 Sprache – Identität 154
- 6.2.4 Zusammenfassung der Ergebnisse zu den Einstellungen gegenüber den Varietäten des Deutschen unter LehrerInnen und SchülerInnen 161
- 6.3 Korrekturverhalten 163
- 6.5 Dialekt – Umgangssprache – Standard? Angaben zum Varietätengebrauch innerhalb und außerhalb der Schule 198
- 6.6 Zusammenfassung der wichtigsten Ergebnisse der empirischen Erhebung an den Schulen 215
- 7 Schlussbetrachtung und Ausblick 221
- Anhang 232
- Literatur 237
- Verzeichnis der Tabellen und Abbildungen 252
- Sachregister 256