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sind, umso eher versehen sie Deutschlandismen mit Wellenlinien, während junge
LehrerInnen Deutschlandismen weit weniger stören. Gleichzeitig werten Jung-
lehrerInnen aber Austriazismen öfter als Fehler als ihre älteren KollegInnen. Hier
spielt der schon erwähnte Umstand hinein, dass jüngere LehrerInnen unseren
Daten zufolge unter dem österreichischen Deutsch eher Dialekt als Standard ver-
stehen und ausgewiesene Austriazismen im Zweifelsfall für nicht normkonform
halten. SchülerInnen assoziieren
– ähnlich wie die jüngeren Lehrkräfte
– am stärks-
ten den Dialekt mit österreichischem Deutsch. Aus Sicht der älteren Lehre rInnen
steht hingegen in erster Linie die Umgangssprache für österreichisches Deutsch.
Nach Ausbildungsinstitutionen betrachtet deuten die Ergebnisse darauf hin, dass
die Universitäten stärker als die Pädagogischen Hochschulen am Standard orien-
tiert sind: Mehr als 60 % der LehrerInnen, die ihre Ausbildung an der Universität
gemacht haben, verbinden die standardnahe Mediensprache mit österreichischem
Deutsch, während nur knapp ein Drittel der VS- und HS/NMS-LehrerInnen die
Standardsprache mit österreichischem Deutsch in Zusammenhang bringt.
Hinsichtlich des Alters verhält es sich ähnlich, wenn wir die Angaben zur
Verwendung von Austriazismen und Deutschlandismen in den Blick nehmen.
Zusätzlich haben sich auch innerösterreichische regionale Unterschiede bei der
Sprachverwendung unter LehrerInnen und SchülerInnen gezeigt. Zum Abtesten
von 26 Wortpaaren, die jeweils aus Doubletten in etwa gleichbedeutender Aust-
riazismen und Deutschlandismen bestanden, wurde bewusst eine breite Auswahl
an Beispielen getroffen, um feststellen zu können, wo tendenziell Sprachwandel
stattfindet. Zwar können aufgrund des relativ kleinen Samples der 26 Doublet-
ten keine allgemeingültigen Aussagen getroffen werden – dafür bräuchte es ein
wesentlich umfassenderes Sample an Varianten. Es können aus den vorliegenden
Daten aber sehr wohl Hinweise auf derzeit stattfindende Sprachentwicklungen in
Österreich abgeleitet werden. Deutlich wurde, dass etliche Austriazismen durch-
aus stabil sind und keinerlei Sprachwandel unterliegen dürften, wie etwa Jänner,
Schweinsbraten oder ich bin gestanden. Bei einigen anderen Beispielen konnten
wir eine starke Tendenz hin zu den deutschländischen Varianten feststellen (die
SMS statt das SMS, Pickel statt Wimmerl, die E-Mail statt das E-Mail).
Interessant ist dabei die generationsspezifische Sprachverwendung, die sich
in unseren Daten andeutet.1 Die SchülerInnen stehen insgesamt Deutschlandis-
men offener gegenüber als ihre LehrerInnen: Sie verwenden beispielsweise nach
eigenen Angaben häufiger „der Junge“ statt „der Bub“ oder „eine Cola“ statt „ein
Cola“. Hier zeigte sich ein signifikanter Zusammenhang zwischen dem TV-Kon-
sum von bundesdeutschen TV-Kanälen und der vermehrten Verwendung von
Deutschlandismen. Aber auch innerhalb der LehrerInnenschaft gibt es in unseren
Daten zwischen Jung und Alt deutliche Unterschiede bei der Sprachverwendung.
Grundsätzlich überwiegt zwar die Loyalität gegenüber österreichischen Varianten.
1 Zur Altersvariable vgl. auch Pfrehm 2011a, de Cillia 2016a.
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| Schlussbetrachtung und
Ausblick226
Österreichisches Deutsch macht Schule
Bildung und Deutschunterricht im Spannungsfeld von sprachlicher Variation und Norm
Veröffentlicht mit Unterstützung des Austrian Science Fund (FWF)
- Titel
- Österreichisches Deutsch macht Schule
- Untertitel
- Bildung und Deutschunterricht im Spannungsfeld von sprachlicher Variation und Norm
- Autoren
- Rudolf de Cillia
- Jutta Ransmayr
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2019
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-20888-4
- Abmessungen
- 15.5 x 23.0 cm
- Seiten
- 266
- Schlagwörter
- Austriacism, teaching German, dialect, Austria, Austrian German, Austriazismus, Deutschunterricht, Dialekt, Lehrbücher, Lehrpläne, Österreich, Österreichisches Deutsch, Plurizentrik, Pluriarealität, Spracheinstellungen, Sprachnormen, Standardsprache
- Kategorie
- Lehrbücher
Inhaltsverzeichnis
- 1 Einleitung 10
- 2 Theoretische Einordnung des Forschungsgegenstandes Innere Mehrsprachigkeit – sprachliche Variation – Sprach/en/unterricht 14
- 2.1 (Innersprachliche) Mehrsprachigkeit und sprachliche Variation 14
- 2.2 Status und Rolle/Funktion der deutschen Sprache in den deutschsprachigen Ländern/Regionen 16
- 2.3 Sprachliche Variation und deutsche Sprache 21
- 2.4 Konzeptualisierungen der Variation im Standarddeutschen 24
- 2.5 Sprachliche Variation der deutschen Sprache in Österreich 46
- 2.6 Sprachnorm und Sprachenunterricht 52
- 2.7 Forschungslage zum österreichischen Deutsch als Unterrichts- sprache und ExpertInnenbefragung 57
- 2.7.1 Forschungslücken/Forschungsfragen 59
- 3 Forschungsfragen und Untersuchungsdesign 61
- 4 Analyse von unterrichtsrelevanten Dokumenten (Lehrpläne, Studienpläne, Lehrbücher) 68
- 5 Empirische Erhebung bei LehrerInnen und SchülerInnenan österreichischen Schulen Beschreibung der Daten 89
- 6 Ergebnisse der empirischen Erhebung an Schulen 120
- 6.1 Konzeptualisierung der Variation des Deutschen in Österreich 120
- 6.2 Spracheinstellungen gegenüber den Varietäten des Deutschen 144
- 6.2.1 Korrektheit des österreichischen Deutsch 144
- 6.2.2 Einstellungen gegenüber dem österreichischen, deutschen und Schweizer Standarddeutsch: Polaritätsprofile 152
- 6.2.3 Sprache – Identität 154
- 6.2.4 Zusammenfassung der Ergebnisse zu den Einstellungen gegenüber den Varietäten des Deutschen unter LehrerInnen und SchülerInnen 161
- 6.3 Korrekturverhalten 163
- 6.5 Dialekt – Umgangssprache – Standard? Angaben zum Varietätengebrauch innerhalb und außerhalb der Schule 198
- 6.6 Zusammenfassung der wichtigsten Ergebnisse der empirischen Erhebung an den Schulen 215
- 7 Schlussbetrachtung und Ausblick 221
- Anhang 232
- Literatur 237
- Verzeichnis der Tabellen und Abbildungen 252
- Sachregister 256