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Der Totenbrauch
auch das Todtengewand immer der Taufpathe, der auch sein verstorbenes Pathenkind auf seinen Ar-
men zum Grabe trägt. Bei Verheiratheten sind Nachbars- oder Anverwandte Männer die Träger der
Leiche; bei verstorbenen ledigen ehrsamen Jünglingen tragen die Leiche wieder ledige ehrsame Jüng-
linge, die mit einem Armkranze geziert sind, und bei ledigen verstorbenen Jungfrauen tragen weiß-
gekleidete Mädchen mit schwarzer Schürze, und mit Roßmarin Zweigen am Kopfhaar.
So zieret mein Haupt mit Rosmarin,
Da ich wohl noch ein Jüngling bin.
(Vögelhöfen um 1925, Lied Nr. 136, Str. 4)
Die Roßmarin Zweige werden am Grabe aus den Haaren der Trägerinnen gelöset und in das Grab ge-
worfen; die erwähnte Blumenkrone am Sarge aber wird in der Kirche irgendwo als Andenken aufgehan-
gen, und wird alldort auch einige Zeit hangen gelassen, worauf sie dann der Meßner, wenn sie passend
ist, zu Kirchenblumen verwendet. Die Angehörigen des Verstorbenen weinen wohl stille und mitunter
recht schmerzlich über dessen Verlust am Grabe, doch lautes Wehklagen und schreiendes Jammern
hört man hier nicht.
Beim Grabe dankt jemand im Namen des Verstorbenen für diese letzte ihm erwiesene Ehre und ladet
die Leidtragenden ein, hernach in das schon bestimmte Gasthaus zu einem kleinen Mahle zu kommen.
Wie erwähnt ist mit jeder Begräbnisfeier auch ein Leichenamt verbunden, bei diesem zündet jeder der
Leidtragenden ein kleines dünnes Wachs Kerzchen an, das Jedem im Trauerhause verabfolgt wird und
brennt es während dem Hl. Amte, und nach ganz beendeter Leichenfeier bethen die Leidtragenden in
der Kirche für den Verstorbenen noch einen Rosenkranz.
(Pfarrchronik Schäffern 1880, S. 312ff.)
Auch 100 Jahre nach den Aufzeichnungen aus der Pfarre Schäffern verlaufen im Wechselgebiet die
Begräbnisfeierlichkeiten und das Totenmahl in gleichbleibender Ordnung nach den einstmals erstell-
ten Regeln. Die einzige auffallende Veränderung betrifft die Wahl von Zeit und Stunde für das Begräb-
nis: In dem von uns überschaubaren, vergangenen halben Jahrhundert beginnen die Begräbnisfeier-
lichkeiten am Nachmittag um 13.30 Uhr mit dem Rosenkranzbeten in der Kirche. Um 14.00 Uhr wird
mit dem Requiem die kirchliche Feier eingeleitet, welche mit der Grablegung endet.
Der Sarg wurde vom Wohnhaus zur Kirche getragen, oder wie Pfarrer Schänzl bereits im Jahre 1880
erwähnt, „mit einem Pferdezuge zur Kirche geführt“. In manchen Orten, wie Kulma oder Mönichkir-
chen, wurde das Pferdefuhrwerk des „Wirten“ genutzt, in dessen Gasthof zum anschließenden Toten-
mahl geladen war. Der Wirt war meist der einzige im Ort, welcher Rösser und einen entsprechenden
Wagen besaß, um Bierfässer und andere Lasten zu transportieren.
Begräbnis in Götzendorf, Pfarre Gschaidt
1974. Nach Pfarrer Schänzls Schilderung
über die „weißgekleideten Mädchen mit
schwarzer Schürze“ begleiten auch 100
Jahre später weiß gekleidete Mädchen den
Sarg einer jungen Frau. Als Zeichen der
Jungfräulichkeit ziert den Sarg ein Kranz
mit einem weißen Band.
(Familienbesitz Gamperl / Riegler)
WeXel oder Die Musik einer Landschaft
Das Geistliche Lied, Band 1
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Titel
- WeXel oder Die Musik einer Landschaft
- Untertitel
- Das Geistliche Lied
- Band
- 1
- Autoren
- Erika Sieder
- Walter Deutsch
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2017
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC-ND 3.0
- ISBN
- 978-3-205-79584-1
- Abmessungen
- 21.0 x 29.7 cm
- Seiten
- 648
- Schlagwörter
- Wechselgebiet, Geistliches Lied: Leichhüatlieder, bäuerliche Tradition der Totenwache, historische Tondokumente, Wörterbuch, Melodienincipits
- Kategorie
- Kunst und Kultur
Inhaltsverzeichnis
- Abkürzungen 10
- Zum vorliegenden Band 12
- Die Landschaft 18
- Der Totenbrauch 24
- 1. Die Totenwache 26
- 2. Das Begräbnis und das Totenmahl 33
- 3. Das Singen 38
- 4. Das Liedgut und seine Quellen 40
- 5. Die Liedgattungen 47
- Die Sammlung: Lei(ch)hüat- / Leichwåcht-Liadln – Lieder zur Totenwache 59
- Anmerkungen zur Edition der Lieder 60
- Johannes Leopold Mayer
- Zusammenfassung
- Register für das Wechselgebiet und die angrenzenden Regionen in Niederösterreich und in der Steiermark
- Allgemeines Register
- a) Ortsregister 601
- b) Personenregister 607
- Sachregister 613
- Register der Liedanfänge, Sammelorte und Tonaufzeichnungen 618
- Inhaltsverzeichnis und Begleittext zu den beiliegenden Tondokumenten 629
- Sängerinnen, Sänger und Vorbeter der Tonaufzeichnungen 630
- Inhaltsverzeichnis zu den beiliegenden CDs 632
- Autoren und Mitarbeiter 640