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5. Die Liedgattungen
Ihr Priester des Herrn, lobet den Herrn.
(Herr bleib bei uns – Lied Nr. 63, Str. 1, Zeile 5)
und ein einziges Mal persönlich angesprochen:
Gute Nacht, o Seelenhirt,
Ich dank wie es gebĂĽhrt
Um euern Eifer und gute Lehr’
Und noch andre gute Taten mehr,
Die Gott belohnen wird.
(Gute Nacht, gute Nacht, o Welt – Lied Nr. 58, Str. 15)
Der Priester spendet das Sakrament der letzten Ölung und lenkt das Begräbnis nach liturgischem
Ritus, doch beim „Leichwåchtn“ ist er nicht anwesend. In den letzten Strophen dieser Liedgattung
wendet sich der Tote an die Sargträger mit der Bitte, ihn dorthin zu bringen, wo das irdische Leben
in der Erde sein Ende findet:
Nun ihr Träger seid gebeten,
Tragt mich jetzt dem Friedhof zu,
In das Grab mein Leib tut legen,
LaĂźt ihn liegen in der Ruh!
(O! bedrängtes Menschenleben – Lied Nr. 125, Str. 5, Zle. 1–4)
5.2 Totentanzlied
Das zentrale Motiv dieser Liedgattung ist die Allmacht des Todes. Alle Schichten und Klassen der
menschlichen Gesellschaft werden ein „Raub“ des Todes:
Ich geh herum in weiter Welt, such meinen Raub zusammen,
Und nimm hinweg was mir gefällt, sey hoch und nieder Stammen.
(Ich geh herum in weiter Welt – Lied Nr. 70, Str. 1, Zle. 1–2)
Dies ist das älteste Beispiel für das Totentanzlied, welches unter den Liedern zum Totenbrauch am
Wechsel erhalten blieb. Trotz des auffallenden, grausamen Inhalts nahm das Totentanzlied bei den
Sängerinnen keine Sonderstellung ein. Es zählte wie jedes andere Lied zum verfügbaren Liedgut. Der
Begriff „Totentanz“ und dessen elementar lehrhafter Inhalt durch die eindringliche Personifizierung
des Todes wurden von den Sängern und Sängerinnen unreflektiert in ihr Repertoire aufgenommen.
Das Singen dieser Lieder im Ablauf einer Totenwache geschah ohne eine bestimmte, auf den Inhalt
verweisende Absicht.
5.3 Armenseelenlied
Das in der Glaubenswelt tief verankerte „Fegefeuer“, verbunden mit dem Bild der leidenden und
auf Erlösung hoffenden Seelen, war bei der Totenwache allgegenwärtig. Nicht nur mit vielen immer
wiederkehrenden Vaterunser, sondern auch durch die thematisch zugeordneten „Armenseelenlieder“
wurde ihrer gedacht. Die im Fegefeuer schmachtenden Seelen schreien nach helfenden Händen, wel-
che der im Liedtext enthaltenen Aufforderung folgen sollten:
Komm, o SĂĽnder, tu doch eilen,
Hilf den Armen aus der Pein.
Hör, wie sie um Hilf tun schreien,
Die im Fegefeuer sein.
(Komm, o Sünder, tu doch eilen – Lied Nr. 92, Strophe 1, Zeilen 1–4)
WeXel oder Die Musik einer Landschaft
Das Geistliche Lied, Band 1
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Titel
- WeXel oder Die Musik einer Landschaft
- Untertitel
- Das Geistliche Lied
- Band
- 1
- Autoren
- Erika Sieder
- Walter Deutsch
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2017
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC-ND 3.0
- ISBN
- 978-3-205-79584-1
- Abmessungen
- 21.0 x 29.7 cm
- Seiten
- 648
- Schlagwörter
- Wechselgebiet, Geistliches Lied: Leichhüatlieder, bäuerliche Tradition der Totenwache, historische Tondokumente, Wörterbuch, Melodienincipits
- Kategorie
- Kunst und Kultur
Inhaltsverzeichnis
- AbkĂĽrzungen 10
- Zum vorliegenden Band 12
- Die Landschaft 18
- Der Totenbrauch 24
- 1. Die Totenwache 26
- 2. Das Begräbnis und das Totenmahl 33
- 3. Das Singen 38
- 4. Das Liedgut und seine Quellen 40
- 5. Die Liedgattungen 47
- Die Sammlung: Lei(ch)hüat- / Leichwåcht-Liadln – Lieder zur Totenwache 59
- Anmerkungen zur Edition der Lieder 60
- Johannes Leopold Mayer
- Zusammenfassung
- Register für das Wechselgebiet und die angrenzenden Regionen in Niederösterreich und in der Steiermark
- Allgemeines Register
- a) Ortsregister 601
- b) Personenregister 607
- Sachregister 613
- Register der Liedanfänge, Sammelorte und Tonaufzeichnungen 618
- Inhaltsverzeichnis und Begleittext zu den beiliegenden Tondokumenten 629
- Sängerinnen, Sänger und Vorbeter der Tonaufzeichnungen 630
- Inhaltsverzeichnis zu den beiliegenden CDs 632
- Autoren und Mitarbeiter 640