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Moderne
sition« eines autobiografischen Romans und schrieb im August 1937 an seine
Frau :
Was ich plane, und woran ich Schritt für Schritt geduldig arbeite, ist eine österreichi-
sche Trilogie. Der erste Teil reicht von 1889 bis 1914. Der zweite ist das Kriegstage-
buch. Der dritte spielt nach dem Krieg. – Es soll mehr werden als eine Autobiogra-
phie. Wenn ich einen größeren Teil fertig habe, schicke ich ihn Dir, um Dein Urteil
zu hören – nein, weil es mir ein Bedürfnis ist, dass Du es kennst und mit Deinem
Herzen verfolgst.53
Der titelgebende Knabe Robert FĂĽrth war Viertels Alter Ego und die Hauptfigur
dieser österreichischen Trilogie, die teilweise auch den Titel Väter und Söhne in
Österreich trug.54 Die »Psychologie des Kindes« sollte »die ganze Zeitgeschichte
[…] in der Form von Legenden« enthalten.«55 Erste Texte, die zu diesem Kon-
volut gehörten, beschrieben die kleinbürgerliche jüdische Familie des Knaben,
wie sie eben mit der Nachricht vom Tod des Kronprinzen Rudolf konfrontiert
wurde. Es folgten ausfĂĽhrliche Analysen der Diskurse um die Familie Habsburg
und um den allgemeinen politischen und sozialen Zustand in Ă–sterreich um
1900. Die Grundstruktur dieser autobiografischen österreichischen Trilogie
sollte die Gegenüberstellung zweier »Generationen« – Kronprinz Rudolf und
Kaiser Franz Joseph, der Knabe Robert Fürth und sein Vater – bilden. Auch
Passagen zu Karl Lueger und den Christlichsozialen, zur Herkunft der Familie
Viertel sowie zur Karriere des Vaters wurden ausgearbeitet. Immer wieder wech-
selte Viertel in Textpassagen in die erste Person oder brachte sich als Autor in
den Text ein. Ihm war durchaus klar, dass sein Anspruch auf Selbst- und Epo-
chendiagnose die autobiografische Form an ihre Grenzen fĂĽhrte und ihm aller-
lei Probleme bereitete, wie er in einem Brief an die Schauspielerin Elisabeth
Bergner festhielt :
Können Sie sich vorstellen, dass man eine Statue machen will, die alles enthält ? Und
die jemand nur ansehen muss, um alles zu wissen ? Das versuche ich seit der Kindheit
[…]. Aber ich komme nur zu Ansätzen – von, sagen wir, 270 Druckseiten. Dann sa-
53 BV an Salka Viertel, 1. August 1937, 78.867/7, K34, A : Viertel, DLA ; BV, Konzepte in : Kaiser/
Roessler/Bolbecher (Hg.), Viertel, Cherub, 292–297.
54 Andere mögliche (Unter-)Titel waren : »Die österreichische Tragödie« oder »Austrian Illusions«.
Von der deutschen Stadt FĂĽrth in Bayern leitete sich Viertels Familienname her, doch wirklich zen-
tral wurde »Robert FĂĽrth« letztlich nichtÂ
– viel öfter blieb es bei der Benennung »der Knabe« oder
»er«.
55 BV, Ă–sterreichische Illusionen/Der Knabe Robert FĂĽrth (Mappen Autobiographischer Material),
o.S., NK12, A : Viertel, DLA.
Berthold Viertel
Eine Biografie der Wiener Moderne
- Titel
- Berthold Viertel
- Untertitel
- Eine Biografie der Wiener Moderne
- Autor
- Katharina Prager
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2018
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-20832-7
- Abmessungen
- 15.5 x 23.2 cm
- Seiten
- 368
- Kategorie
- Biographien
Inhaltsverzeichnis
- Ein chronologischer Ăśberblick 7
- Einleitend 19
- 1. BERTHOLD VIERTELS RĂśCKKEHR IN DIE Ă–STERREICHISCHE MODERNE DURCH EXIL UND REMIGRATION
- 2. ERINNERUNGSORTE DER WIENER MODERNE
- Moderne in Wien 99
- Monarchisches GefĂĽhl 118
- Galizien 129
- JĂĽdisches Wien 139
- Katholische Dienstmädchen 150
- Deutsche Kultur 161
- Luegers Wien 173
- MitschĂĽler Hitler 184
- Jugendliche Kulturanarchisten 196
- Familie Adler 209
- Studium 228
- Sexuelle Emancipation 245
- Karl Kraus 268
- Theater 291
- Erster Weltkrieg 310
- Nachsatz 333
- Archivalien 336
- Dank 342
- Literaturverzeichnis 344
- Bildnachweis 358
- Personenregister 359