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Berthold Viertel - Eine Biografie der Wiener Moderne
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  84  | Berthold  Viertels  Rückkehr  in  die  österreichische  Moderne etwa in der Einstellung auf Herr, Rache, Ressentiment. Die Selbständigkeit österrei- chischer Kultur kann wohl behauptet und verfochten werden : aber nur als ein leben- diges Glied der deutschen Kulturfamilie. (Paradox ausgedrückt : der kulturelle An- schluß eines befreiten Deutschland an Österreich muss vorbereitet werden.) […] Dazu braucht man zuerst einmal ein demokratisches Österreich : kein kaiserliches und kein klerikales. Solche Pläne und Möglichkeiten müssen bekämpft werden.39 1945 kam es nun zu einem demokratischen Österreich  – jedenfalls formal, denn wirkliches demokratisches Bewusstsein hatte es in Österreich noch lange schwer  – aber im Zuge der konzentrierten außen- und kulturpolitischen Ab- grenzung von Deutschland lag der von Viertel befürchtete Rückgriff auf ein kaiserliches und klerikales Österreich jedenfalls kulturell näher. Selbst der Kom- munist Ernst Fischer verherrlichte in seiner 1945 in Wien publizierten Schrift Die Entstehung des österreichischen Volkscharakters die Habsburger und erklärte, dass die »preußisch-deutsche faschistische Ideologie« speziell auf die WienerIn- nen sowieso weniger »abgefärbt« hätte.40 Mit einem ähnlich restaurativen Patri- otismus schlossen die dem Kaiserlich-Klerikalen ohnehin eng verbundene öster- reichische Volkspartei und die Konservativen im weitesten Sinne an das katholisch-bäuerliche, monarchie-nostalgische Österreich-Bild des Dollfuß/ Schuschnigg-Regimes an.41 In der Zwischenkriegszeit hatten solch patriotische »Österreichideologien« in ihrer aggressiven Antimodernität kaum über Kern- schichten hinausgewirkt.42 1948 begann dieses konservative »Elitenprojekt« je- doch kulturell hegemonial zu werden. Ende 1948, als Berthold Viertel zurückkehrte, verstärkte sich der Trend, »ei- nen Schlußstrich unter die Vergangenheit zu ziehen« nochmals »merklich«. Die Zahl der Freisprüche in Entnazifizierungsprozessen war im vergangenen Jahr deutlich angestiegen und das neue »Nationalsozialistengesetz« (NSG) unter- schied nun zwischen »Belasteten« und »Minderbelasteten«. Die »Minderbelas- teten« wurden im April 1948 generell amnestiert.43 Im Hinblick auf die National ratswahlen 1949 begann ein Kampf der drei Parteien um das Wähler- potential der fast 500.000 »minderbelasteten« NSDAP-Mitglieder und ihrer Angehörigen. Mit dem nur wenig später gegründeten Verband der Unabhängi- 39 BV, o.T. [1.) Rein liter. Zeitschrift kann ich mir], in : Arbeits-/Notizheft »Lamm des Armen_Januar 1944 (Santa Monica) / Januar 1945 (New York)«, o.S., K4, A : Viertel, DLA. 40 Fischer, Ernst, Die Entstehung des österreichischen Volkscharakters, Wien 1945, 4 und 15–20. Die »österreichische Nation« war schon vor dem Zweiten Weltkrieg ein Projekt der Kommunistischen Partei gewesen, vgl. Alfred Klahr, Zur österreichischen Nation, Wien 1994. 41 Rathkolb, Paradoxe Republik, 2005, 36. 42 Huemer, Peter, Wie man Österreich erzeugt, in : Die Presse, 22. Oktober 2010. 43 Rathkolb, Paradoxe Republik, 2005, 396.
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Berthold Viertel Eine Biografie der Wiener Moderne
Titel
Berthold Viertel
Untertitel
Eine Biografie der Wiener Moderne
Autor
Katharina Prager
Verlag
Böhlau Verlag
Ort
Wien
Datum
2018
Sprache
deutsch
Lizenz
CC BY 4.0
ISBN
978-3-205-20832-7
Abmessungen
15.5 x 23.2 cm
Seiten
368
Kategorie
Biographien

Inhaltsverzeichnis

  1. Ein chronologischer Ăśberblick 7
  2. Einleitend 19
  3. 1. BERTHOLD VIERTELS RĂśCKKEHR IN DIE Ă–STERREICHISCHE MODERNE DURCH EXIL UND REMIGRATION
    1. Außerhalb Österreichs – Die Entstehung des autobiografischen Projekts 47
    2. Innerhalb Österreichs – Konfrontationen mit »österreichischen Illusionen« 75
  4. 2. ERINNERUNGSORTE DER WIENER MODERNE
    1. Moderne in Wien 99
    2. Monarchisches GefĂĽhl 118
    3. Galizien 129
    4. JĂĽdisches Wien 139
    5. Katholische Dienstmädchen 150
    6. Deutsche Kultur 161
    7. Luegers Wien 173
    8. MitschĂĽler Hitler 184
    9. Jugendliche Kulturanarchisten 196
    10. Familie Adler 209
    11. Studium 228
    12. Sexuelle Emancipation 245
    13. Karl Kraus 268
    14. Theater 291
    15. Erster Weltkrieg 310
    16. Nachsatz 333
    17. Archivalien 336
    18. Dank 342
    19. Literaturverzeichnis 344
    20. Bildnachweis 358
    21. Personenregister 359
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