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Berthold Viertel - Eine Biografie der Wiener Moderne
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  124  | Erinnerungsorte  der  Wiener  Moderne Salten wurde der Kaiser zum »österreichischen Antlitz« schlechthin : »Österrei- chisch ist auch diese Kultur der Seele, die es vermag, dass man die schwersten Dinge mitmacht, durchmacht, und der Welt doch immer ein lächelndes Antlitz zeigt.«30 Berthold Viertel stellte dem von Salten beschriebenen Lächeln Franz Josephs das »Lächeln der österreichischen Skepsis« gegenüber, das  – als Vorläufer der »kritischen Modernen«  – »den Verfall des Staatengebildes Österreich-Ungarn« voraussah, nachdem es »die Schule Metternichs durchgemacht [hatte] und den Vormärz«. Dieses Lächeln wusste »um die so blutig niedergeschlagene Revolution von 1848« und richtete sich klar gegen die Habsburger.31 Der Kaiser war aber auch für kritisch-moderne Söhne wie Hermann Broch zunehmend identisch geworden mit einem »Staat, dessen Todesschicksal an sein eigenes gebunden war« und verhaftete Österreich allein durch seine lange Re- gierungszeit so »überaus beharrlich an das 19. Jahrhundert.«32 In Viertels Ge- schichte um Erhalt und Zerstörung verkörperte Franz Joseph  – streng, bürokra- tisch, autoritär, von duldender Religiosität und einer Aura persönlicher Tragik umgeben  – die »seltsam passive Vaterfigur par excellence« und den Erhalt um jeden Preis.33 Das Ausmaß der symbolischen Macht, die dieser passive Überva- ter besaß, brachte Berthold Viertel noch 1933 in einem Artikel in der Weltbühne auf den Punkt : ›Wofür sind denn Sie ?‹, fragte jemand nach der Revolution einen Wiener Maler, der als eine exzentrische Persönlichkeit bekannt war.  – ›Ich ? Ich bin  – für den toten Kaiser.‹ Und dann entwickelte er seine Theorie. Er sei keineswegs für die Wiedereinführung der Monarchie, keineswegs für einen lebendigen Kaiser Karl  – oder wie immer der nächste heißen möge. Nein, er sei für die Demokratie  – aber mit dem toten Franz Josef als Staatsoberhaupt. Ja, als ein Toter würde der ausgezeichnet weiterregieren, und in dieser Form auch besser als zu Lebzeiten.34 Einen moderneren Ausgleich zur strengen Beamtenmentalität Franz Josephs bot die Kaiserin Elisabeth. Sie beflügelte das »monarchische Gefühl« durch ei- nen rebellischen Gegenmythos. »An der Legende dieser Frau hat ein Volk ge- 30 Salten, Felix, Das österreichische Antlitz, Berlin 1908, 267–276. 31 BV, Die Stadt der Kindheit, in : Bolbecher/Kaiser (Hg.), Viertel, Cherub, 1990, 94 ; vgl. auch Karl Kraus Deutungen des »österreichischen Antlitz« in : Timms, Kraus, 1999, 543 und Stocker, Brigitte, Rhetorik eines Protagonisten gegen die Zeit. Karl Kraus als Redner in den Vorlesungen 1919 bis 1932, Wien 2013, 85–86. 32 Broch, Hofmannsthal, 2001, 67 und 134. 33 BV, Konvolut Autobiographie. Österreichische Illusionen (3 Hefte), o.D., o.S., K19, A : Viertel, DLA. 34 BV, Der tote Kaiser, 71, o.D., K12, A : Viertel, DLA. Veröffentlicht in : Die Wiener Weltbühne, 26.  Jänner 1933.
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Berthold Viertel Eine Biografie der Wiener Moderne
Titel
Berthold Viertel
Untertitel
Eine Biografie der Wiener Moderne
Autor
Katharina Prager
Verlag
Böhlau Verlag
Ort
Wien
Datum
2018
Sprache
deutsch
Lizenz
CC BY 4.0
ISBN
978-3-205-20832-7
Abmessungen
15.5 x 23.2 cm
Seiten
368
Kategorie
Biographien

Inhaltsverzeichnis

  1. Ein chronologischer Ăśberblick 7
  2. Einleitend 19
  3. 1. BERTHOLD VIERTELS RĂśCKKEHR IN DIE Ă–STERREICHISCHE MODERNE DURCH EXIL UND REMIGRATION
    1. Außerhalb Österreichs – Die Entstehung des autobiografischen Projekts 47
    2. Innerhalb Österreichs – Konfrontationen mit »österreichischen Illusionen« 75
  4. 2. ERINNERUNGSORTE DER WIENER MODERNE
    1. Moderne in Wien 99
    2. Monarchisches GefĂĽhl 118
    3. Galizien 129
    4. JĂĽdisches Wien 139
    5. Katholische Dienstmädchen 150
    6. Deutsche Kultur 161
    7. Luegers Wien 173
    8. MitschĂĽler Hitler 184
    9. Jugendliche Kulturanarchisten 196
    10. Familie Adler 209
    11. Studium 228
    12. Sexuelle Emancipation 245
    13. Karl Kraus 268
    14. Theater 291
    15. Erster Weltkrieg 310
    16. Nachsatz 333
    17. Archivalien 336
    18. Dank 342
    19. Literaturverzeichnis 344
    20. Bildnachweis 358
    21. Personenregister 359
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