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Berthold Viertel - Eine Biografie der Wiener Moderne
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  Galizien |  135 (*29.06.1857, † ?), Isaac Jakob (*28.06.1862, † ?) und Pessel (*04.10.1864, †05.06.1865). Die zweite Liste kann als weitaus zuverlässiger gelten und ihr ist auch zu entnehmen, dass »Dekadenz« weniger ausschlaggebend für die  – für damalige Verhältnisse  – niedrige Anzahl an Kindern war, sondern vielmehr eine hohe Kindersterblichkeit : Zwei Mädchen (N. und Pessel) verstarben bereits wenige Tage beziehungsweise Monate nach der Geburt. Inmitten dieser nur schemenhaft vorstellbar bleibenden Familie wuchs also Berthold Viertels Vater Salomon im jüdischen Ghetto von Tárnow auf. Er be- suchte die orthodoxe hebräische »Thoraschule« und galt in seinem Umkreis als »munteres Kind« mit »raschem, absonderlichem Verstand«, als ehrgeizig, scharf- sinnig, witzig, aber auch durchaus eitel. Viertel beschrieb nicht, was sein Vater dort lernte  – es war wahrscheinlich kaum mehr als das Nötigste, also Lesen, Schreiben, Rechnen und ausreichend biblisches Hebräisch, um am religiösen Leben teilzunehmen. Auch über das Tarnówer Leben an sich und die Tanten und Onkel, deren männlichen Anteil er oft unterschlug, ist im autobiografischen Projekt nichts zu erfahren. Wahrscheinlich wusste er tatsächlich kaum etwas über ihre Lebensumstände, Berufe und Gewohnheiten : »Die Töchter [!] waren in Galizien verheiratet und tauchten nur besuchsweise in der Haupt- und Kai- serstadt auf.«27 Obwohl Viertel seine Erinnerungen an diese fernere Verwandt- schaft zu einem Zeitpunkt sammelte, zu dem er schon annehmen konnte, dass sie großteils in der Shoah vernichtet worden waren, bemühte er sich, seine Wahrnehmung nicht zu romantisieren. Als geborener Wiener teilte er die zeit- genössischen Vorurteile gegen die »Ostjuden«, wie sie pauschalisierend und abwertend genannt wurden, auch wenn sie Familie waren : Manchmal kamen Verwandte aus Galizien zu Besuch. Sie waren groß und derb und lärmend, wenn sie lachten, wackelten ihre Bäuche. Einige von ihnen trugen den Kaf- tan, Schläfenlocken und das runde schwarze Käppchen und aßen im Hause nur Eier. Der Knabe […] hatte eine panische Furcht vor ihnen und es ekelte ihn, wenn sie ihn mit tabakgelben Fingern in die Wange kniffen. Auch die Mutter mochte diese Leute wenig und konnte ihren Widerwillen nur schlecht verbergen.28 Die Söhne Leopold und Salomon waren die einzigen Mitglieder der Familie Viertel, die »den Weg der Zeit« aus Galizien nach der »glänzend weltlichen Stadt« Wien gingen  – in »ein unfrommes und verderbtes Babylon […] wie nur 27 BV, Konvolut Autobiographie. Österreichische Illusionen (3 Hefte), o.D., o.S., K19, A : Viertel, DLA. 28 BV, Familie und Kindheit in Wien (grünes Heft), o.D., o.S., K19, A : Viertel, DLA.
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Berthold Viertel Eine Biografie der Wiener Moderne
Titel
Berthold Viertel
Untertitel
Eine Biografie der Wiener Moderne
Autor
Katharina Prager
Verlag
Böhlau Verlag
Ort
Wien
Datum
2018
Sprache
deutsch
Lizenz
CC BY 4.0
ISBN
978-3-205-20832-7
Abmessungen
15.5 x 23.2 cm
Seiten
368
Kategorie
Biographien

Inhaltsverzeichnis

  1. Ein chronologischer Ăśberblick 7
  2. Einleitend 19
  3. 1. BERTHOLD VIERTELS RĂśCKKEHR IN DIE Ă–STERREICHISCHE MODERNE DURCH EXIL UND REMIGRATION
    1. Außerhalb Österreichs – Die Entstehung des autobiografischen Projekts 47
    2. Innerhalb Österreichs – Konfrontationen mit »österreichischen Illusionen« 75
  4. 2. ERINNERUNGSORTE DER WIENER MODERNE
    1. Moderne in Wien 99
    2. Monarchisches GefĂĽhl 118
    3. Galizien 129
    4. JĂĽdisches Wien 139
    5. Katholische Dienstmädchen 150
    6. Deutsche Kultur 161
    7. Luegers Wien 173
    8. MitschĂĽler Hitler 184
    9. Jugendliche Kulturanarchisten 196
    10. Familie Adler 209
    11. Studium 228
    12. Sexuelle Emancipation 245
    13. Karl Kraus 268
    14. Theater 291
    15. Erster Weltkrieg 310
    16. Nachsatz 333
    17. Archivalien 336
    18. Dank 342
    19. Literaturverzeichnis 344
    20. Bildnachweis 358
    21. Personenregister 359
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