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Berthold Viertel - Eine Biografie der Wiener Moderne
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  Katholische  Dienstmädchen |  153 Viertels in der Seidengasse wohnte, und bestaunte dort Heiligenbilder und den Gekreuzigten.13 In der Schulzeit verfasste Berthold Viertel sogar ein Stück über den »Jüngling Jesus«.14 Aus solchen Texten wird deutlich, dass in seiner frühen Kindheit katholische Symbole und Traditionen Viertels Alltag stärker beein- flussten als jüdische : »Als ich ein Kind war, war ich ein Judenkind / Und habe zuerst nicht darum gewusst.«15 Der Katholizismus, der Berthold Viertel in die- ser Weise vermittelt wurde, blieb für ihn allerdings positiv besetzt. In einem Brief an seine Frau Salka betonte er 1931 nur seinen »fanatischen Widerwillen gegen Puritaner und bürgerliche Christen  – ein disgust, der mir fast angeboren ist« : Christen ertrage ich nur, wenn sie ganz tief und leidenschaftlich sind  – wie Dostojew- ski oder Kierkegaard oder Pascal  – oder ganz volkstümlich  – Dienstmädchen und Bäuerinnen. Juden sind nur möglich, wenn sie wie Spinoza […] oder schon ganz chassidisch sind. Der Rest ist Heidenwelt, sinnliche Sünder  – und nur mit ihnen kann ich leben, konnte ich leben seit meiner Kindheit.16 Berthold Viertel machte da eigentlich keinen Unterschied mehr zwischen »Ju- dentum« und »Christentum«, die er beide nur in Extremformen  – in unreflek- tierter »Volkstümlichkeit« oder in höchst kritischer, rationaler Auseinanderset- zung  – anerkannte. Für Viertel, wie auch für Karl Kraus, war das »Jüdische« und das »Christliche« letztlich nicht so sehr eine Religion wie ein Diskurs, der durch Erziehung und Hintergrund bestimmt wurde und tiefe Spuren hinterließ.17 In Viertels Familie, vor allem bei der traditionell lebenden Leopoldstädter Ver- wandtschaft, wurden religiöse und soziale Differenzen allerdings noch sehr ernst 13 BV, Die Kaiserstraße, in : Bolbecher/Kaiser (Hg.), Viertel, Cherub, 1990, 52. 14 BV, [Jesus, der Jüngling] in : Bolbecher/Kaiser (Hg.), Viertel, Cherub, 1990, 70–71. 15 BV, Autobiographie in Versen, begonnen am 19.09.1943, o.S., K01, A : Viertel, DLA. Im katholi- schen »Österreich« um 1900 waren der »kulturelle Austauschprozess« und der »Wechsel zwischen kulturellen Ordnungsmustern« bereits problematisch und sogar zunehmend gefährdet. Dabei übte die katholische Hegemonie Konformtitätsdruck aus  – vgl. Pollak, Kulturelle Innovation, in : Botz u.a. (Hg.), Eine zerstörte Kultur, 2002, 97–111, 98 ; Csáky u.a., Pluralitäten, Heterogenitäten, Differen- zen, in : Csáky u.a. (Hg.), Kultur, 2004, 13–44, 18. 16 BV an Salka Viertel, 18. November 1931, 78.859/19, K34, A : Viertel, DLA. Zur produktiven Inter- aktion zwischen Katholizismus und Judentum in der Moderne vgl. auch Kandel, Eric, Das Zeitalter der Erkenntnis : Die Erforschung des Unbewussten in Kunst, Geist und Gehirn von der Wiener Moderne bis heute, München 2012 ; Kandel, The Productive Interaction of Christians and Jews that led to the Creation of Modernism in Vienna 1900, in : Rathkolb, Oliver (Hg.), Der lange Schatten des Antisemitismus. Kritische Auseinandersetzungen mit der Geschichte der Universität Wien im 19. und 20.  Jahrhundert, Göttingen 2013, 13–59.; Berger, Kurze Geschichte, 2008, 23. 17 Timms, Kraus, 2005, 121 ; Csáky, Gedächtnis der Städte, 2010, 248.
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Berthold Viertel Eine Biografie der Wiener Moderne
Titel
Berthold Viertel
Untertitel
Eine Biografie der Wiener Moderne
Autor
Katharina Prager
Verlag
Böhlau Verlag
Ort
Wien
Datum
2018
Sprache
deutsch
Lizenz
CC BY 4.0
ISBN
978-3-205-20832-7
Abmessungen
15.5 x 23.2 cm
Seiten
368
Kategorie
Biographien

Inhaltsverzeichnis

  1. Ein chronologischer Ăśberblick 7
  2. Einleitend 19
  3. 1. BERTHOLD VIERTELS RĂśCKKEHR IN DIE Ă–STERREICHISCHE MODERNE DURCH EXIL UND REMIGRATION
    1. Außerhalb Österreichs – Die Entstehung des autobiografischen Projekts 47
    2. Innerhalb Österreichs – Konfrontationen mit »österreichischen Illusionen« 75
  4. 2. ERINNERUNGSORTE DER WIENER MODERNE
    1. Moderne in Wien 99
    2. Monarchisches GefĂĽhl 118
    3. Galizien 129
    4. JĂĽdisches Wien 139
    5. Katholische Dienstmädchen 150
    6. Deutsche Kultur 161
    7. Luegers Wien 173
    8. MitschĂĽler Hitler 184
    9. Jugendliche Kulturanarchisten 196
    10. Familie Adler 209
    11. Studium 228
    12. Sexuelle Emancipation 245
    13. Karl Kraus 268
    14. Theater 291
    15. Erster Weltkrieg 310
    16. Nachsatz 333
    17. Archivalien 336
    18. Dank 342
    19. Literaturverzeichnis 344
    20. Bildnachweis 358
    21. Personenregister 359
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