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Berthold Viertel - Eine Biografie der Wiener Moderne
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  Deutsche  Kultur |  163 die deutsche Kultur zunehmend skeptisch sah, sobald sie begann, die »bürgerliche Karriere« ihres Sohnes in Frage zu stellen. Umso mehr wurde »das Dienstmäd- chen« im Rückblick zur Verbündeten in Sachen deutsche Dichtung stilisiert.15 Das »österreichische Dienstmädchen« der Viertels war es auch, das im auto- biografischen Projekt die sprachliche Anpassungsfähigkeit der Jüdinnen und Juden der einer anderen wesentlichen Gruppe von EinwanderInnen gegenüber- stellte : Im Vergleich zu der tschechischen Hausbesorgerfamilie, die um dieselbe Zeit wie die Viertels eingewandert waren, sprachen die Viertels »eben doch richtig deutsch«, erklärte sie, die diese TschechInnen »verabscheute«, dem etwa fünfjährigen Berthold Viertel  – sie »nahm in österreichischer Weise, den Teil für das Ganze.«16 In noch größeren Mengen als Jüdinnen und Juden zogen seit den 1870er- Jahren TschechInnen nach Wien, das bald als »die größte tschechische Stadt« galt, auch wenn das in der städtischen Selbstrepräsentation nicht sichtbar wurde.17 Ähnlich wie die jüdischen EinwanderInnen wurden auch die Tsche- chInnen zum »Surrogat für alles Fremde« und gehörten, wie Viertel schon als Kind bemerkte, zu den »verächtlichen [und] unbeliebten […] Parias in der ös- terreichischen Habsburgermonarchie«18. Vor allem über die sprachliche »Unter- legenheit« der tschechischen EinwanderInnen lachte Wien gerne : »Sie spra- chen gebrochenes, verbeultes Deutsch, über das sich alle Welt lustig machte.«19 Der »Böhm« oder der »böhmische Hausmeister« gehörten zu den feststehenden komischen Typen der Wiener Bühne. Und »Böhmakeln« nannten die Wiene- rInnen falsches, grammatikalisch verdrehtes Deutsch mit Akzent, das zur allsei- tigen Belustigung gern nachgeahmt wurde.20 Berthold Viertel erlebte TschechIn- nen als kleines Kind vor allem als Hausbesorger oder als angestellte Tischler in der Möbelfabrik seines Vaters : Sie waren ein hart arbeitendes, ein kräftiges, ja derbes und urwüchsiges Volk, das sich verfolgt und unterdrückt und um seine Rechte geprellt fühlte und wußte. Daß ihre Zunge, wie sehr sie sich auch wand, die deutsche Sprache zerquetschte und entstellte, daß es ihnen nicht gelingen wollte, besser deutsch zu sprechen, ärgerte und verdroß 15 BV, Konvolut Autobiographie. Österreichische Illusionen (3 Hefte), o.D., o.S., K19, A : Viertel, DLA. 16 BV, Österreichische Illusionen/Der Knabe Robert Fürth, o.D., o.S., NK12, A : Viertel, DLA. 17 Glettler, Monika, Die Wiener Tschechen um 1900. Strukturanalyse einer nationalen Minderheit in der Großstadt, München 1972 ; Csáky, Gedächtnis der Städte, 2010, 137–170. 18 BV, Die mir begegnet sind, o.D., o.S., NK17, A : Viertel, DLA. 19 BV, Konvolut Autobiographie. Österreichische Illusionen (3 Hefte), o.D., o.S., K19, A : Viertel, DLA. 20 Csáky, Gedächtnis der Städte, 2010, 166.
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Berthold Viertel Eine Biografie der Wiener Moderne
Titel
Berthold Viertel
Untertitel
Eine Biografie der Wiener Moderne
Autor
Katharina Prager
Verlag
Böhlau Verlag
Ort
Wien
Datum
2018
Sprache
deutsch
Lizenz
CC BY 4.0
ISBN
978-3-205-20832-7
Abmessungen
15.5 x 23.2 cm
Seiten
368
Kategorie
Biographien

Inhaltsverzeichnis

  1. Ein chronologischer Überblick 7
  2. Einleitend 19
  3. 1. BERTHOLD VIERTELS RÜCKKEHR IN DIE ÖSTERREICHISCHE MODERNE DURCH EXIL UND REMIGRATION
    1. Außerhalb Österreichs – Die Entstehung des autobiografischen Projekts 47
    2. Innerhalb Österreichs – Konfrontationen mit »österreichischen Illusionen« 75
  4. 2. ERINNERUNGSORTE DER WIENER MODERNE
    1. Moderne in Wien 99
    2. Monarchisches Gefühl 118
    3. Galizien 129
    4. Jüdisches Wien 139
    5. Katholische Dienstmädchen 150
    6. Deutsche Kultur 161
    7. Luegers Wien 173
    8. Mitschüler Hitler 184
    9. Jugendliche Kulturanarchisten 196
    10. Familie Adler 209
    11. Studium 228
    12. Sexuelle Emancipation 245
    13. Karl Kraus 268
    14. Theater 291
    15. Erster Weltkrieg 310
    16. Nachsatz 333
    17. Archivalien 336
    18. Dank 342
    19. Literaturverzeichnis 344
    20. Bildnachweis 358
    21. Personenregister 359
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