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Berthold Viertel - Eine Biografie der Wiener Moderne
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  166  | Erinnerungsorte  der  Wiener  Moderne hend kompatibel mit österreichischer kultureller Identität, da beide Konzepte in ihren Leitideen eigentlich übernational angelegt waren : »German identity was understood largely in terms of cultural values and not […] in terms of ethnic identity.«29 Selbst ein jüngerer Vertreter des sozialistischen Internationalismus, wie der 1881 in Wien geborene Otto Bauer, war »vom Gefühl der Überlegenheit der deutschen Kultur tief geprägt« und sah die »Klassiker« als »unsichtbares Band«, welches jüdische und christliche Deutsche verband.30 Berthold Viertel distanzierte sich bereits von dieser »deutsch-österreichi- schen« Kultur der erhaltende »Vätergeneration«, denn Karl Kraus hatte ihn nicht nur die leeren Phrasen der deutschen Sprache zu meiden gelehrt, sondern vermittelte ihm auch die Hohlheit des deutschen Bildungsideals (die »deutsche Bildungslüge«) und die Probleme um die leeren Klischees eines Goethe- oder Heine-Kults : Das humanistische Erbe an sich wie auch verschiedene Aspekte des »jüdischen Nationaldichters« Heine und seiner Satire waren zwar durchaus zu würdigen, nicht aber ihre unreflektierte Idealisierung.31 Für Berthold Viertel hieß »deutsche Kultur« daher vor allem Begeisterung für moderne deutsche Literatur und Philosophie, besonders für den Naturalismus. Die deutsche Kulturszene war für Viertel ein Sehnsuchtsort. Die »sozialen Ideen« und der »realistische Stil« etwa Gerhart Hauptmanns, den Berthold Viertel ver- ehrte, konnten nicht mehr so leicht mit österreichischen Idenitätskonzeptionen in Einklang gebracht werden wie der »klassische Humanismus« und waren in Öster- reich-Ungarn entsprechend kaum relevant. Auch moderne Philosophen, die wie Kierkegaard, Schopenhauer und Nietzsche den »deutschen Idealismus« kritisier- ten (ihm aber auch verhaftet blieben), interessierten Viertel in seiner Jugend.32 Im Zusammenhang mit der Zugehörigkeit zur »deutscher Kultur« lag nicht zuletzt ihre Einordnung in ein nationales Raster und ein entsprechender Natio- nalismus schon immer nahe. Das war aber um 1900 noch weniger problematisch, 29 Judson, Rethinking the Liberal Legacy, in : Beller (Hg.), Rethinking Vienna, 2001, 58–70, 66. Jud- son analysierte den großen Einfluss der »deutschen Kultur« auf Werte, Normen und Identitäten des österreichischen bürgerlichen Lebens und zeigte, wie durch ideologische Transformationen der Nationalsozialismus mit seiner rassischen Rhetorik an diese Kultur anknüpfen konnte  – und wie sie wiederum den Nationalsozialismus normalisierte. 30 Hanisch, Ernst, Der große Illusionist. Otto Bauer (1881–1938), Wien 2011, 45. Eine Leerstelle bil- den übrigens Untersuchungen zum Geschlechterverhältnis und »deutscher Kultur«, denn es werden in diesen Zusammenhängen nach wie vor vor allem Männer genannt. 31 Kouno, Eiji, Die Performativität der Satire bei Karl Kraus : zu seiner »geschriebenen Schauspiel- kunst«, Berlin 2015, 53–113. 32 Le Rider, Ende, 1990, 16–17 ; Kittsteiner, Heinz Dieter, Deutscher Idealismus, in : François/Schulze (Hg.), Deutsche Erinnerungsorte, 2001, Bd 1, 170–186.
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Berthold Viertel Eine Biografie der Wiener Moderne
Titel
Berthold Viertel
Untertitel
Eine Biografie der Wiener Moderne
Autor
Katharina Prager
Verlag
Böhlau Verlag
Ort
Wien
Datum
2018
Sprache
deutsch
Lizenz
CC BY 4.0
ISBN
978-3-205-20832-7
Abmessungen
15.5 x 23.2 cm
Seiten
368
Kategorie
Biographien

Inhaltsverzeichnis

  1. Ein chronologischer Überblick 7
  2. Einleitend 19
  3. 1. BERTHOLD VIERTELS RÜCKKEHR IN DIE ÖSTERREICHISCHE MODERNE DURCH EXIL UND REMIGRATION
    1. Außerhalb Österreichs – Die Entstehung des autobiografischen Projekts 47
    2. Innerhalb Österreichs – Konfrontationen mit »österreichischen Illusionen« 75
  4. 2. ERINNERUNGSORTE DER WIENER MODERNE
    1. Moderne in Wien 99
    2. Monarchisches Gefühl 118
    3. Galizien 129
    4. Jüdisches Wien 139
    5. Katholische Dienstmädchen 150
    6. Deutsche Kultur 161
    7. Luegers Wien 173
    8. Mitschüler Hitler 184
    9. Jugendliche Kulturanarchisten 196
    10. Familie Adler 209
    11. Studium 228
    12. Sexuelle Emancipation 245
    13. Karl Kraus 268
    14. Theater 291
    15. Erster Weltkrieg 310
    16. Nachsatz 333
    17. Archivalien 336
    18. Dank 342
    19. Literaturverzeichnis 344
    20. Bildnachweis 358
    21. Personenregister 359
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