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Berthold Viertel - Eine Biografie der Wiener Moderne
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  Mitschüler  Hitler |  185 den geben, der nicht Momente gehabt hätte, wo er jüdisch national gefühlt hätte.«5 Auch für das Kind Berthold wurde eine Reaktion unumgänglich : »Überwin- dung des jüdischen Minderwertigkeitskomplexes, ›beschnittener Penis‹«,6 hielt er fest und seine »erste Gegenwehr, an der sich sein Charakter gestaltet, war ein instinktiver Zionismus, der als Bewegung damals in Wien in Theodor Herzl seinen theoretischen Vertreter hatte.«7 Als Herzls Judenstaat erschien, besuchte Berthold Viertel gerade die zweite Klasse des Mariahilfer Gymnasiums in der Amerlingstraße 6. Adolf Hitler oder »zumindest mancher Schickelgruber«8 war hier sein »Mitschüler«  – »Wenn auch nicht er in Person, dann solche wie er, von gleicher nationaler und sozialer Wur- zel, von gleichem seelischen Antrieb, von gleichem Horizont.«9 Was Viertel damit meinte, war, dass die Entstehungsbedingungen totalitärer Strukturen be- reits in seinen Lehrern und Mitschülern, angelegt waren  – wie auch in ihm selbst.10 Vor allem die Turn- und Zeichenlehrer stammten, wie Viertel festhielt, direkt vom »forschen Hurrah-Deutschen, dem Turnvater Jahn aus den Freiheitskrie- gen ab.«11 Ihre Vorzugsschüler waren der »kleine Hinterhuber«, der Schönerer anhing, und sein christlichsozialer »Freund Untergruber«, die »schon damals für Ertüchtigung waren« : Sie liebten, im Geistigen, frugale Kost […]. Sie gebrauchten einen prahlerisch verdor- benen Dialekt, der nicht mehr österreichisch und noch nicht preußisch war.  – Sie waren, mitten in der Weltstadt, Höhlen- und Hügelbewohner. Mit ihnen schien die Steinzeit wiedergekehrt zu sein, und wir betrachteten sie mit hochmütiger Verwunde- rung (das rächt sich jetzt). Der Deutschprofessor hatte seine schwere Not mit ihnen. […] Aber beim ›Nibelungenlied‹ strengten sie ihre Kräfte an, soweit die reichten […]. Ihr Hort war der Turnlehrer, der, vor lauter Schneidigkeit, ›Arsch‹ statt ›Marsch‹ kom- 5 Ehrenstein, zitiert in : Laugwitz, Ehrenstein, 1987, 17. 6 BV, Konzepte, in : Bolbecher/Kaiser (Hg.), Viertel, Cherub, 1990, 292–297. 7 BV, Österreichische Illusionen/Der Knabe Robert Fürth, o.D., o.S., NK12, A : Viertel, DLA. 8 BV, o.T. Zweieinhalb Jahre Ausländer bei Fox, o.D., o.S., K22, A : Viertel, DLA. 9 BV, Der Mitschüler Hitler, in : Bolbecher/Kaiser (Hg.), Viertel, Cherub, 1990, 125. 10 Viertel weigerte sich also, »Hitler als ein Monstrum oder als einen Wahnsinnigen außerhalb der Ge- sellschaft« Wiens anzusiedeln : »Diese Weigerung ist unbequem ; sie erfordert eine kritische Über- prüfung der gesellschaftlichen und kulturellen Entwicklungen, die zu einem Hitler führen konnten, einschließlich der eigenen Teilhabe an diesen Entwicklungen.« (Staud, Zu Berthold Viertels auto- biographischen Fragmenten, B 210303, WBR). 11 BV, Der Mitschüler Hitler, in : Bolbecher/Kaiser (Hg.), Viertel, Cherub, 1990, 126. Am Mariahilfer Gymnasium waren das damals Karl Fechter und Karl Sykora (Jahresberichte Bundesgymnasium Wien 6 : Amerling Gymnasium, 1893–1905, Sign.: 766A, WBR).
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Berthold Viertel Eine Biografie der Wiener Moderne
Titel
Berthold Viertel
Untertitel
Eine Biografie der Wiener Moderne
Autor
Katharina Prager
Verlag
Böhlau Verlag
Ort
Wien
Datum
2018
Sprache
deutsch
Lizenz
CC BY 4.0
ISBN
978-3-205-20832-7
Abmessungen
15.5 x 23.2 cm
Seiten
368
Kategorie
Biographien

Inhaltsverzeichnis

  1. Ein chronologischer Überblick 7
  2. Einleitend 19
  3. 1. BERTHOLD VIERTELS RÜCKKEHR IN DIE ÖSTERREICHISCHE MODERNE DURCH EXIL UND REMIGRATION
    1. Außerhalb Österreichs – Die Entstehung des autobiografischen Projekts 47
    2. Innerhalb Österreichs – Konfrontationen mit »österreichischen Illusionen« 75
  4. 2. ERINNERUNGSORTE DER WIENER MODERNE
    1. Moderne in Wien 99
    2. Monarchisches Gefühl 118
    3. Galizien 129
    4. Jüdisches Wien 139
    5. Katholische Dienstmädchen 150
    6. Deutsche Kultur 161
    7. Luegers Wien 173
    8. Mitschüler Hitler 184
    9. Jugendliche Kulturanarchisten 196
    10. Familie Adler 209
    11. Studium 228
    12. Sexuelle Emancipation 245
    13. Karl Kraus 268
    14. Theater 291
    15. Erster Weltkrieg 310
    16. Nachsatz 333
    17. Archivalien 336
    18. Dank 342
    19. Literaturverzeichnis 344
    20. Bildnachweis 358
    21. Personenregister 359
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