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Berthold Viertel - Eine Biografie der Wiener Moderne
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  Mitschüler  Hitler |  191 zeitweise auch auf seine Person wirkten, und versuchte, die Entwicklungen, die er durchmachte, immer wieder offenzulegen, was zu anachronistischen Missver- ständnissen führte.35 Vor allem im Ersten Weltkrieg dachte Viertel unter dem Einfluss des jüdischen Religionsphilosophen Martin Buber  – der »jenes zeittypisch positive Verständnis von Volk« pflegte, das »unweigerlich zu einer pejorativen Konnota- tion des Staatsbegriffes führte«36  – »völkisch« und sprach von »Blutsgemeinschaft«. Auch durch den Expressionismus stand ihm neoromantisches Denken durchaus nahe. In den Texten des Exils hingegen wurde der Konstruktionscharakter der Begriffe »Volk«, »Nation« und »Rasse« sehr deutlich und »Volk« wurde immer mehr im politisch-subjektiven Sinne gebraucht  – besonders, wenn es um die Haltung zum »deutschen Volk« im und nach dem Zweiten Weltkrieg ging. Der etwa acht- bis zehnjährige Berthold Viertel  – weiterhin ein »kränkliches, schwächliches« Kind  – litt um 1895 zunehmend unter »dem Kontrast zwischen meiner Idealität und der Wirklichkeit« und fühlte sich einsam, fremd und ver- lassen.37 »[T]äglich schärfer« wollte er damals bereits erkannt haben, dass es eine »Gemeinschaft […] unter den herrschenden Lebensbedingungen gar nicht geben konnte«  – vor allem nicht für ihn.38 Der zehnjährige Knabe begann vor- erst intensive Solidaritätsgefühle mit angefeindeten Minderheiten zu entwi- ckeln und ordnete sich so doch einer Gemeinschaft zu  – so stellte er es jedenfalls im Rückblick dar : Ich, damals schon ein bewusster Jude, der  – und zwar wiederum heimlich  – sich die Propheten zu Herzen genommen hatte und sich selbst in Wien in erneuter babyloni- scher Gefangenschaft wusste, wählte mir immer die Rolle des heldenhaft unterliegen- den Volkes ; ich war immer Trojaner.39 Solcherart die »Rolle« eines Volkes oder einer Nation eingenommen, hat er im Schulhofspiel »Nationen«  – um 1895 ausgetragen am Brunnen des Esterházy- parks vor dem Mariahilfer Gymnasium. Es handelte sich um ein »typisch euro- päisches, tief historisches und leider prophetisches Spiel«, das Viertel mehrfach beschrieb : 35 So warf der Germanist Dietmar Goltschnigg Berthold Viertel vor, »einen biologistischen, von den Begriffen ›Rasse‹ und ›Blut‹ dominierten Diskurs« geführt zu haben (Goltschnigg, Dietmar, »Fröh- liche Apokalypse« und nostalgische Utopie, hrsg. von Charlotte Grollegg-Edler, Wien 2009, 105). 36 Sieg, Jüdische Intellektuelle, 2001, 142. 37 BV, Tod der Lüge, 1. Tagebuchblatt am 5. Juli 1906, 69.3142/1, K28, A : Viertel, DLA. 38 BV, Die Stadt der Kindheit, in : Bolbecher/Kaiser (Hg.), Viertel, Cherub, 1990, 120 und 124. 39 BV, Die mir begegnet sind, o.D., o.S., NK17, A : Viertel, DLA.
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Berthold Viertel Eine Biografie der Wiener Moderne
Titel
Berthold Viertel
Untertitel
Eine Biografie der Wiener Moderne
Autor
Katharina Prager
Verlag
Böhlau Verlag
Ort
Wien
Datum
2018
Sprache
deutsch
Lizenz
CC BY 4.0
ISBN
978-3-205-20832-7
Abmessungen
15.5 x 23.2 cm
Seiten
368
Kategorie
Biographien

Inhaltsverzeichnis

  1. Ein chronologischer Überblick 7
  2. Einleitend 19
  3. 1. BERTHOLD VIERTELS RÜCKKEHR IN DIE ÖSTERREICHISCHE MODERNE DURCH EXIL UND REMIGRATION
    1. Außerhalb Österreichs – Die Entstehung des autobiografischen Projekts 47
    2. Innerhalb Österreichs – Konfrontationen mit »österreichischen Illusionen« 75
  4. 2. ERINNERUNGSORTE DER WIENER MODERNE
    1. Moderne in Wien 99
    2. Monarchisches Gefühl 118
    3. Galizien 129
    4. Jüdisches Wien 139
    5. Katholische Dienstmädchen 150
    6. Deutsche Kultur 161
    7. Luegers Wien 173
    8. Mitschüler Hitler 184
    9. Jugendliche Kulturanarchisten 196
    10. Familie Adler 209
    11. Studium 228
    12. Sexuelle Emancipation 245
    13. Karl Kraus 268
    14. Theater 291
    15. Erster Weltkrieg 310
    16. Nachsatz 333
    17. Archivalien 336
    18. Dank 342
    19. Literaturverzeichnis 344
    20. Bildnachweis 358
    21. Personenregister 359
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