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Berthold Viertel - Eine Biografie der Wiener Moderne
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  Jugendliche  Kulturanarchisten |  197 Mit diesen Adjektiven beschrieb etwa Stefan Zweig Die Schule im vorigen Jahr- hundert und beeilte sich zu versichern, dass dieses »Missvergnügen an der Schule« keine »persönliche Einstellung« war.6 Auch Berthold Viertel sah das so : Wunderbare Institutionen waren zwischen die jungen Menschen und die Wirklich- keit gestellt. So arbeitete das humanistische Gymnasium mit großem Erfolg gegen das Leben an. […] Man lernte zwar Physik und Chemie, aber wie man sie lernte, das eiferte nicht zur Welt der Technik an, in die wir uns später ausgesetzt finden sollten. Man lernte nichts von Biologie und von Soziologie. Man hörte kaum Gerüchte vom Bankwesen, obwohl doch so viele werdende Bankbeamten die Schulbank drückten ; nichts von der Börse, die eine Sache der Väter war, nichts von Industrie und Kapita- lismus. In Amerika lernten die Kinder Checks ausstellen. In unserer Welt spielte das Geld keine Rolle. Es war eine ideale Welt griechischer und römischer Dichter und Grammatiker.  – Auch von der Geschichte wurde man nicht gewahr, dass sie, unvor- sichtig weiterverfolgt, eines bösen Tages in die Gegenwart führen konnte.7 Die Schuld an den Schwächen des Mittelschulwesens wurde vor allem den Alt- philologen zugeschoben.8 Viertel charakterisierte diese »alten« Lehrer als selbst desillusionierte Träger humanistischer Illusionen und, wie ihre Schüler, Opfer eines veralteten Systems  – »[d]as Prinzip selbst, dem die damaligen Beherrscher der Kindheit dienten, hatte zu wanken begonnen.«9 Vor allem der »höhere Grie- chischlehrer […] Aro« alias Dr. Viktor Thumser, der am 13.  Juni 1897 auch die Schulleitung übernahm, glaubte noch »ohne jede Skepsis, an den klassischen Humanismus und seine Ziele.«10 In seinem Idealismus sei er von Eltern und Schülern gleichermaßen missverstanden worden, berichtete Berthold Viertel : »[D]ie Eltern in ihrem versteckten Merkantilismus [waren] skeptisch aus ihrer Lebenspraxis, die Schüler skeptisch aus Anarchie und Dekadenz.«11 Als der »modern verkleidete Hellene« Dr. Thumser die Schulleitung übernahm, war das Mariahilfer-Gymnasium erst seit knapp drei Jahren ein »rein« humanistisches männlichen Form geschrieben, denn nicht nur in den Konzepten und Texten von Viertels auto- biografischem Projekt fehlen Frauen in diesem Zusammenhang völlig  – auch historisch schloss der schulische Bereich sie aus : Es gab um 1900 noch keine staatlichen Gymnasien für Mädchen in Wien. 6 Zweig, Welt, 1993, 44–54. 7 BV, Heimkehr nach Europa, in : Bolbecher/Kaiser (Hg.), Viertel, Cherub, 1990, 277. 8 Engelbrecht, Bildungswesen, 1986, 172–177 ; Stach, Frühe Jahre, 2014, 140–146. 9 BV, Die Stadt der Kindheit, in : Bolbecher/Kaiser (Hg.), Viertel, Cherub, 1990, 91. 10 Ibid., 106 ; Jahresberichte Bundesgymnasium Wien 6 : Amerling Gymnasium, 1893–1905, Sign.: 766A, WBR. 11 Ibid., 107.
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Berthold Viertel Eine Biografie der Wiener Moderne
Titel
Berthold Viertel
Untertitel
Eine Biografie der Wiener Moderne
Autor
Katharina Prager
Verlag
Böhlau Verlag
Ort
Wien
Datum
2018
Sprache
deutsch
Lizenz
CC BY 4.0
ISBN
978-3-205-20832-7
Abmessungen
15.5 x 23.2 cm
Seiten
368
Kategorie
Biographien

Inhaltsverzeichnis

  1. Ein chronologischer Überblick 7
  2. Einleitend 19
  3. 1. BERTHOLD VIERTELS RÜCKKEHR IN DIE ÖSTERREICHISCHE MODERNE DURCH EXIL UND REMIGRATION
    1. Außerhalb Österreichs – Die Entstehung des autobiografischen Projekts 47
    2. Innerhalb Österreichs – Konfrontationen mit »österreichischen Illusionen« 75
  4. 2. ERINNERUNGSORTE DER WIENER MODERNE
    1. Moderne in Wien 99
    2. Monarchisches Gefühl 118
    3. Galizien 129
    4. Jüdisches Wien 139
    5. Katholische Dienstmädchen 150
    6. Deutsche Kultur 161
    7. Luegers Wien 173
    8. Mitschüler Hitler 184
    9. Jugendliche Kulturanarchisten 196
    10. Familie Adler 209
    11. Studium 228
    12. Sexuelle Emancipation 245
    13. Karl Kraus 268
    14. Theater 291
    15. Erster Weltkrieg 310
    16. Nachsatz 333
    17. Archivalien 336
    18. Dank 342
    19. Literaturverzeichnis 344
    20. Bildnachweis 358
    21. Personenregister 359
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