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Berthold Viertel - Eine Biografie der Wiener Moderne
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  212  | Erinnerungsorte  der  Wiener  Moderne Während Fritz Adler also den Vater idealisierte und ihm  – teilweise auch gegen Victor Adlers Willen  – politisch nacheiferte, fühlte sich Karl früh aus dem »wir« der Sozialdemokratie ausgeschlossen.20 Er wollte sich auch dessen strengen Forderungen nicht unterordnen und wich in die Sphäre der modernen Literatur und Kultur aus, wie es damals bei Söhnen erfolgreicher Väter unter Anpassungs- druck häufiger vorkam. Gerade der damit verbundene Geniekult aber, das »Cul- tivieren« der eigenen »Persönlichkeit als Selbstzweck«, erschien der Familie als »brutaler Egoismus«.21 Berthold Viertel erlebte Victor Adler als also keineswegs nur positiv »väter- liche Natur«, sondern in seiner spezifischen »Mischung aus Intellektualität und Anti-Intellektualität« auch als »überväterlich« und als zunehmend tragische »Heldenfigur« der »Vätergeneration« :22 In seiner »unpersönlichen Arbeitstreue« sei Victor Adler »ein kleiner Lenin«, aber zugleich auch Franz Joseph sehr ähn- lich gewesen, erklärte Viertel später und betonte immer wieder das »Bürokra- tisch-Väterliche« an Adler, das »allzu wilde Ansätze zu disziplinieren versuchte«. Als »Hofrat der Revolution«  – so eine Selbstzuschreibung  – bot Adler den »Söhnen«, denen alles zu langsam ging, also ebenso Reibungsfläche wie andere »erhaltende Väter« : Wir hätten von dem Begründer der österreichischen Sozialdemokratie, dem unver- gesslichen Victor Adler, und von der  – von ihm zu gut geschulten  – Wiener Arbeiter- schaft soziales Denken und Fühlen lernen können. Wir taten es auch, bis zu einem gewissen Grade […]. Aber diese Umwandlung arbeitete auf so lange Sicht hin. Hier würde Vernünftiges langsam geschehen, langsam wie ein Dauer-Sanierungs-Prozess […]. Heißsporne, von proletarischem Eifer vorwärts gestoßen, wurden zur Ruhe ge- wiesen […]. [Victor Adlers] kaustischer Geist konnte nicht verführen. Sein Beispiel der Selbstaufopferung für das tägliche Arbeitspensum, der Selbstdisziplin im Dienste einer geduldig vorzubereitenden Zukunft konnte junge Menschen nicht von der Kunst weglocken, die sofort da war, die im nächsten Augenblick Erfüllung versprach.23 20 »Du rätst mir : ›Suche Dir doch den Gesichtspunkt nahe zu bringen, von dem aus wir Sozialdemo- kraten die Welt sehen.‹ Du kannst Dir gewiss nicht vorstellen welche herben Gefühle mir dieses wir verursacht hat […]. [Meine] Gesinnungen unterscheiden sich nicht um eine Nuance von den Deinen, von denen der Mutter und denen von Fritz […]. [A]us Deiner Werkstatt, von […] Deinem Heldenleben […] von der Politik […] bin ich abgetrieben worden, obwohl ich mich einmal sehr dafür interessierte, weil ich überall als der andere Sohn meines Vaters behandelt wurde […].« (Karl Adler an Victor Adler, 21.  Oktober 1910, fol. 134–135, K1, M3, T3, Teilnachlass Karl Adler, VGA). 21 Friedrich Adler an Victor Adler, 18. Juli 1903, M76, T4, Adler Archiv, VGA. 22 Braunthal, Victor und Friedrich Adler, 1965, 106 ; Misik, Robert, Ein seltsamer Held. Der grandiose, unbekannte Victor Adler, Wien 2016, 58. 23 BV, Erinnerungen eines November-Verbrechers, o.D., 294, K19, A : Viertel, DLA.
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Berthold Viertel Eine Biografie der Wiener Moderne
Titel
Berthold Viertel
Untertitel
Eine Biografie der Wiener Moderne
Autor
Katharina Prager
Verlag
Böhlau Verlag
Ort
Wien
Datum
2018
Sprache
deutsch
Lizenz
CC BY 4.0
ISBN
978-3-205-20832-7
Abmessungen
15.5 x 23.2 cm
Seiten
368
Kategorie
Biographien

Inhaltsverzeichnis

  1. Ein chronologischer Ăśberblick 7
  2. Einleitend 19
  3. 1. BERTHOLD VIERTELS RĂśCKKEHR IN DIE Ă–STERREICHISCHE MODERNE DURCH EXIL UND REMIGRATION
    1. Außerhalb Österreichs – Die Entstehung des autobiografischen Projekts 47
    2. Innerhalb Österreichs – Konfrontationen mit »österreichischen Illusionen« 75
  4. 2. ERINNERUNGSORTE DER WIENER MODERNE
    1. Moderne in Wien 99
    2. Monarchisches GefĂĽhl 118
    3. Galizien 129
    4. JĂĽdisches Wien 139
    5. Katholische Dienstmädchen 150
    6. Deutsche Kultur 161
    7. Luegers Wien 173
    8. MitschĂĽler Hitler 184
    9. Jugendliche Kulturanarchisten 196
    10. Familie Adler 209
    11. Studium 228
    12. Sexuelle Emancipation 245
    13. Karl Kraus 268
    14. Theater 291
    15. Erster Weltkrieg 310
    16. Nachsatz 333
    17. Archivalien 336
    18. Dank 342
    19. Literaturverzeichnis 344
    20. Bildnachweis 358
    21. Personenregister 359
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