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Berthold Viertel - Eine Biografie der Wiener Moderne
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  Familie  Adler |  223 zophrenie nennt. Daher kam er über die Pubertät nicht hinaus (sie dauerte auch bei mir etwa bis zum 30. Jahr).«78 Tatsächlich galt die Familie Adler in Sachen Geisteskrankheit »erblich belas- tet« und Karl Adlers »Gemütsbeschaffenheit« wurde spätestens um 1918 »noto- risch«. Obwohl Karl Adler wünschte, »geistig und seelisch weder als Lausbub noch als Irrsinniger behandelt zu werden«79, schloss er zeitlebens kein Studium ab, hielt sich jeweils nur wenige Wochen in von seinem Vater vermittelten Stel- len und scheiterte auch in seinen eigenen Projekten : So versuchte er 1914, 1920 und 1925 jeweils eine eigene Zeitung in der Art der Fackel zu gründen, die nie über eine erste Nummer hinauskam. Bis zu Victor Adlers Tod wurde Karl vor- wiegend von seinem Vater erhalten, dessen Wunsch, dass aus einem »Bumme- leranten ein arbeitender Mensch« werde, sich nie erfüllte. 80 Sein Bruder Fritz und andere Verwandte übernahmen danach die Finanzierung von Karls Projek- ten, die immer nach demselben Schema abliefen und oft in Obdachlosigkeit und Verwahrlosung endeten.81 Auch Berthold Viertel versuchte Karl Adler zwischen 1924 und 1932 in emotionalen Briefen als Unterstützer zu gewinnen  – er sei ihm nach der Ret- tung aus Paris »moralisch« verpflichtet.82 Bereits seit 1924  – und verstärkt nach 1932, als Karl Adler sich in der christlichsozialen Reichspost gegen die sozialde- mokratische Führung gewandt hatte  – versuchte Fritz Adler seinen Bruder zu entmündigen, doch dazu kam es nicht mehr. Karl Adler musste 1939 vor den NationalsozialistInnen nach Frankreich fliehen und starb im Dezember 1942 in Neuilly sur Marne, wo er seine letzten Jahre in einer psychiatrischen Klinik, dem 78 BV, o.T. [Zürich, 4. August 1948], in : Rotes Heft, o.D. [1948], o.S., NK16, A : Viertel, DLA. 79 Karl Adler an Victor Adler, 21. Oktober 1910, fol. 134–135, K1, M3, T3, Teilnachlass Karl Adler, VGA. 80 Victor Adler an Karl Adler, 2. August 1903, fol. 11–12, K1, M21, T1, Teilnachlass Karl Adler, VGA. 81 Verschiedene von Friedrich Adler verfasste Charaktersierungen seines Bruders Karl Adler, o.T. bzw. aus Karl Adlers Lebensgang, 1924/25, 1932 und 1939/40, 3/1238–9 und 3/1233, alle in : V3, M3, T3, Teilnachlass Karl Adler, VGA. Gerade die Einordnung psychischer Erkrankungen ist auch ei- nes der heikelsten Felder der biografisch-historischen Analyse. Im Zusammenhang mit Frauen ist dabei noch vorsichtiger vorzugehen, um misogyne Zuschreibungen, historische Normierungen und systematische Unterdrückung weiblicher Rebellion von tatsächlichen Symptomen und aktuellen Klassifizierungen zu unterscheiden. (Rabelhofer u.a., Narration von Ganzheit und Fragmentierung, in : Csáky u.a. (Hg.), Kultur, 2004, 423–450, 435–436.) Virginia Woolfs Biografin Hermione Lee hat dies vorbildhaft unternommen (Lee, Virginia Woolf, 1997), doch für Emma Adler wie für Ma- rie und Karl Adler steht eine differenzierte Darstellung, die auch auf die politischen Partizipations- möglichkeiten in der österreichischen Sozialdemokratie Bezug nehmen müsste, noch aus. 82 Friedrich Adler an Emma Adler, 11. Dezember 1930, 3/1235, V3, M3, T3, Teilnachlass Karl Adler, VGA ; Karl Adler an BV, 1924–1932, A : Viertel und A : Viertel, Salka, DLA.
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Berthold Viertel Eine Biografie der Wiener Moderne
Titel
Berthold Viertel
Untertitel
Eine Biografie der Wiener Moderne
Autor
Katharina Prager
Verlag
Böhlau Verlag
Ort
Wien
Datum
2018
Sprache
deutsch
Lizenz
CC BY 4.0
ISBN
978-3-205-20832-7
Abmessungen
15.5 x 23.2 cm
Seiten
368
Kategorie
Biographien

Inhaltsverzeichnis

  1. Ein chronologischer Überblick 7
  2. Einleitend 19
  3. 1. BERTHOLD VIERTELS RÜCKKEHR IN DIE ÖSTERREICHISCHE MODERNE DURCH EXIL UND REMIGRATION
    1. Außerhalb Österreichs – Die Entstehung des autobiografischen Projekts 47
    2. Innerhalb Österreichs – Konfrontationen mit »österreichischen Illusionen« 75
  4. 2. ERINNERUNGSORTE DER WIENER MODERNE
    1. Moderne in Wien 99
    2. Monarchisches Gefühl 118
    3. Galizien 129
    4. Jüdisches Wien 139
    5. Katholische Dienstmädchen 150
    6. Deutsche Kultur 161
    7. Luegers Wien 173
    8. Mitschüler Hitler 184
    9. Jugendliche Kulturanarchisten 196
    10. Familie Adler 209
    11. Studium 228
    12. Sexuelle Emancipation 245
    13. Karl Kraus 268
    14. Theater 291
    15. Erster Weltkrieg 310
    16. Nachsatz 333
    17. Archivalien 336
    18. Dank 342
    19. Literaturverzeichnis 344
    20. Bildnachweis 358
    21. Personenregister 359
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