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Berthold Viertel - Eine Biografie der Wiener Moderne
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  224  | Erinnerungsorte  der  Wiener  Moderne Hôpital de Ville-Évrard, verbracht hatte. Die näheren Umstände seines Todes blieben unbekannt.83 Im autobiografischen Projekt beschrieb Viertel auch, wie er sich während des halben Jahres in Zürich mit einem Studenten der Psychiatrie anfreundete. Die- ser Mediziner betrachtete Viertel offenbar als Studienobjekt und verständigte seine Familie brieflich, dass ihr Sohn den Keim zur Schizophrenie in sich trüge. Niemand nahm ihn ernst, doch Viertel bemerkte im Rückblick : »Zweifellos gibt es eine sozial und historisch bedingte  – oder verstärkte  – Schizophrenie.«84 In Bezug auf die Sozialdemokratie jedenfalls waren Viertels Gefühle  – histo- risch und sozial bedingt  – gespalten. An sich wäre um 1900 eine Entwicklung hin zu parteipolitischem Engagement nicht untypisch gewesen : Es waren vor allem junge jüdische Männer aus dem Mittelstand wie er, die damals der sozial- demokratischen Partei zuströmten, was mit zu ihrer Diffamierung als »Juden- partei« führte.85 Obwohl er sich als »gutwilliger, aber ungeschulter, unbelehrter Eindringling, bereits an [den] Außenwerken«86 der Arbeiterschaft scheitern fühlte und ihm die Praxis der Partei »zu zahm, zu geduldig, zu fatalistisch«87 erschien, blieb jedenfalls ein »utopischer« Sozialismus für ihn der einzig mögli- che politische Weg.88 Dass Berthold Viertel diesen Weg recht konsequent verfolgte, zeigt sich unter anderem in seiner Theaterarbeit  – beginnend mit seiner ersten Arbeitserfahrung an der mehr oder weniger sozialdemokratischen Wiener Volksbühne 1911, über seine Karriere in Deutschland (1918–1928) wie auch nach seiner Remigration nach Österreich. Hier wirkten eigentlich um 1900 verworfene sozialdemokrati- sche Kultur- und Bildungsideale und der Glaube, Menschen zur Demokratie »erziehen« zu können, weiter, wenn Viertel dabei auch ebenso konsequent auf moderne, zeitgenössische Kunst und selten auf »Klassiker« setzte.89 Nach seinem Einsatz im Ersten Weltkrieg wurden die russische Revolution, die sein »Denken und Fühlen« verändert hatte, und die deutsche Novemberrevo- lution für Viertel zentraler als die österreichischen Entwicklungen. Er war nun mit Revolutionären wie Kurt Eisner, Gustav Landauer und Ernst Toller persön- 83 Friedrich und Kathia Adler, Todesanzeige Karl Adler, New York, Ende April 1945, 3/1240, V3, M3, T3, Teilnachlass Karl Adler, VGA. 84 BV, Gespaltenes Ich, in : Bolbecher/Kaiser (Hg.), Viertel, Cherub, 1990, 13. 85 Wistrich, Socialism, 1982, 259–261. 86 BV, Rascher Rückblick auf harmlose Zeiten, o.D., 303, K19, A : Viertel, DLA. 87 BV, Die Zwischenwelt, o.D., o.S., NK05, A : Viertel, DLA. 88 BV, Die Stadt der Kindheit, o.D., o.S., NK09, A : Viertel, DLA. 89 Vgl. »Theater«.
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Berthold Viertel Eine Biografie der Wiener Moderne
Titel
Berthold Viertel
Untertitel
Eine Biografie der Wiener Moderne
Autor
Katharina Prager
Verlag
Böhlau Verlag
Ort
Wien
Datum
2018
Sprache
deutsch
Lizenz
CC BY 4.0
ISBN
978-3-205-20832-7
Abmessungen
15.5 x 23.2 cm
Seiten
368
Kategorie
Biographien

Inhaltsverzeichnis

  1. Ein chronologischer Ăśberblick 7
  2. Einleitend 19
  3. 1. BERTHOLD VIERTELS RĂśCKKEHR IN DIE Ă–STERREICHISCHE MODERNE DURCH EXIL UND REMIGRATION
    1. Außerhalb Österreichs – Die Entstehung des autobiografischen Projekts 47
    2. Innerhalb Österreichs – Konfrontationen mit »österreichischen Illusionen« 75
  4. 2. ERINNERUNGSORTE DER WIENER MODERNE
    1. Moderne in Wien 99
    2. Monarchisches GefĂĽhl 118
    3. Galizien 129
    4. JĂĽdisches Wien 139
    5. Katholische Dienstmädchen 150
    6. Deutsche Kultur 161
    7. Luegers Wien 173
    8. MitschĂĽler Hitler 184
    9. Jugendliche Kulturanarchisten 196
    10. Familie Adler 209
    11. Studium 228
    12. Sexuelle Emancipation 245
    13. Karl Kraus 268
    14. Theater 291
    15. Erster Weltkrieg 310
    16. Nachsatz 333
    17. Archivalien 336
    18. Dank 342
    19. Literaturverzeichnis 344
    20. Bildnachweis 358
    21. Personenregister 359
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