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Berthold Viertel - Eine Biografie der Wiener Moderne
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  234  | Erinnerungsorte  der  Wiener  Moderne einen mystischen Frühexistentialismus und einen ethisch-revolutionären Aus- tromarxismus. Zudem setzte sich Reich für Volksbildung und Frauenrechte ein. Viertel absolvierte bei ihm zweimal ästhetische Übungen und hörte eine Vorle- sung zu Ibsen, der im universitären Umfeld sonst noch völlig ignoriert wurde. In Reichs Ästhetik-Vorlesungen wurde über Schiller, Kierkegaard, Schopenhauer und sogar Nietzsche gesprochen. Seine HörerInnen wurden also durchaus mit deutschen und anderen kontinentaleuropäischen Denkrichtungen konfrontiert. Zugleich war Reich der erste Philosoph an der Wiener Universität, »der sich mit der Sozialen Frage auseinandersetzte und der offen Veranstaltungen zur Ge- schichtsphilosophie des Marxismus ankündigte.«28 Im Rückblick auf seine Studienzeit stellte Berthold Viertel gerade im Hin- blick auf Marx fest : »Wenn ich […] so tue, als ob Karl Marx keine Konsequen- zen gehabt hätte, so folge ich damit der Literatur- und Philosophiegeschichte von damals, die ihn fast unisono verschwieg.«29 Auch daraus wird klar, dass universitäre Denkschulen an Viertel nicht spurlos vorübergingen, wenn er sie auch sehr unsystematisch aufnahm. Später fragte er sich : »Würde er der heutigen jugendlichen Wissbegierde etwa abraten, sich an den Schatzkammern des Geistes zu bereichern, die der Staat für seine Bürger, allerdings in der Hauptsache nur für die Söhne jener Bürger, offen- hält ?« Nein, entschied er und bedauerte mehrfach, dass ihm die »wissenschaftli- chen Grundlagen, das Rüstzeug sozialer und ökonomischer Einsicht und Erfah- rung«, das er sich an der Universität hätte aneignen können, fehlten.30 Es waren weniger die »endlosen Debatten« im »philosophischen Seminar«31, sondern vielmehr das politische Klima der Wiener Universität, das Berthold Viertels ablehnende Haltung wesentlich bedingte. Immer stärker wurde die universitäre Szene von einer katholischen, völkischen und deutschnationalen Reaktion, die antidemokratische, antimoderne und frauenfeindliche Ideen ver- breitete, beherrscht.32 Seit den 1880er-Jahren hatte sich bei den ursprünglich liberalen Studentenverbindungen eine antisemitische Wende vollzogen, die ei- nen ersten Höhepunkt mit der Besetzung der Universität durch deutschnatio- nale Studenten im Zusammenhang mit der Badeni-Krise 1897 erlebte. Im Laufe der folgenden Jahre wurde immer wieder versucht, jüdischen und anderen »nicht-deutschen« StudentInnen, die sich ebenfalls in Verbindungen organisier- 28 Schmied-Kowarzik, Vergessene Impulse, in : Nautz/Vahrenkamp (Hg.), Wiener Jahrhundertwende, 1993, 181–201, 198. 29 BV, Geburtstage. Skizze einer Epoche, in : Kaiser/Roessler (Hg.), Viertel, Überwindung, 1989, 192. 30 BV, Café Central [Heft I], o.D. [wahrscheinlich Dezember 1948], o.S., K19, A : Viertel, DLA. 31 BV, Geburtstage. Skizze einer Epoche, in : Kaiser/Roessler (Hg.), Viertel, Überwindung, 1989, 193. 32 Timms, Dynamik der Kreise, 2013, 60.
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Berthold Viertel Eine Biografie der Wiener Moderne
Titel
Berthold Viertel
Untertitel
Eine Biografie der Wiener Moderne
Autor
Katharina Prager
Verlag
Böhlau Verlag
Ort
Wien
Datum
2018
Sprache
deutsch
Lizenz
CC BY 4.0
ISBN
978-3-205-20832-7
Abmessungen
15.5 x 23.2 cm
Seiten
368
Kategorie
Biographien

Inhaltsverzeichnis

  1. Ein chronologischer Überblick 7
  2. Einleitend 19
  3. 1. BERTHOLD VIERTELS RÜCKKEHR IN DIE ÖSTERREICHISCHE MODERNE DURCH EXIL UND REMIGRATION
    1. Außerhalb Österreichs – Die Entstehung des autobiografischen Projekts 47
    2. Innerhalb Österreichs – Konfrontationen mit »österreichischen Illusionen« 75
  4. 2. ERINNERUNGSORTE DER WIENER MODERNE
    1. Moderne in Wien 99
    2. Monarchisches Gefühl 118
    3. Galizien 129
    4. Jüdisches Wien 139
    5. Katholische Dienstmädchen 150
    6. Deutsche Kultur 161
    7. Luegers Wien 173
    8. Mitschüler Hitler 184
    9. Jugendliche Kulturanarchisten 196
    10. Familie Adler 209
    11. Studium 228
    12. Sexuelle Emancipation 245
    13. Karl Kraus 268
    14. Theater 291
    15. Erster Weltkrieg 310
    16. Nachsatz 333
    17. Archivalien 336
    18. Dank 342
    19. Literaturverzeichnis 344
    20. Bildnachweis 358
    21. Personenregister 359
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