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Berthold Viertel - Eine Biografie der Wiener Moderne
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  Studium |  241 Wie Preußen und Russland war die Habsburgermonarchie ein militaristischer Staat. Im Gegensatz zu diesen Reichen war die österreichisch-ungarische Ar- mee allerdings nicht national ausgerichtet, sondern sollte ein staatliches Gegen- gewicht zu nationalistischen Kräften bilden.62 Kaiser Franz Joseph, ihr oberster Befehlshaber, sah sich in erster Linie als Soldat. Mit der Einführung der allge- meinen Wehrpflicht 1868 hatte auch in Österreich eine soziale Militarisierung stattgefunden, die militärische Tugenden zum zentralen Bestandteil von »Männ lichkeit« machte.63 Gerade das Einjährig-Freiwilligen-Jahr und die Schaffung eines Reserveoffizier-Korps hatten einen neuen Männlichkeitskult und den militärischen Ehrenkodex auch ins Bürgertum getragen. Um 1900 war der Offizier als widersprüchliches Gesamtkunstwerk in Leben und Literatur eine prominente Gestalt.64 Berthold Viertel wurde nun immerhin zum Reserveoffizier ausgebildet. Wäh- rend in der preußischen Armee zwischen 1885 und 1914 etwa 30.000  jüdische Reserveoffizieranwärter ausgebildet wurden, jedoch kein einziger davon zum Leutnant ernannt wurde, waren in Österreich zwischen 1897 und 1911 rund 18 Prozent aller Reserveoffiziere Juden.65 Entgegen gängigen Klischees diente die Mehrheit der jüdischen Reserveoffiziere in der Infanterie  – dennoch waren sie im Sanitätswesen und im Train überproportional (wenn auch nicht in außerge- wöhnlich hoher Anzahl) vertreten. In der beliebten Kavallerie, der Jägertruppe und der Artillerie lag ihre Anzahl hingegen eher unter dem Durchschnitt : Und »beim Train waren 1906 immerhin 37 Prozent aller Reserveoffizieren Juden«66  – so auch Viertel. Jüdische Soldaten in der k.u.k. Armee waren »wohl weniger antisemitischen Vorurteilen und Diskriminierungen ausgesetzt als in anderen Armeen oder im Zivilleben.« Tatsächlich beeinflussten antisemitische Stimmungen das Offiziers- korps weit weniger als die Universität. Trotzdem gab es Beschwerden und sicher- lich auch eine hohe »Dunkelziffer« an gegen Juden gerichteten Vorfällen.67 Und es »ereigneten sich Selbstmorde«, erinnerte sich Berthold Viertel, »auch unter diesen vom Schicksal begünstigten Einjährig-Freiwilligen, wenn sie über die Unfreiwilligkeit des Militärspielens nicht hinwegkamen. So sah das Jugendweh einer Epoche aus, deren lächelnde Oberfläche den sozialen Abgrund verbarg, aus dem wenige Jahrzehnte später die vorsintflutlichen Ungeheuer krochen.«68 62 Schmidl, Habsburgs jüdische Soldaten, 2014, 96–97, und Hanisch, Männlichkeiten, 2005, 19. 63 Hämmerle, Christa, Soziale Militarisierung, in : Grundlagenpapier, 2014, 16–17. 64 Deák, Offizier, 1991, 17–18 ; Hanisch, Männlichkeiten, 2005, 18–24. 65 Schmidl, Habsburgs jüdische Soldaten, 2014, 104–106. 66 Ibid., 76–77, 85 und 104–108 ; Deák, Offizier, 1991, 210–211. 67 Schmidl, Habsburgs jüdische Soldaten, 2014, 80–81, 95–100, 107 und 115–119. 68 BV, Geburtstage. Skizze einer Epoche, in : Kaiser/Roessler (Hg.), Viertel, Überwindung, 1989, 190.
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Berthold Viertel Eine Biografie der Wiener Moderne
Titel
Berthold Viertel
Untertitel
Eine Biografie der Wiener Moderne
Autor
Katharina Prager
Verlag
Böhlau Verlag
Ort
Wien
Datum
2018
Sprache
deutsch
Lizenz
CC BY 4.0
ISBN
978-3-205-20832-7
Abmessungen
15.5 x 23.2 cm
Seiten
368
Kategorie
Biographien

Inhaltsverzeichnis

  1. Ein chronologischer Ăśberblick 7
  2. Einleitend 19
  3. 1. BERTHOLD VIERTELS RĂśCKKEHR IN DIE Ă–STERREICHISCHE MODERNE DURCH EXIL UND REMIGRATION
    1. Außerhalb Österreichs – Die Entstehung des autobiografischen Projekts 47
    2. Innerhalb Österreichs – Konfrontationen mit »österreichischen Illusionen« 75
  4. 2. ERINNERUNGSORTE DER WIENER MODERNE
    1. Moderne in Wien 99
    2. Monarchisches GefĂĽhl 118
    3. Galizien 129
    4. JĂĽdisches Wien 139
    5. Katholische Dienstmädchen 150
    6. Deutsche Kultur 161
    7. Luegers Wien 173
    8. MitschĂĽler Hitler 184
    9. Jugendliche Kulturanarchisten 196
    10. Familie Adler 209
    11. Studium 228
    12. Sexuelle Emancipation 245
    13. Karl Kraus 268
    14. Theater 291
    15. Erster Weltkrieg 310
    16. Nachsatz 333
    17. Archivalien 336
    18. Dank 342
    19. Literaturverzeichnis 344
    20. Bildnachweis 358
    21. Personenregister 359
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