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Berthold Viertel - Eine Biografie der Wiener Moderne
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  272  | Erinnerungsorte  der  Wiener  Moderne Texten viel Wert darauf, nicht als der vollständig indoktrinierte Kraus-Jünger zu gelten, als den ihn andere darstellten.24 Zu diesen anderen gehörte etwa Otto Soyka, den Viertel als Kraus-kritisch kennen und schätzen gelernt hatte. Soyka erinnerte sich, mit Viertel anwesend gewesen zu sein, als Kraus im Café dreimal eine nicht wunschgemäß zubereitete Melange zurückschickte und den Kellner schikanierte : Ich schwieg. Auch Viertel schwieg, aber Viertel, der mich sehr genau kannte, wusste auch gut, dass ich mich nur mit Mühe beherrschte. Noch heute sehe ich seinen ge- senkten Kopf und die verstohlenen, unbehaglichen Blicke […]. Mir war’s zuviel und in Viertels Blick sah ich jetzt Ironie und etwas anderes : richtige Angst.25 Soyka behauptete, in Folge Gerechtigkeit hergestellt zu haben, indem er Kraus darauf hinwies, wie Kellner sich in solchen Fällen zu rächen pflegten. Auf Vier- tel aber wirft diese Darstellung kein gutes Licht. Albert Ehrenstein beobachtete wiederum, dass der Übermittler dieser Geschichte selbst nicht so unabhängig war, wie er es später gern gewesen wäre, kam aber sonst zu einer ähnlichen Ein- schätzung : »Der alte Kraus sollte sich schämen mit jungen Leuten wie Viertel, Soyka herumzusitzen und sich von ihnen weihräuchern und liebdienern zu las- sen. […] Kraus hat gern junge Leute um sich. Über die kann er herrschen.« Ehrensteins Worte waren, wie er selbst zugab, nicht frei von Neidgefühlen, denn er wusste : »Gehöre nicht zum inneren Kraus-Kreis.«26 Der Dramaturg, Regisseur und Schriftsteller Heinrich Fischer, der Kraus und Viertel allerdings erst in den frühen 1920ern kennen lernte, stellte Viertels Beziehung zu Kraus nochmals anders dar : Dichter, die wirklich welche waren, durften ungestraft jede persönliche Kritik an ihm [Kraus] üben, er sah ihnen vieles nach, solange mit ihrer geistigen und sittlichen Subs- tanz noch alles in Ordnung schien, und er war glücklich, wenn sie  – nach mancherlei Eskapaden ins andere Lager  – durch ihr Werk und ihr Wort sein Urteil aufs Neue be- stätigten. Ich denke da vor allem an Berthold Viertel und Bertolt Brecht. Kraus hielt Viertel für einen der bedeutendsten österreichischen Lyriker und für einen großen Theatermann ; dazu kam, dass Viertel im Privaten eine Gabe vollendeter Formulierungs- 24 Vgl. u.a. Krenek, Ernst, Im Atem der Zeit. Erinnerungen an die Moderne, Hamburg 1999, 454. Zum einen ist Kraus’ Einfluss auf Viertel tatsächlich kaum zu überschätzen und vielfach nachweis- bar  – nicht nur inhaltlich, sondern auch in Schlüsselsätzen und -begriffen. Mit der Feststellung der vielen Übereinstimmungen konnte aber auch deutlicher gezeigt werden, wo Viertel Kraus abwich oder ihn auf Basis seiner Exil- und Remigrationserfahrung weiterdenken konnte. 25 Soyka, Erinnerungen ans Café Central, in : Lynkeus, Heft 16/17, Frühjahr 1981, 50–51. 26 Tagebuch Albert Ehrenstein, zitiert nach : Laugwitz, Ehrenstein, 1987, 109 und 113, 114.
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Berthold Viertel Eine Biografie der Wiener Moderne
Titel
Berthold Viertel
Untertitel
Eine Biografie der Wiener Moderne
Autor
Katharina Prager
Verlag
Böhlau Verlag
Ort
Wien
Datum
2018
Sprache
deutsch
Lizenz
CC BY 4.0
ISBN
978-3-205-20832-7
Abmessungen
15.5 x 23.2 cm
Seiten
368
Kategorie
Biographien

Inhaltsverzeichnis

  1. Ein chronologischer Ăśberblick 7
  2. Einleitend 19
  3. 1. BERTHOLD VIERTELS RĂśCKKEHR IN DIE Ă–STERREICHISCHE MODERNE DURCH EXIL UND REMIGRATION
    1. Außerhalb Österreichs – Die Entstehung des autobiografischen Projekts 47
    2. Innerhalb Österreichs – Konfrontationen mit »österreichischen Illusionen« 75
  4. 2. ERINNERUNGSORTE DER WIENER MODERNE
    1. Moderne in Wien 99
    2. Monarchisches GefĂĽhl 118
    3. Galizien 129
    4. JĂĽdisches Wien 139
    5. Katholische Dienstmädchen 150
    6. Deutsche Kultur 161
    7. Luegers Wien 173
    8. MitschĂĽler Hitler 184
    9. Jugendliche Kulturanarchisten 196
    10. Familie Adler 209
    11. Studium 228
    12. Sexuelle Emancipation 245
    13. Karl Kraus 268
    14. Theater 291
    15. Erster Weltkrieg 310
    16. Nachsatz 333
    17. Archivalien 336
    18. Dank 342
    19. Literaturverzeichnis 344
    20. Bildnachweis 358
    21. Personenregister 359
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