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Berthold Viertel - Eine Biografie der Wiener Moderne
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  Karl  Kraus |  283 tragisch-komischen Position«, kommentierte Viertel bitter : »Unsere Märtyrer funktionieren nicht, scheint ein Fehler in der Apparatur vorzuliegen.«84 Nur zwei Tage nach dem nationalsozialistischen Wahlsieg in Deutschland erklärte der österreichische Bundeskanzler Engelbert Dollfuß aufgrund eines formalen Abstimmungsfehlers den österreichischen Nationalrat für handlungs- unfähig. Er sprach von der »Selbstausschaltung des Parlaments« und schlug, mit den Notverordnungen eines »Kriegswirtschaftlichen Ermächtigungsgesetzes« regierend, einen autoritären Kurs in Richtung eines korporatistischen, katholi- schen »Ständestaats« ein. Dazu gehörten Zensur, Aufhebung der Versamm- lungsfreiheit und auch die Wiedereinführung der Todesstrafe. Kritische Moder- nität  – die mittlerweile besonders im »Roten Wien« der Sozialdemokratie eng verbunden waren  – wurden zunehmend unterdrückt. Angeblich hatten Dollfuß’ autoritäre Maßnahmen eine »Verteidigung Österreichs« zum Ziel und richteten sich vornehmlich gegen terroristisch auftretende österreichische Nationalsozia- listInnen ; tatsächlich wurde so die Chance genutzt, die Sozialdemokratie zu entmachten.85 Die sozialdemokratische Führung war lange unsicher, ob sie zum Aufstand aufrufen sollte. Im Februar 1934 begannen sich aber Sozialdemokra- tInnen in Linz und Wien spontan gegen die Entwaffnung ihres Schutzbundes zu wehren und gaben damit den Auftakt zum bewaffneten Widerstand. Und Dollfuß’ Regierung schlug daraufhin in dreitägigen Kämpfe, mit überlegener Organisation, die österreichische Arbeiterbewegung nieder. Polizei und Bundes- heer beschossen Parteiheime, sozialdemokratische Einrichtungen und die neuen Gemeindebauten. In Folge wurde die sozialdemokratische Partei verboten ; ihre Führung floh, wurde eingesperrt oder hingerichtet. Berthold Viertel, der der Arbeiterbewegung trotz seiner Kritik immer nahe- gestanden hatte, verfolgte die Februarkämpfe von London aus in allen mögli- chen Medien und raste »vor Verzweiflung«, wie sein junger Kollege Christopher Isherwood festhielt.86 Als zwei Wochen nach dem Ende der Kämpfe ein Brief des Kraus-Verehrers Karl Jaray eintraf, der Viertel zur Mitarbeit an einer Fest- schrift zu Kraus’ 60. Geburtstag einlud, begann er sofort einen Aufsatz zu sch- reiben, in den all seine Empörung über die österreichischen Ereignisse floss : Dass Kraus nun schweige, sei verständlich, meinte er da, denn der Februar 1934 habe ihn wieder einmal bestätigt. In seiner Aufregung kam er dann etwas vom Thema Kraus ab und schrieb über den inhaftierten sozialdemokratischen Stadt- 84 BV an Salka Viertel, 21. November 1933, 78.863/10, K34, A : Viertel, DLA. 85 Emmerich Tálos, Das austrofaschistische Herrschaftssystem, in : Tálos, Emmerich und Neugebauer, Wolfgang (Hg.), Austrofaschismus. Politik  – Ökonomie  – Kultur. 1933–1938, Wien 2005, 394–420. 86 Isherwood, Praterveilchen, Hamburg 1998, 44 und 108 ; Isherwood, Christopher and His Kind, 2001, 156–157.
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Berthold Viertel Eine Biografie der Wiener Moderne
Titel
Berthold Viertel
Untertitel
Eine Biografie der Wiener Moderne
Autor
Katharina Prager
Verlag
Böhlau Verlag
Ort
Wien
Datum
2018
Sprache
deutsch
Lizenz
CC BY 4.0
ISBN
978-3-205-20832-7
Abmessungen
15.5 x 23.2 cm
Seiten
368
Kategorie
Biographien

Inhaltsverzeichnis

  1. Ein chronologischer Ăśberblick 7
  2. Einleitend 19
  3. 1. BERTHOLD VIERTELS RĂśCKKEHR IN DIE Ă–STERREICHISCHE MODERNE DURCH EXIL UND REMIGRATION
    1. Außerhalb Österreichs – Die Entstehung des autobiografischen Projekts 47
    2. Innerhalb Österreichs – Konfrontationen mit »österreichischen Illusionen« 75
  4. 2. ERINNERUNGSORTE DER WIENER MODERNE
    1. Moderne in Wien 99
    2. Monarchisches GefĂĽhl 118
    3. Galizien 129
    4. JĂĽdisches Wien 139
    5. Katholische Dienstmädchen 150
    6. Deutsche Kultur 161
    7. Luegers Wien 173
    8. MitschĂĽler Hitler 184
    9. Jugendliche Kulturanarchisten 196
    10. Familie Adler 209
    11. Studium 228
    12. Sexuelle Emancipation 245
    13. Karl Kraus 268
    14. Theater 291
    15. Erster Weltkrieg 310
    16. Nachsatz 333
    17. Archivalien 336
    18. Dank 342
    19. Literaturverzeichnis 344
    20. Bildnachweis 358
    21. Personenregister 359
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