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Berthold Viertel - Eine Biografie der Wiener Moderne
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  Theater |  297 der Taborstraße.27 Obwohl vor allem für Nicht-Juden nur schwer verständlich  – »Ich konnte fast der Handlung folgen, teils, weil sie auf klassischen Stücken basierte, teils, weil meine jungen Kaffeehausfreunde […] ihr Jiddisch noch nicht völlig vergessen hatten […].«28  – wurde Viertel die jüdische Theatertruppe um die Schauspieler Heinrich Eisenbach und Max Rott zum »Inbegriff des Wiener Theaters«, als er um 1918 Siegfried Jacobsohn den zunehmenden Verfall der Theaterstadt Wien beschrieb. Im Gegensatz zum »provinziellen« Burgtheater lebte das Spiel der Budapester und machte Zeitprobleme, wie das Dilemma der jüdischen Assimilation zwischen Emanzipation und Zionismus, anschaulich : Wohl das stärkste, echteste Sprechtheater, das es, bis unlängst noch, in Wien gab, war die Jargonbühne Eisenbachs. Man kennt dieses brutale und ordinäre Genre ja auch in Berlin. […] Es ist Verfallsprodukt, Kehrichtpflanze […]. Trotzdem enthält es genug jüdische Essenz, jüdischen Witz […], um als echt und stark wirken zu dürfen. Es ist der letzte Zweig des Volksstücks, der noch lebt. Es steht mitten im niederträchtigsten Leben, greift ungeniert nach der prallen Wirklichkeit, […], prägt Typen und Worte, lebt sich mit viehischer Drastik aus, aber nie ohne Geist  – und auch der Gestank ist noch Lebensgeruch. Dieses Genre hat, in seiner Abart, einen energischen und siche- ren Stil gebildet […] und  – die Theater Wiens (nur Wiens ?) erobert, soweit die fabel- haft siegreiche Operette noch Raum ließ. […] Der Rest […] lavierender Dilettantis- mus. Man kann ruhig diese vernichtende Bilanz ziehen.29 Als Viertel um 1918 diese »vernichtende Bilanz« zog, war auch die Theaterform, der er sich ab 1911 drei Jahre lang verschrieben hatte, bereits wieder gescheitert. »Das Zusammentreffen der beiden Motive, des Sozialen und des Künstlerischen«30 hatte für Berthold Viertel den »Ausschlag« gegeben, sich einem im Aufbau be- griffenen, sozialistischen Theaterunternehmen anzuschließen : Es handelte sich um die Wiener Freie Volksbühne und (ebenso wie bei der Fackel) war es Viertel wichtig, zu betonen, dass es auch hier »kein Zufall« war, dass er »ihr Dramaturg, bald darauf ihr Regisseur [wurde]. Auch das lag in meiner Lebenslinie.«31 Am Theater konnte kritische Modernität, die sich ansonsten erst im Roten Wien politisierte, bereits in einem gewissen Ausmaß gesamtgesellschaftlich 27 Solch »anrüchiges« jüdisches Jargontheater in raucherfüllten Sälen faszinierte nicht zuletzt auch Franz Kafka in Prag (Timms, Edward, Kafka, Kraus und das jüdische Theater, in : Schmidt-Dengler, Wendelin und Winkler, Norbert (Hg.), Die Vielfalt in Kafkas Leben und Werk, Prag 2005, 258– 276 ; Stach, Erkenntnis, 2008, 46–66). Kokoschka, Mein Leben, 2008, 92. 28 Kokoschka, Mein Leben, 2008, 92. 29 BV, Wien, die Theaterstadt, o.D. [um 1918], 142/c, K30, A : Viertel, DLA. 30 BV, Die Stadt der Kindheit, o.D., o.S., NK09, A : Viertel, DLA. 31 BV, Heimkehr, in : Bolbecher/Kaiser (Hg.), Viertel, Cherub, 1990, 182.
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Berthold Viertel Eine Biografie der Wiener Moderne
Titel
Berthold Viertel
Untertitel
Eine Biografie der Wiener Moderne
Autor
Katharina Prager
Verlag
Böhlau Verlag
Ort
Wien
Datum
2018
Sprache
deutsch
Lizenz
CC BY 4.0
ISBN
978-3-205-20832-7
Abmessungen
15.5 x 23.2 cm
Seiten
368
Kategorie
Biographien

Inhaltsverzeichnis

  1. Ein chronologischer Überblick 7
  2. Einleitend 19
  3. 1. BERTHOLD VIERTELS RÜCKKEHR IN DIE ÖSTERREICHISCHE MODERNE DURCH EXIL UND REMIGRATION
    1. Außerhalb Österreichs – Die Entstehung des autobiografischen Projekts 47
    2. Innerhalb Österreichs – Konfrontationen mit »österreichischen Illusionen« 75
  4. 2. ERINNERUNGSORTE DER WIENER MODERNE
    1. Moderne in Wien 99
    2. Monarchisches Gefühl 118
    3. Galizien 129
    4. Jüdisches Wien 139
    5. Katholische Dienstmädchen 150
    6. Deutsche Kultur 161
    7. Luegers Wien 173
    8. Mitschüler Hitler 184
    9. Jugendliche Kulturanarchisten 196
    10. Familie Adler 209
    11. Studium 228
    12. Sexuelle Emancipation 245
    13. Karl Kraus 268
    14. Theater 291
    15. Erster Weltkrieg 310
    16. Nachsatz 333
    17. Archivalien 336
    18. Dank 342
    19. Literaturverzeichnis 344
    20. Bildnachweis 358
    21. Personenregister 359
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