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Vorwort 15
vor wie nach 1783 weder die Kirche noch ihre Gremien befugt, völlig frei darüber zu
verfügen. Die Kirche musste alle Entscheidungen, die den Fonds betrafen, in steter Ab-
stimmung mit dem Staat als vorgeordneter Kontrollinstanz sowie mit dem Landesfürs-
ten als oberstem Organ akkordieren. Insofern ist die Argumentation des rumänischen
Gerichtes korrekt, der neu gegründete Religionsfonds ist im Gegensatz zu seinem Vor-
gänger eine Stiftung nach privatem Recht.9 Zum anderen – und das deutet die seitens
der Regierung formulierte Kompromissformel an
– sollten die Erträgnisse des Fonds im
Sinne seiner ursprünglichen Bestimmung vorwiegend der Region zukommen und nicht
in ein Zentralbudget des Staates oder der Kirche einfließen.
Im »Denn ich war hungrig und ihr habt mir zu essen gegeben« werden für die In-
stitution gr.-orient. Religionsfonds charakteristische Facetten greifbar : als Hülle zur
Organisation der Kirchengüter und deren effizienter Verwaltung ; als Ort, wo Einzel-
personen als Akteure sichtbar werden ; und schließlich insgesamt als Institution, die
auf dem politischen Feld selbst den Charakter eines Akteurs annimmt, der dem Staat
zwar nahe steht, in und mit ihm existiert, aber nicht unmittelbar Teil davon ist. Das
Bibelzitat wirft abseits kirchlicher Legitimitätsbegründungen zudem die Frage auf, wer
und auf welche Weise damit als Nutznießer gewissermaßen angesprochen wird. Stehen
die betroffenen Güter sowie ihre Erträge nun dem Staat, der Kirche, der (Erz-)Diözese,
der Region, der Nation oder vielleicht gar Einzelnen zu ? Auf dem Weg zu einer Ant-
wort entwickelte sich zwischen den Begünstigten ein kontinuierlicher und immer wie-
der neu zu verhandelnder Prozess. Er speist das eigentliche Substrat des Religionsfonds.
In Wechselwirkung wiederum bietet der Fonds umgekehrt die nötige Plattform für die
dabei ausgetragenen Diskurse. Kirche, Region und Staat sowie ihre jeweiligen Akteure
treffen in der Institution Religionsfonds aufeinander und gehen gleichzeitig eine enge
Beziehung ein. Eben diese Beziehung rückt die Studie für den Zeitraum von 1783 bis
1949 ins Zentrum. Die Habsburgermonarchie und das angestammte Herrscherhaus ver-
standen sich ohne Zweifel als ein katholischer Staat, als eine katholische Macht in Eu-
ropa. Andererseits definierte sich dieser Staat selbst in idealiter spätestens seit der Mitte
des 19. Jahrhunderts als multikonfessionell, multireligiös und supranational. Auf einer
übergeordneten Ebene begibt sich daher die vorliegende Monographie im Konkreten
am Beispiel des Religionsfonds der Bukowina auf die Suche nach den Mechanismen und
Ausgestaltungsformen in der Bewältigung dieser ideologisch verordneten Koexistenz im
Alltag der ›Provinz‹.
9 Die Ansicht der Regierungsseite allerdings, die den österreichischen Staat seit 1783 (der rechtlich
gesehen damals nicht existierte) bzw. nach 1918 Rumänien als jeweilige Eigentümer (Proprietar)
bezeichnet, ist nicht korrekt ; Anonymus 2009, Justiţia, Istoricul Proceselor, 5–7.
Der griechisch-orientalische Religionsfonds der Bukowina 1783–1949
Kontinuitäten und Brüche einer prägenden Institution des Josephinismus
- Titel
- Der griechisch-orientalische Religionsfonds der Bukowina 1783–1949
- Untertitel
- Kontinuitäten und Brüche einer prägenden Institution des Josephinismus
- Autor
- Kurt Scharr
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2020
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-20927-0
- Abmessungen
- 17.4 x 24.5 cm
- Seiten
- 447
- Kategorien
- Geschichte Historische Aufzeichnungen
Inhaltsverzeichnis
- Zum Geleit! 11
- Einleitung 13
- 1. Vorwort 13
- 2. Institutionen als Forschungsgegenstand: Analyse & Methodik 18
- 3. Aspekte des Josephinismus. Der katholische Religionsfonds 34
- 4. Gründung des griechisch-orientalischen Religionsfonds 43
- 5. Die wirtschaftliche Situation des Religionsfonds Mitte des 19
- 6. Nationsidee, Kirche & Religionsfonds 116
- 7. Die wirtschaftliche Situation des Religionsfonds bis 1914 215
- 8. Fondul Bisericesc Ortodox Român 1918–1948 246
- 9. Die wirtschaftliche Situation um 1938 289
- 10. Hebel strukturellen Wandels : Jakobeny – Dornawatra (1784–1949) 306
- 11. Zusammenfassungen 340
- I. Verzeichnis ungedruckter Quellen 371
- II. Abbildungsverzeichnis 377
- III. Abkürzungsverzeichnis 380
- IV. Literaturverzeichnis 381
- V. Personenregister 433
- VI. Synoptische Ortsnamenkonkordanz 439