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Institutionen als Forschungsgegenstand: Analyse & Methodik 31
gentlich weitgehend in ihrem Verhalten von anderen Werten als jenen des Kapitalismus
geleitet werden.56 Allerdings, und das unterstreicht der Ansatz der älteren Institutionen-
forschung in der Soziologie, werden Institutionen trotzdem zu einem entscheidenden
Teil von ihren ursprünglichen organisatorischen Aufgaben zusammengehalten.57 Für
den Religionsfonds der Bukowina war das vor 1918 der österreichische Staat bzw. sein
Vertreter vor Ort, der Landespräsident. Nach 1918, nunmehr auf einer anderen Ebene
und unter geänderten staatlichen Rahmenbedingungen, waren es die Bukowiner Met-
ropoliten selbst. Sie bezogen eine bewusste Verteidigungshaltung gegen die ansteigende
wie regelmäßige politische Einflussnahme von außen und versuchten regionale Identität
sowie Autonomie der durch sie repräsentierten Institution zu bewahren. Letzteres zeigte
sich besonders in der divergierenden Haltung des neuen national-rumänischen Zentral-
staates, der regionale Strukturen, wie sie der Religionsfonds an entscheidender Stelle in
der Bukowina mitbegründet hatte, mit wachsender Skepsis betrachtete und sukzessive
zurückzudrängen suchte. Zudem wirkte die systemimmanente zentralisierende Grund-
tendenz der orthodoxen Kirche mit ihrem jungen, seit 1925 bestehenden Patriarchat in
Bukarest zusätzlich gegengerichtet auf die regionale Institution des Religionsfonds ein.
Im Rückblick und aus dem Wissen rund um die Restitutionsbemühungen der kirch-
lichen Religionsfondsgüter nach 1989 gelangt hier eine konträre Bewegung an die Ober-
fläche. Die Metropolie der Moldau und der Bukowina stellt in diesem Prozess und in der
(in seinen Aufgaben wie Zielen im Vergleich zum historischen Vorgänger allerdings sehr
selektiv wahrgenommenen) Wiedererrichtung des Religionsfonds nach 1989 vor allem
dessen regionale, von Bukarest
– auch in kirchlicher Hinsicht
– unabhängige Bedeutung
klar in den Vordergrund. Zusammenfassend lässt sich daraus wie folgt die vierte These
ableiten :
These 4: Institutioneller Wandel, persistente Strukturen und Lange Dauer
Der Ausgang des Ersten Weltkrieges und die damit verbundene Eingliederung der Bu-
kowina nach Großrumänien verstärkten den schleichenden funktionalen Wandel58 in-
nerhalb des Religionsfonds, der – ausgedrückt in der nationalen Diskussion – spätes-
tens seit der Jahrhundertwende zur bestimmenden ökonomischen Kraft geworden war.
Durch den Zusammenbruch der Habsburgermonarchie und das Entstehen Großrumä-
niens vollzog sich ein struktureller Wandel auf übergeordneter Ebene (Leitidee staatli-
56 Stinchcombe 1997, Virtues, 12 ; Stinchcombe bezieht sich hier auf Joseph Schumpeter.
57 »The guts of institutions is that somebody somewhere really cares to hold an organization to the
standards« ; Stinchcombe 1997, Virtues, 18.
58 Göhler (Hg.) 1997, Eigenart, 38f.
Der griechisch-orientalische Religionsfonds der Bukowina 1783–1949
Kontinuitäten und Brüche einer prägenden Institution des Josephinismus
- Titel
- Der griechisch-orientalische Religionsfonds der Bukowina 1783–1949
- Untertitel
- Kontinuitäten und Brüche einer prägenden Institution des Josephinismus
- Autor
- Kurt Scharr
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2020
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-20927-0
- Abmessungen
- 17.4 x 24.5 cm
- Seiten
- 447
- Kategorien
- Geschichte Historische Aufzeichnungen
Inhaltsverzeichnis
- Zum Geleit! 11
- Einleitung 13
- 1. Vorwort 13
- 2. Institutionen als Forschungsgegenstand: Analyse & Methodik 18
- 3. Aspekte des Josephinismus. Der katholische Religionsfonds 34
- 4. Gründung des griechisch-orientalischen Religionsfonds 43
- 5. Die wirtschaftliche Situation des Religionsfonds Mitte des 19
- 6. Nationsidee, Kirche & Religionsfonds 116
- 7. Die wirtschaftliche Situation des Religionsfonds bis 1914 215
- 8. Fondul Bisericesc Ortodox Român 1918–1948 246
- 9. Die wirtschaftliche Situation um 1938 289
- 10. Hebel strukturellen Wandels : Jakobeny – Dornawatra (1784–1949) 306
- 11. Zusammenfassungen 340
- I. Verzeichnis ungedruckter Quellen 371
- II. Abbildungsverzeichnis 377
- III. Abkürzungsverzeichnis 380
- IV. Literaturverzeichnis 381
- V. Personenregister 433
- VI. Synoptische Ortsnamenkonkordanz 439