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40 Die Organisation: Von der Gründung zur Konsolidierung
Gemeinden nur für ihre standesgemäße Nothdurft Fruchtnießer sind und die sichere
Verwendung des Ueberschusses für ersterwähnte Hauptbestimmung dem Landesfürsten
als obersten Kirchenvogte und Wächter der Canonen gebührt«.37 Diese Formulierung
ließ freilich einen gewissen Spielraum in der Mittelverwendung offen, wie am Beispiel
der Bukowina noch zu zeigen sein wird.38 Die Rechtsverhältnisse, also die Frage wem
nun letztlich das Eigentum an diesem im katholischen Religionsfonds gelagerten Kir-
chenvermögen zustand, blieben de facto ungeklärt. So befand sich im zeitgenössischen
Rechtsverständnis der Religionsfonds doch weder »im Eigentum des Staates, eben so
wenig aber in dem der Gesamtkirche oder kirchlicher Institute«39, und das, obwohl das
Konkordat von 1855 (Artikel 21) theoretisch das Eigentumsrecht der katholischen Kir-
che an diesem Vermögen anerkannte. Der Staat übte jedoch weiterhin die Verwaltung
aus, so blieb als kleinster gemeinsamer Nenner das – juristisch etwas verklausulierte –
Verständnis vom »eigentümlichen Rechtsstatus des Fonds als selbständiges Zweckver-
mögen mit stiftungsartigem Charakter« weiterhin existent.40
Der katholische Religionsfonds in den deutschen Erblanden41 stellte sich in seiner
Umsetzung als ein praktisch schwer handzuhabendes Kompositum aus 14 verschiede-
nen Provinzialfonds jedoch – zumindest theoretisch – unter einheitlicher Disposition
durch den Staat dar.42 Die von Joseph II. anfänglich strikt eingeforderte Universalität
37 Hock & Bidermann 1879, Staatsrath, 418.
38 Für den katholischen Religionsfonds bis in die Mitte des 19. Jahrhunderts bietet Helfert (²1825,
Kirchenvermögen, §§ 116–127) eine Übersicht zur zweckgebundenen Mittelverwendung.
39 Hussarek 1909, Religionsfonds, 95 ; Rajšp 2002, Religionsfonds, 434 ; auch für die Republik Öster-
reich nach 1918 blieb diese Rechtsfrage im Grunde unbeantwortet ; Gross 81922, Lehrbuch, 350
u. 360ff.; Ritter 1954, Vermögensverwaltung, 80ff. Faktisch war das Vermögen des Fonds durch
den Krieg und die Inflation arg geschädigt. Die Finanzierung der Kirche musste daher durch das
Konkordat von 1933 neu geregelt werden. Der Religionsfonds selbst wurde 1939 mit der Einführung
der Kirchensteuer durch das Deutsche Reich kassiert, womit auch die Aufhebung der staatlichen
Patronatsverpflichtung verbunden und der Fonds 1940 de facto aufgelöst worden war ; Schwarz
2007, Verhältnis, 485f.; Bandhauer-Schöffmann 2004, Entzug, 39ff.; de jure jedoch kommt der
katholische Religionsfonds in Österreich (nach der formalen Wiedereinsetzung durch den Staatsver-
trag 1955, Art. 26) erst 1988 zur Auflösung ; vgl. Bundesgesetz v. 22.I.1988 betreffend die Auflösung
der Religionsfonds-Treuhandstelle, BGBl. Nr. 98/1988. Damit verpflichtete sich jedoch die Republik
Österreich zu regelmäßigen Zahlungen an die Kirche(n) aus dem laufenden Budget.
40 Binder 1999, Religionsfonds, Spalte 1049.
41 In Ungarn mussten die diesbezüglichen Reformgesetze noch durch Joseph II. aus innenpolitischer
Rücksichtnahme weitestgehend zurückgenommen werden ; Franz 1908, Studien, 123.
42 Hock & Bidermann 1879, Staatsrath, 416 ; vgl. die Detailstudie von Franz (1908, Studien) am
Beispiel des Breisgaus. Böhmen, Mähren, Oesterreich Ob der Enns / Unter der Enns, Steuermarkt,
Kärnthen, Krain, Görz und Gradiska, Tyrol, Vorarlberg, Vorderösterreich, Ost- / West-Galizien ; Sum-
marium. Uiber den reinen Ertrag aller mit Ende Oktober 1801 in der eigenen Verwaltung sowohl, als
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Der griechisch-orientalische Religionsfonds der Bukowina 1783–1949
Kontinuitäten und Brüche einer prägenden Institution des Josephinismus
- Titel
- Der griechisch-orientalische Religionsfonds der Bukowina 1783–1949
- Untertitel
- Kontinuitäten und Brüche einer prägenden Institution des Josephinismus
- Autor
- Kurt Scharr
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2020
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-20927-0
- Abmessungen
- 17.4 x 24.5 cm
- Seiten
- 447
- Kategorien
- Geschichte Historische Aufzeichnungen
Inhaltsverzeichnis
- Zum Geleit! 11
- Einleitung 13
- 1. Vorwort 13
- 2. Institutionen als Forschungsgegenstand: Analyse & Methodik 18
- 3. Aspekte des Josephinismus. Der katholische Religionsfonds 34
- 4. Gründung des griechisch-orientalischen Religionsfonds 43
- 5. Die wirtschaftliche Situation des Religionsfonds Mitte des 19
- 6. Nationsidee, Kirche & Religionsfonds 116
- 7. Die wirtschaftliche Situation des Religionsfonds bis 1914 215
- 8. Fondul Bisericesc Ortodox Român 1918–1948 246
- 9. Die wirtschaftliche Situation um 1938 289
- 10. Hebel strukturellen Wandels : Jakobeny – Dornawatra (1784–1949) 306
- 11. Zusammenfassungen 340
- I. Verzeichnis ungedruckter Quellen 371
- II. Abbildungsverzeichnis 377
- III. Abkürzungsverzeichnis 380
- IV. Literaturverzeichnis 381
- V. Personenregister 433
- VI. Synoptische Ortsnamenkonkordanz 439