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90 Die Organisation: Von der Gründung zur Konsolidierung
schätzung, die sich auf den dominierenden Landwirtschaftssektor bezog) selbst über die
Jahrhundertmitte hinaus bestimmend blieb.8 Wirkten sich die Reformen im Umfeld
der Grundentlastung in den meisten westlichen Kronländern kaum merkbar auf deren
Wirtschaft aus9, so bot sich in der Bukowina ein anderes Bild. Einerseits fand sich der
produktivere Großgrundbesitz (in der vorherrschenden Form der Gutswirtschaft), zu
dem auch der Religionsfonds gehörte, mit dem Wegfall billiger Arbeitskräfte in einer
prekären wirtschaftlichen Situation wieder. Andererseits konnten die aus der Grund-
entlastung erlösten Kapitalien die notwendige Modernisierung nicht decken und nötige
Investitionen blieben vielfach aus. Die Entschädigung der Dominien in der Bukowina
hätte eigentlich aus Staatsgeldern erfolgen müssen, allerdings sah das entsprechende
Reichsgesetz dafür keine konkreten Maßnahmen vor, sodass die Zahlungen zunächst in
gleichen Teilen vom Kronland und den Grundherrschaften zu tragen waren. Schließlich
hatte die Bukowina die ganze Last allein zu schultern.10 Um die daraus resultierende
»notorische Capitalarmut« im Lande zu überbrücken, hatte selbst der Landespräsident
der Bukowina Rudolf Graf Amadei im Landtag den Vorschlag eingebracht, das Reli-
gionsfondskapital als vorübergehendes Darlehen zu verwenden, was Wien allerdings
ablehnte.11 Hinter dieser Entscheidung der Zentralregierung verbarg sich wohl auch die
drohende Absicht der vormaligen Grundherrschaften, die ihnen übertragenen Lasten
der Kirchenpatronate ebenso auf Kosten des gr.-orient. Religionsfonds zu bestreiten.12
Dem wollte man offensichtlich von Seiten Wiens einen Riegel vorschieben.13 Der struk-
8 Sandgruber 1978, Agrarstatistik, 197.
9 Good 1986, Aufstieg, 88.
10 Officielle stenographische Berichte über die Verhandlungen des österr. Reichstages, 36. Sitzung des con-
stituierenden Reichstages v. 7.IX.1848, S. 291 Punkt 8d, sowie Patent zur Aufhebung des Unterthänig-
keitsbandes und Entlastung des bäuerlichen Besitzes v. 7.IX.1848 ; Patent v. 4.III.1849, wodurch die
Durchführung der Aufhebung des Unterthans-Verbandes und der Entlastung des Grund und Bodens
angeordnet wird ; das Patent stellte für das Königreich Galizien zum Patent v. 7.IX.1848 noch eine ei-
gene Durchführungsverordnung in Aussicht ; Erlaß des Ministers des Innern vom 25. September 1849
an den Herrn Kreischef der Bukowina wegen Anweisung einstweiliger Vorschüsse auf Rechnung der für
die aufgehobenen unterthänigen Leistungen in dem Herzogthume Bukowina zugesicherten Vergütung
Nr. 397 ; der Erlass sah eine teilweise Gegenrechnung der Vergütungsbeträge mit der anfallenden
Grundsteuer vor.
11 Stenographische Protokolle des Bukowinaer Landtages 1864, 20. Sitzung III. Session 9.V.1864, 316f.;
21. Sitzung III. Session v. 11.V.1864, 329f. sowie 4. Sitzung IV. Session, 20.II.1865, 30.
12 Das Konsistorium hatte bereits 1859 in einer ausführlichen Stellungnahme die Übernahme privater
Kirchenpatronate bzw. die Gewährung von Krediten zur Herstellung der Kirchen etc. für / durch den
Religionsfonds angeregt ; ÖSTA-AVA, Neuer Kultus NK Akath. gr.-or. K 22, Entwurf ex 1859 ; vgl.
Kapitel 8 (wirtschaftliche Situation um 1914).
13 Grünberg 1901, Studien, 97.
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Der griechisch-orientalische Religionsfonds der Bukowina 1783–1949
Kontinuitäten und Brüche einer prägenden Institution des Josephinismus
- Titel
- Der griechisch-orientalische Religionsfonds der Bukowina 1783–1949
- Untertitel
- Kontinuitäten und Brüche einer prägenden Institution des Josephinismus
- Autor
- Kurt Scharr
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2020
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-20927-0
- Abmessungen
- 17.4 x 24.5 cm
- Seiten
- 447
- Kategorien
- Geschichte Historische Aufzeichnungen
Inhaltsverzeichnis
- Zum Geleit! 11
- Einleitung 13
- 1. Vorwort 13
- 2. Institutionen als Forschungsgegenstand: Analyse & Methodik 18
- 3. Aspekte des Josephinismus. Der katholische Religionsfonds 34
- 4. Gründung des griechisch-orientalischen Religionsfonds 43
- 5. Die wirtschaftliche Situation des Religionsfonds Mitte des 19
- 6. Nationsidee, Kirche & Religionsfonds 116
- 7. Die wirtschaftliche Situation des Religionsfonds bis 1914 215
- 8. Fondul Bisericesc Ortodox Român 1918–1948 246
- 9. Die wirtschaftliche Situation um 1938 289
- 10. Hebel strukturellen Wandels : Jakobeny – Dornawatra (1784–1949) 306
- 11. Zusammenfassungen 340
- I. Verzeichnis ungedruckter Quellen 371
- II. Abbildungsverzeichnis 377
- III. Abkürzungsverzeichnis 380
- IV. Literaturverzeichnis 381
- V. Personenregister 433
- VI. Synoptische Ortsnamenkonkordanz 439