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94 Die Organisation: Von der Gründung zur Konsolidierung
Gilt die Frage der Grundentlastung von 1848 und ihre Folgen im Allgemeinen als
»epochaler Wendepunkt in der Geschichte der österreichischen Volkswirtschafts-
politik«, so trifft das auf die Bukowina, obgleich aus längerfristiger Perspektive, im
Speziellen umso mehr zu.34 Hatten etwa in den innerösterreichischen Ländern bereits
im Vormärz einzelne entscheidende Entwicklungen zur Verbesserung der Agrarver-
hältnisse angehoben und hatten jetzt sichtbar zu greifen begonnen, so setzte in den
Kronländern Bukowina und Galizien erst der mit der Grundentlastung eingeleitete
Übergang von der feudalen zur liberalen Wirtschaftsordnung eine wirklich spürbare
Zäsur. Langfristig gründete darin ein merklicher Modernisierungsschub. Insofern ist
der positiv formulierten abschließenden Wertung dieses Prozesses durch den Wie-
ner Wirtschaftshistoriker Karl Grünberg, wonach »mit dem Jahre 1848 die besondere
Geschichte der Bukowiner ländlichen Bevölkerung in die allgemeine österreichische
einmündet«35, durchaus zuzustimmen, wenngleich gerade in diesem Raum die ange-
sprochenen strukturellen Lasten der älteren Agrarverfassung noch lange Zeit nach-
wirken sollten.
Früh aufgenommene, jedoch in der Bukowina bald wieder unterbrochene Reform-
vorhaben wie etwa die Franziszeische Katastralmappenaufnahme gewannen damit
neuerlich an Fahrt und zudem eine klare Richtung, wenngleich diese – wie im Fall des
Grundsteuerkatasters
– von Anfang an so nicht unbedingt beabsichtigt gewesen waren.36
Der Kataster wirkte zweifellos beschleunigend auf den Prozess der Grundentlastung, al-
lerdings bedingte der Widerstand der politisch einflussreichen Großgrundbesitzer auch
hier Verzögerungen und mündete vielfach in Sonderregelungen. So behielten in der Bu-
kowina wie in Galizien die Gutsgebiete
– die vorerst nicht Teil der neu geschaffenen po-
litischen Gemeinden waren – noch über Jahrzehnte hin ihre rechtliche Sonderstellung
bei.37 Die vergleichsweise kleineren Staatsdomänen und der Religionsfonds sahen sich
trotzdem von diesen Reformen in einen gewissen Nachteil gesetzt.38 Ihre rechtliche Si-
tuation bzw. die direkte Abhängigkeit vom Staat wiesen ihnen dabei eine Zwitterstellung
zu, die Entscheidungsprozesse erschwerte.
34 Schiff 1898, Grundentlastung, 13.
35 Grünberg 1901, Studien, 95 ; Grünberg stammte aus dem rumänischen Focşani und hatte in Czer-
nowitz das Gymnasium besucht. Er spricht im Zusammenhang mit der Bukowina auch von »unse-
rem Kronlande« ; ebd. S. 97.
36 Rumpler & Scharr (Hg.) 2015, Kataster.
37 Schiff 1898, Grundentlastung, 22.
38 Dem widerspricht die zeitgenössische Fachliteratur deutlich, konstatierte diese doch gerade das Ge-
genteil ; Grünberg 1899, Grundentlastung, 66.
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Der griechisch-orientalische Religionsfonds der Bukowina 1783–1949
Kontinuitäten und Brüche einer prägenden Institution des Josephinismus
- Titel
- Der griechisch-orientalische Religionsfonds der Bukowina 1783–1949
- Untertitel
- Kontinuitäten und Brüche einer prägenden Institution des Josephinismus
- Autor
- Kurt Scharr
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2020
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-20927-0
- Abmessungen
- 17.4 x 24.5 cm
- Seiten
- 447
- Kategorien
- Geschichte Historische Aufzeichnungen
Inhaltsverzeichnis
- Zum Geleit! 11
- Einleitung 13
- 1. Vorwort 13
- 2. Institutionen als Forschungsgegenstand: Analyse & Methodik 18
- 3. Aspekte des Josephinismus. Der katholische Religionsfonds 34
- 4. Gründung des griechisch-orientalischen Religionsfonds 43
- 5. Die wirtschaftliche Situation des Religionsfonds Mitte des 19
- 6. Nationsidee, Kirche & Religionsfonds 116
- 7. Die wirtschaftliche Situation des Religionsfonds bis 1914 215
- 8. Fondul Bisericesc Ortodox Român 1918–1948 246
- 9. Die wirtschaftliche Situation um 1938 289
- 10. Hebel strukturellen Wandels : Jakobeny – Dornawatra (1784–1949) 306
- 11. Zusammenfassungen 340
- I. Verzeichnis ungedruckter Quellen 371
- II. Abbildungsverzeichnis 377
- III. Abkürzungsverzeichnis 380
- IV. Literaturverzeichnis 381
- V. Personenregister 433
- VI. Synoptische Ortsnamenkonkordanz 439