Seite - 96 - in Der griechisch-orientalische Religionsfonds der Bukowina 1783–1949 - Kontinuitäten und Brüche einer prägenden Institution des Josephinismus
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96 Die Organisation: Von der Gründung zur Konsolidierung
eine Besorgniß erregende Kallamität«, sondern in Anbetracht der allgemeinen Situation
vielmehr als gefährlichen Ansatzpunkt schleichender Verarmung. Zur gesicherten Til-
gung der Grundentlastungsschuld forderte das Komitee daher dringend vermehrt De-
ckungsmittel seitens des Staates ein. Indirekt betraf diese missliche Finanzlage auch die
Grundherren und den gesamten Grundentlastungsprozess, da das erforderliche Kapitel
nicht oder lediglich mit Verzögerungen an die Berechtigten floss. So waren allein für
1862 annähernd 250.000 Gulden an Zinsen fällig, worauf die Staatsdomänen selbst, der
Religions- und der Studienfonds Brodok auf die Hälfte Anspruch hatten.43 Zudem er-
forderte die Umgestaltung der Wirtschaftsweise außer den Grundentlastungsentschädi-
gungen zusätzliche Kapitalien, die auf Grund der strukturellen Mängel in der Bukowina
ohnedies nur schwer aufzubringen waren.44 Von den 11.800.000 Gulden an errechne-
tem Grundentlastungskapital für die Bukowina standen den Kameral- und Religions-
fondsgütern etwas weniger als 4.200.000 Gulden zu. Das Konsistorium als Eigentümer-
vertreter sah sich indes noch 1864 gegenüber der Statthalterei veranlasst, ausdrücklich
darauf hinzuweisen, dass »der Religionsfonds bis zur Stunde weder an Vorschüßen
noch an Obligationen oder Renten etwas von der Grundentlastungsentschädigung er-
halten« habe. Man bat sich deshalb von der Finanzlandesdirektion (die gleichzeitig als
gesetzlicher Vertreter des Religionsfonds agierte) die Anweisung von 40.000 Gulden aus,
um zumindest für die abzulösenden Holznutzungsrechte der Gemeinden einen Aus-
gleich zu erhalten.45 Ob dadurch die Auszahlung an private Grundherrschaften wirklich
schneller
– also letztlich ebenso auf Kosten des Fonds
– vonstattenging, kann angesichts
der Quellenlage nicht eindeutig rekonstruiert werden und erscheint auch im Hinblick
auf die ablehnende Haltung gegenüber dem oben erwähnten Ansuchen das Landesprä-
sidenten Graf Amadei eher unwahrscheinlich.
Eingedenk dieser Situation festigt sich der Eindruck, dass der Staat in der finanziell
misslichen Lage der Bukowina seine Stellung gegenüber dem Religionsfonds nutzte, um
auf diese Weise den Kapitalmangel zeitweise zu umgehen. Nachweisbar ist jedenfalls,
dass sich Bischof und Konsistorium schon 1859 in einem Schreiben bereit erklärten,
»als Beitrag zu den gegenwärtigen aussergewöhnlichen Staats-Auslagen« eine Million
Gulden an Grundentlastungsobligationen aus Mitteln des Religionsfonds aufzukaufen.
Im Gefolge des für Österreich überaus misslichen Kriegsausganges von 1866 mit Preu-
ßen stiftete der Fonds, verbunden mit einer »patriotischen Bitte«, auf die gleiche Weise
43 DACZ 320/3/3258 Denkschrift über den Stand der Grundentlastungsschuld in der Bucowina, Czerno-
witz v. 9.IX.1862.
44 Zachar et al. 1901, Entwickelung, 52.
45 DACZ 320/3/32580 Protokoll der Konsistorialsitzung. Czernowitz, 8./15.III.1864, fol. 29f.; Onciul
erwähnt in seiner Darstellung den Betrag von 4.143.476 fl., Onciul 1891, Fondul, 175.
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Der griechisch-orientalische Religionsfonds der Bukowina 1783–1949
Kontinuitäten und Brüche einer prägenden Institution des Josephinismus
- Titel
- Der griechisch-orientalische Religionsfonds der Bukowina 1783–1949
- Untertitel
- Kontinuitäten und Brüche einer prägenden Institution des Josephinismus
- Autor
- Kurt Scharr
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2020
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-20927-0
- Abmessungen
- 17.4 x 24.5 cm
- Seiten
- 447
- Kategorien
- Geschichte Historische Aufzeichnungen
Inhaltsverzeichnis
- Zum Geleit! 11
- Einleitung 13
- 1. Vorwort 13
- 2. Institutionen als Forschungsgegenstand: Analyse & Methodik 18
- 3. Aspekte des Josephinismus. Der katholische Religionsfonds 34
- 4. Gründung des griechisch-orientalischen Religionsfonds 43
- 5. Die wirtschaftliche Situation des Religionsfonds Mitte des 19
- 6. Nationsidee, Kirche & Religionsfonds 116
- 7. Die wirtschaftliche Situation des Religionsfonds bis 1914 215
- 8. Fondul Bisericesc Ortodox Român 1918–1948 246
- 9. Die wirtschaftliche Situation um 1938 289
- 10. Hebel strukturellen Wandels : Jakobeny – Dornawatra (1784–1949) 306
- 11. Zusammenfassungen 340
- I. Verzeichnis ungedruckter Quellen 371
- II. Abbildungsverzeichnis 377
- III. Abkürzungsverzeichnis 380
- IV. Literaturverzeichnis 381
- V. Personenregister 433
- VI. Synoptische Ortsnamenkonkordanz 439