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Nationsidee, Kirche & Religionsfonds 137
ßes mit Entschiedenheit aussprechen würde […] Die weitere Voraussicht des hohen Ministeri-
ums, daß dabei alsbald zwischen Laien (namentlich dem Großgrundbesitze, dessen Schulden
an den Religionsfonds große Summen erreichen) und dem Consistorium ein Ringen um den
Einfluß auf die Fondsverwaltung hervorrufen würde, dessen Fortwuchern der Regierung die
mißlichsten Schwierigkeiten bereiten müßte, ist bereits bei der Feststellung der Wahlordnung
eingetroffen. Schon in der ersten Sitzung vom 13. März 1871 entstand ein leidenschaftlicher
Kampf zwischen den Laien und dem Klerus, weil die Ersteren zwei Drittel der Stimmen in
Anspruch nahmen, während der Clerus die Hälfte derselben verlangte.83
Religionsfondsmittel & ihre Verwendung
Die Frage nach der Verfügungsgewalt über den Religionsfonds und seiner Mittel war
indes nicht nur eine immanent landespolitische, sondern auch eine lebensweltliche, die
Bischof Hackmann über die Jahrzehnte seiner Tätigkeit im Alltag begleitete. Von die-
ser persönlichen Ebene aus betrachtet, zeigen sich – abseits aller Debatten und Verord-
nungen – klar die realen Machtverhältnisse, die der Landtag nicht zu Unrecht im oben
erwähnten Ausschuss kritisiert hatte. Mit der Verlegung des Bistumssitzes von Radautz
nach Czernowitz mussten durch den Ärar entsprechende Gebäude in der Kreishaupt-
stadt bereitgestellt werden. Das war keine leichte Aufgabe, da es gerade während der
und durch die Landeseinrichtung in den ersten Jahrzehnten der österreichischen Herr-
schaft in der Bukowina an passablen, in Stein aufgeführten Bauten erklecklich mangelte,
sodass selbst die höheren Behörden vielfach mit jahrelangen Provisorien auskommen
mussten. Die erste bischöfliche Residenz in Czernowitz konnte trotz Verzögerungen der
Baubewilligung im Amtsweg – damals noch auf Kosten des Ärars – 1783 fertiggestellt
und schließlich bezogen werden. »Damit war aber«
– so die nachträgliche Einschätzung
des Landeshistorikers Ferdinand Zieglauer
– »keine dauernde Schöpfung begründet. Es
ist schwer zu sagen, ob unabwendbares Mißgeschick oder der durch allzuweit getrie-
bene Sparsamkeit hervorgerufene geringe Kostenaufwand, oder Schleuderhaftigkeit bei
der Ausführung die Schuld an dem raschen Verfalle dieses Baues trugen. Thatsache ist,
daß schon fünf Jahre nach Vollendung desselben der ›fliegende Schwamm‹ solche Ver-
heerungen angerichtet hat, daß der, an der Nordseite gelegene hölzerne Theil der Resi-
denz dem Einsturze nahe kam, und im Frühlinge des Jahres 1790 völlig zusammenbrach
[…]. Man behalf sich Jahrzehnte lang mit einem kümmerlichen Flickwerke.«84
83 Universitätsbibliothek Wien, Nachlass Zhishman, Manuskript III 786 germ. (III 354.815) Josef Zhish-
man, Bukowiner Kirchenkongress, Bl. 24–46 (1878) ; abgedruckt in Németh 2012, Zhishman, 179.
84 Zieglauer 1896, Bilder III, 57. Beim ›fliegenden Schwamm‹ dürfte es sich um Braun- oder Weiß-
Der griechisch-orientalische Religionsfonds der Bukowina 1783–1949
Kontinuitäten und Brüche einer prägenden Institution des Josephinismus
- Titel
- Der griechisch-orientalische Religionsfonds der Bukowina 1783–1949
- Untertitel
- Kontinuitäten und Brüche einer prägenden Institution des Josephinismus
- Autor
- Kurt Scharr
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2020
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-20927-0
- Abmessungen
- 17.4 x 24.5 cm
- Seiten
- 447
- Kategorien
- Geschichte Historische Aufzeichnungen
Inhaltsverzeichnis
- Zum Geleit! 11
- Einleitung 13
- 1. Vorwort 13
- 2. Institutionen als Forschungsgegenstand: Analyse & Methodik 18
- 3. Aspekte des Josephinismus. Der katholische Religionsfonds 34
- 4. Gründung des griechisch-orientalischen Religionsfonds 43
- 5. Die wirtschaftliche Situation des Religionsfonds Mitte des 19
- 6. Nationsidee, Kirche & Religionsfonds 116
- 7. Die wirtschaftliche Situation des Religionsfonds bis 1914 215
- 8. Fondul Bisericesc Ortodox Român 1918–1948 246
- 9. Die wirtschaftliche Situation um 1938 289
- 10. Hebel strukturellen Wandels : Jakobeny – Dornawatra (1784–1949) 306
- 11. Zusammenfassungen 340
- I. Verzeichnis ungedruckter Quellen 371
- II. Abbildungsverzeichnis 377
- III. Abkürzungsverzeichnis 380
- IV. Literaturverzeichnis 381
- V. Personenregister 433
- VI. Synoptische Ortsnamenkonkordanz 439