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Nationsidee, Kirche & Religionsfonds 197
Repta nochmals im Gespräch mit den Abgeordneten, dass ihnen »kein Recht zu stehe,
die Bevölkerung in kirchlichen Angelegenheiten zu vertreten«.311 Pihuliak und Wassilko
hatten hingegen offenbar schon zu Beginn des Jahres als Reichsratsabgeordnete das Ge-
spräch mit Ministerpräsident Ernest v. Körber gesucht, wohl um die Nominierung des
Archimandriten in ihrem Sinne zu beschleunigen.312 Eingedenk der Zwistigkeiten blieb
das Czernowitzer Tagblatt trotz allem in seiner Stimmung gegenüber dem neuen Erzbi-
schof hoffnungsfroh,
daß die Rumänen darauf hinweisen können, daß der gr.-or. Religionsfonds, aus dessen reichen
Mitteln die gr.-or. Kirche in der Bukowina dotiert wird, aus moldauischen Klöstern gebildet
wurde, daß es also rumänisches Gut ist, das den materiellen Grundstock der gr.-or. Kirche
bildet und daß es eine allgemeine menschliche Schwäche ist, daß man von ererbtem Gut nicht
gerne an Andere abgibt […] Glücklicherweise steht jetzt an der Spitze der gr.-or. Kirche der
Bukowina ein Mann, der dem rumänischen Stamme angehört, der aber so viel Adel des Geistes
und des Herzens in sich vereint, daß es unter seinem Regime zu kleinlichen Streitigkeiten nicht
kommen kann. Die überragende Persönlichkeit Repta’s ist die Bürgschaft für den Frieden im
Schoße der gr.-or. Kirche.313
Indes währte auch diese Bürgschaft für den Frieden nur kurz und blieb einseitig. So
griff denn während der Eröffnung des Bukowiner Landtages am 10. September 1903 N.
v. Wassilko den Erzbischof und die rumänischen Konsistorialräte heftig an. Die im Juli
anlässlich der Versammlung artikulierten Wünsche nach einem ruthenischen General-
vikar waren bislang – aus seiner Sicht – unerfüllt geblieben. Wassilko unterstellte daher
den betroffenen Konsistorialräten »die Unterstützung der ruthenenfeindlichen Bestre-
bungen seitens der rumänischen Priester«.314 Der schon Monate zuvor angebrachte Ver-
weis des Kultusministeriums, dass die rumänischen Priester in den ruthenischen Ge-
meinden durchaus »der Sprache der Parochianen« mächtig sein müssten, um überhaupt
dort eingesetzt zu werden, blieb ungehört. Auch die auf Drängen des Ministeriums
erfolgte Einrichtung eines vom Religionsfond getragenen Stipendiums für ruthenische
Gymnasialschüler änderte daran wenig.315 In einem Interview – just zum Geburtstag
des Erzbischofs
– versuchte Repta ausgleichend zu wirken und betonte die Offenheit der
311 Neues Wiener Tagblatt Nr. 185 v. 8.VII.1903, 11, Eine Ruthenendemonstration in Czernowitz. Szenen
in der Residenz des Erzbischofs Repta.
312 Neues Wiener Tagblatt (Tagesausgabe) Nr. 25 v. 25.I.1903, 3.
313 Czernowitzer Tagblatt Nr. 30 v. 4.III.1903, 1, Ruthenen und Rumänen.
314 Neues Wiener Abendblatt Nr. 249 v. 11.IX.1903, 2, Die Landtage der Bukowina.
315 Czernowitzer Tagblatt Nr. 78 v. 1.V.1903, 1f., Die ruthenischen Beschwerden.
Der griechisch-orientalische Religionsfonds der Bukowina 1783–1949
Kontinuitäten und Brüche einer prägenden Institution des Josephinismus
- Titel
- Der griechisch-orientalische Religionsfonds der Bukowina 1783–1949
- Untertitel
- Kontinuitäten und Brüche einer prägenden Institution des Josephinismus
- Autor
- Kurt Scharr
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2020
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-20927-0
- Abmessungen
- 17.4 x 24.5 cm
- Seiten
- 447
- Kategorien
- Geschichte Historische Aufzeichnungen
Inhaltsverzeichnis
- Zum Geleit! 11
- Einleitung 13
- 1. Vorwort 13
- 2. Institutionen als Forschungsgegenstand: Analyse & Methodik 18
- 3. Aspekte des Josephinismus. Der katholische Religionsfonds 34
- 4. Gründung des griechisch-orientalischen Religionsfonds 43
- 5. Die wirtschaftliche Situation des Religionsfonds Mitte des 19
- 6. Nationsidee, Kirche & Religionsfonds 116
- 7. Die wirtschaftliche Situation des Religionsfonds bis 1914 215
- 8. Fondul Bisericesc Ortodox Român 1918–1948 246
- 9. Die wirtschaftliche Situation um 1938 289
- 10. Hebel strukturellen Wandels : Jakobeny – Dornawatra (1784–1949) 306
- 11. Zusammenfassungen 340
- I. Verzeichnis ungedruckter Quellen 371
- II. Abbildungsverzeichnis 377
- III. Abkürzungsverzeichnis 380
- IV. Literaturverzeichnis 381
- V. Personenregister 433
- VI. Synoptische Ortsnamenkonkordanz 439