Seite - 198 - in Der griechisch-orientalische Religionsfonds der Bukowina 1783–1949 - Kontinuitäten und Brüche einer prägenden Institution des Josephinismus
Bild der Seite - 198 -
Text der Seite - 198 -
198 Die Institution: Struktur & Werte
mit Wassilko wie Onciul geführten Diskussion. Einem Kirchenkongress stand er dabei
nicht völlig ablehnend gegenüber, allerdings fehlten aus seiner Sicht dafür die gesetz-
lichen Grundlagen. Was jedoch die Einheit der Diözese betraf, so blieb der Erzbischof
unbewegt bei seinen Vorsätzen der Unteilbarkeit.316
Das neue Jahr brachte erst einmal eine politische Zusammenarbeit über nationale Gren-
zen hinaus, deren Stoßrichtung in mehrerer Hinsicht auf die gr.-orient. Kirche und ihre
politische wie wirtschaftliche Machtposition abzielte. Sowohl die Jungruthenen als auch
die rumänischen Demokraten näherten sich in ihren sozialen Forderungen insbeson-
dere gegen die gr.-orient. Kirche als Großgrundbesitzerin im Lande an. Im Herbst 1904
hatte der Freisinnige Verband – ein politischer Zusammenschluss von Ruthenen, Rumä-
nen und Juden des Kronlandes
– die Wahlen zum Landtag für sich und »gegen die kon-
servative Oligarchie der meist rumänischen Großgrundbesitzer« entscheiden können.317
Hinter der zurückhaltenden Aufteilung von Ackergrundstücken aus dem Besitz des
gr.-orient. Religionsfonds auf Bauern in der nördlichen, also ruthenisch dominierten
Bukowina, oder der so interpretierten, bevorzugten Subvention von rumänischen Ge-
nossenschaften durch ebendiese Institution verbargen sich etwa indes nicht nur soziale
Forderungen, sondern auch ganz offen die Frage nach den Zugriffsrechten auf den Fond
selbst.318 Wenige Monate später, Anfang Jänner 1905, löste ein gegen Onciul (Mitglied
der Freisinnigen) seitens des Konsistoriums beim Kultusministerium eingebrachter An-
trag um Einrichtung einer Disziplinarkommission319 in der Folge eine Interpellation der
Abgeordneten Pihuliak und N. v. Wassilko im Reichsrat aus, die eine Stellungnahme des
Erzbischofs verlangte. Die Aufstellung von Abgeordneten und Mitgliedern des Konsis-
toriums gestaltete sich aus dem Blickwinkel der Freisinnigen unverändert im Interesse
des Großgrundbesitzes bzw. der Kirchenhierarchie :
316 Czernowitzer Allgemeine Zeitung Nr. 298 v. 25.XII.1904, 1f., Erzbischof Dr. von Repta über den Kir-
chenstreit (Ein Interview).
317 Corbea-Hoişie 1996, Kohabitation, 81.
318 Czernowitzer Allgemeine Zeitung Nr. 1803 v. 19.I.1910, 1f., Bukowinaer Landtag. Die Aufteilung
der Ackergrundstücke des Religionsfondes ; Allgemeine österreichische Gerichtszeitung Nr. 49 v.
7.XII.1912, 534, Zusammenbrüche der Genossenschaften während der letzten Jahre ; Bukowinaer Post
Nr. 1739 v. 19.III.1905, 2, Der Geist des Konsistoriums in den ruthenischen Pfarren oder das fünf-
blättrige Unglück der Bukow. Ruthenen.
319 Der Auslöser dafür war ein Artikel Onciuls in der Voinţa Poporului [Volkswille], auf den hin die
Mitglieder des erzbischöflichen Konsistoriums mit einer Erklärung reagierten ; Czernowitzer All-
gemeine Zeitung Nr. 324 v. 25.I.1905, 5, Erklärung. Zeitgleich hatte Onciul im Jänner 1905 die pro-
grammatische Artikelserie Zur gr.-or. Kirchenfrage in der Bukowinaer Post veröffentlicht, auf die
sich Pihuliak und Wassilko in ihrer Interpellation ebenfalls, inhaltlich weitgehend damit überein-
stimmend, beziehen ; Anm. 107.
Open Access © 2020 by BÖHLAU VERLAG GMBH & CO.KG, WIEN
Der griechisch-orientalische Religionsfonds der Bukowina 1783–1949
Kontinuitäten und Brüche einer prägenden Institution des Josephinismus
- Titel
- Der griechisch-orientalische Religionsfonds der Bukowina 1783–1949
- Untertitel
- Kontinuitäten und Brüche einer prägenden Institution des Josephinismus
- Autor
- Kurt Scharr
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2020
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-20927-0
- Abmessungen
- 17.4 x 24.5 cm
- Seiten
- 447
- Kategorien
- Geschichte Historische Aufzeichnungen
Inhaltsverzeichnis
- Zum Geleit! 11
- Einleitung 13
- 1. Vorwort 13
- 2. Institutionen als Forschungsgegenstand: Analyse & Methodik 18
- 3. Aspekte des Josephinismus. Der katholische Religionsfonds 34
- 4. Gründung des griechisch-orientalischen Religionsfonds 43
- 5. Die wirtschaftliche Situation des Religionsfonds Mitte des 19
- 6. Nationsidee, Kirche & Religionsfonds 116
- 7. Die wirtschaftliche Situation des Religionsfonds bis 1914 215
- 8. Fondul Bisericesc Ortodox Român 1918–1948 246
- 9. Die wirtschaftliche Situation um 1938 289
- 10. Hebel strukturellen Wandels : Jakobeny – Dornawatra (1784–1949) 306
- 11. Zusammenfassungen 340
- I. Verzeichnis ungedruckter Quellen 371
- II. Abbildungsverzeichnis 377
- III. Abkürzungsverzeichnis 380
- IV. Literaturverzeichnis 381
- V. Personenregister 433
- VI. Synoptische Ortsnamenkonkordanz 439