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Die wirtschaftliche Situation des Religionsfonds bis 1914 237
Trotz allem wollte die Kritik am Fonds und seiner über Wien gesteuerten Wirtschafts-
politik nicht enden. In den auf die Interpellation von Stephanowicz folgenden Jahren
unterstrichen politische Vertreter der Bukowina in Wien die enorme Bedeutung der
Holzindustrie als »nahezu dem einzigen Industriezweig des Landes«. Man mahnte eine
stärkere Rücksichtnahme auf die bäuerliche Bevölkerung ein und damit wohl auch eine
bessere Einbindung des landeseigenen Großgrundbesitzes, auf dass die »bodenständige
Bukowinaer Holzindustrie gegenüber nichtbukowinaer Firmen nicht zurückgesetzt
werde«.78 In der an Wald traditionell armen, agrarisch geprägten nordöstlichen Buko-
wina, zwischen den Flüssen Pruth und Dnister, stellte sich hingegen ein ganz anderes
Problem, für dessen Lösung man ebenso den Fonds in der Pflicht sah. Das Brennholz
und dessen stete Teuerung – kurz als ›Holznot‹ bezeichnet – belastete viele ärmere Be-
wohner dieser Bezirke schwer. Obwohl die Abgeordneten wiederkehrend die Einrich-
tung von Holzdepots und den Verkauf in kleinen Mengen zu leistbaren Preisen durch
den Religionsfonds einforderten, blieb dieser Missstand bis Kriegsbeginn ungelöst.79
Ungeachtet dessen ist alles in allem gerade die Entwicklung der Forste, als dem
Standbein des Bukowiner gr.-orient. Religionsfonds, als ökonomische Erfolgsgeschichte
zu verbuchen. Wenngleich die mannigfachen Probleme des Kronlandes nur langsam
und in Ansätzen auf eine Lösung zusteuerten, so ist der Charakterisierung des Fonds in
dieser letzten Periode
– vor dem Ausbruch des Weltkrieges
– durch das Ackerbauminis-
terium weitgehend zuzustimmen, auch wenn diese nicht ganz frei von Eigenlob scheint :
In den meisten bis vor wenigen Jahren kaum zugänglich gewesenen großen Gebirgstälern er-
scholl der Pfiff der Waldbahnlokomotiven, die abgelegeneren Seitentäler wurden durch Stra-
ßen- und Wegbauten belegt, die unwegsamen Gebirgsreviere durch die Anlage eines Steignet-
zes dem täglichen Dienste erschlossen, und nun stellte sich mit einem Male eine Detailarbeit
und Regsamkeit ein, die den toten Koloß, als welcher früher die unwegsamen Gebirgsforste
galten, in allen seinen Gliedern zum Leben erweckten.80
78 Neues Wiener Tagblatt Nr. 175 v. 28.VI.1907, Die Holzwirtschaft in der Bukowina. Zum Vergleich :
von den im Jahr 1909 gezählten 128.000 Betrieben des Kronlandes mit 296.000 Beschäftigten waren
allein 109.000 land- und forstwirtschaftlicher Natur. Die 19.000 Gewerbebetriebe boten Arbeits-
plätze für 43.000 Personen ; Czernowitzer Tagblatt Nr. 2058 v. 25.XII.1909, 1, Das Industrieland Bu-
kowina. Die Bukowina wies 1910 immer noch fast 72% landwirtschaftliche Bevölkerung aus, nur
Galizien und Dalmatien hatten mit knapp 74% sowie 83% noch höhere Werte ; Sandgruber 1978,
Agrarstatistik, 222, Tab. 165.
79 Bukowinaer Post Nr. 2154 v. 26.XI.1907, 2, Gegen die Holzteuerung ; Nr. 2442 v. 3.X.1909, 1, Holznot ;
Nr. 2478 v. 25.XII.1909, 5, Winter ; Nr. 2894 v. 12.IX.1912, 4, Landespolitik ; Czernowitzer Allgemeine
Zeitung Nr. 2794 v. 16.I.1913, 4, Die Brennholzmisere.
80 Ackerbauministerium (Hg.) 1907, Jahrbuch, 228f.
Der griechisch-orientalische Religionsfonds der Bukowina 1783–1949
Kontinuitäten und Brüche einer prägenden Institution des Josephinismus
- Titel
- Der griechisch-orientalische Religionsfonds der Bukowina 1783–1949
- Untertitel
- Kontinuitäten und Brüche einer prägenden Institution des Josephinismus
- Autor
- Kurt Scharr
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2020
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-20927-0
- Abmessungen
- 17.4 x 24.5 cm
- Seiten
- 447
- Kategorien
- Geschichte Historische Aufzeichnungen
Inhaltsverzeichnis
- Zum Geleit! 11
- Einleitung 13
- 1. Vorwort 13
- 2. Institutionen als Forschungsgegenstand: Analyse & Methodik 18
- 3. Aspekte des Josephinismus. Der katholische Religionsfonds 34
- 4. Gründung des griechisch-orientalischen Religionsfonds 43
- 5. Die wirtschaftliche Situation des Religionsfonds Mitte des 19
- 6. Nationsidee, Kirche & Religionsfonds 116
- 7. Die wirtschaftliche Situation des Religionsfonds bis 1914 215
- 8. Fondul Bisericesc Ortodox Român 1918–1948 246
- 9. Die wirtschaftliche Situation um 1938 289
- 10. Hebel strukturellen Wandels : Jakobeny – Dornawatra (1784–1949) 306
- 11. Zusammenfassungen 340
- I. Verzeichnis ungedruckter Quellen 371
- II. Abbildungsverzeichnis 377
- III. Abkürzungsverzeichnis 380
- IV. Literaturverzeichnis 381
- V. Personenregister 433
- VI. Synoptische Ortsnamenkonkordanz 439