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Die wirtschaftliche Situation des Religionsfonds bis 1914 241
den hatten, dass vor einer Restitution zunächst die noch offenen Schulden des Fonds
in Österreich zu begleichen waren.94 Die vom Religionsfonds im Zuge der allgemeinen
patriotischen Begeisterung gezeichneten Kriegsanleihen mussten hingegen mehr oder
weniger vollständig abgeschrieben werden. Der Fonds hatte – mit Weisung bzw. Be-
willigung des Kultusministeriums – schon bei der ersten Kriegsanleihe im November
1914 einen Betrag von 972.000 Kronen investiert95, das wohl auch in der Hoffnung auf
eine baldige Entsetzung der Bukowina. Die Option sich andererseits dem öffentlichen
›Zwang‹ zu entziehen, war offensichtlich keine, und Fondsmittel wurden – nicht zum
ersten Mal – außerhalb ihres eigentlichen Widmung eingesetzt.96 Bis 1918 sollten noch
weitere Zeichnungen in Millionenhöhe folgen.97 Die Güterdirektion rechnete daher für
das Jahr 1919 mit einem schmerzlichen Defizit im Fondsbudget.98
Geradezu abenteuerlich schilderte der mit der Rückführung der Fondskassa beauf-
tragte Güterdirektor in seinem Abschlussbericht die Rückreise von Wien nach Czerno-
witz. Da die Bahnverwaltungen der Nachfolgestaaten Gepäckwaggons aus Österreich
zurückbehielten, sah sich die rumänische Kommission gezwungen, gleich einen ganzen
Schlafwaggon zu mieten, zumal pro Person nur 30 Kilogramm an Gepäck erlaubt waren
94 DACZ 319/2/117, fol. 4–110, Aktenkonvolut zur Restitutionsfrage der in Österreich während des
Krieges deponierten Finanzwerte des gr.-orient Religionsfonds der Bukowina. Die Mittelfreigabe er-
folgte über eine Entscheidung der Reparationskommission v. 22.VIII.1922, Zl. 2116 ; dazu Bundes-
gesetzblatt für die Republik Österreich v. 6.X.1921, 209. Stück, Verordnung des Bundesministeriums
für Finanzen Nr. 536 v. 4.X.1921.
95 DACZ 319/2/117, fol. 53, Ministerium für Kultus und Unterricht an Landespräsidium Bukowina v.
6.V.1915.
96 Das Bukarester Blatt Universul schrieb 1914, das in Wien befindliche Vermögen des Religionsfonds
sei auf Weisung der Behörden für den Kauf von Kriegsanleihen verwendet worden. Die in Wien er-
scheinende Zeit v. 16.XII.1914 wies das zurück und antwortete : »Das ist ganz freiwillig in Ausübung
der patriotischen Gesinnung der Orthodoxie in der Bukowina geschehen« ; nach ÖSTA-HHSTA,
Zeitungsarchiv Karton 161, k.k. Ministerium des Äußeren. 1919 berichtete das Czernowitzer Mor-
genblatt, dass »während des Krieges die österreichische Regierung willkürlich jede Prärogative des
Konsistoriums ausgeschaltet« hätte, »um den Religionsfond zu einer Kriegsanleihezeichnung in der
Höhe von 130 Millionen heranzuziehen« ; Nr. 244 v. 20.II.1919, Titelseite, Der Bukowiner griechisch-
orientalische Religionsfond. Von Professor Dr. Kotlarczuk.
97 Nachweisbar sind zumindest Ankäufe der IV., V. und VI. Kriegsanleihe mit jeweils 15, 9 und 11,7
Millionen Kronen sowie der VII. und VIII. (ohne Beträge) durch den Religionsfond ; ÖSTA-AVA,
Neuer Kultus akath. gr.-or. K 22, österreichisches Staatsamt für Inneres und Unterricht (Kultusamt)
Zl. 443, 1920, Österreichisch-Ungarische Bank, fällige Kriegsanleihe per 25.V.1919 ; Kultusamt Nr.
19540 v. 12.IX.1919, Österreichische Länderbank an Kultusamt, Kriegsanleihen des gr.-orient Reli-
gionsfonds. Prager Tagblatt Nr. 349 v. 17.XII.1916, 7, Die Millionen-Zeichner.
98 DACZ 6/1/242, Direcţia Generală a bunurilor fondului religionar ort.-or. din Bucovina an Ministrul
delegat (I. Nistor) v. 18.XI.1919.
Der griechisch-orientalische Religionsfonds der Bukowina 1783–1949
Kontinuitäten und Brüche einer prägenden Institution des Josephinismus
- Titel
- Der griechisch-orientalische Religionsfonds der Bukowina 1783–1949
- Untertitel
- Kontinuitäten und Brüche einer prägenden Institution des Josephinismus
- Autor
- Kurt Scharr
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2020
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-20927-0
- Abmessungen
- 17.4 x 24.5 cm
- Seiten
- 447
- Kategorien
- Geschichte Historische Aufzeichnungen
Inhaltsverzeichnis
- Zum Geleit! 11
- Einleitung 13
- 1. Vorwort 13
- 2. Institutionen als Forschungsgegenstand: Analyse & Methodik 18
- 3. Aspekte des Josephinismus. Der katholische Religionsfonds 34
- 4. Gründung des griechisch-orientalischen Religionsfonds 43
- 5. Die wirtschaftliche Situation des Religionsfonds Mitte des 19
- 6. Nationsidee, Kirche & Religionsfonds 116
- 7. Die wirtschaftliche Situation des Religionsfonds bis 1914 215
- 8. Fondul Bisericesc Ortodox Român 1918–1948 246
- 9. Die wirtschaftliche Situation um 1938 289
- 10. Hebel strukturellen Wandels : Jakobeny – Dornawatra (1784–1949) 306
- 11. Zusammenfassungen 340
- I. Verzeichnis ungedruckter Quellen 371
- II. Abbildungsverzeichnis 377
- III. Abkürzungsverzeichnis 380
- IV. Literaturverzeichnis 381
- V. Personenregister 433
- VI. Synoptische Ortsnamenkonkordanz 439