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264 Die Institution: Struktur & Werte
ken, dass der Fonds weiterhin ausschließlich der Bukowina zugutekomme, daher auch
der entscheidende Annex bei dessen Umbenennung : ein rumänisch-orthodoxer Kir-
chenfonds (Fondul bisericesc ortodox român) jedoch al Bucovinei.65
Für diese Konstruktion praktisch entscheidend jedoch war die damit möglich ge-
wordene Entsendung einflussreicher und für konkrete Beschlussfassungen letztlich
ausschlaggebender Persönlichkeiten (vor allem von Laien) durch Bukarest und die re-
gierenden Parteien sowie ihr erst dadurch gesicherter, dauerhaft politischer Einfluss auf
die Kirchengremien.
Insgesamt erlangte die rumänisch orthodoxe Kirche während der Zwischenkriegszeit
formal zwar ein Mehr an Autonomie, diese wurde allerdings durch führende Politiker
und ihre Parteien über Interventionen von vornherein entschieden ausgehöhlt.66 Die
mehrfachen Querverbindungen zwischen Nistor als zuständigem und mit weitgehenden
Rechten ausgestatteten Regionsminister wie auch als Politiker (mit eigener Partei und
Zeitungen) zu Bukarester Regierungskreisen einerseits, sowie die Absicht eines gezielt
vorbereiteten Kontrollzugriffes auf die Mittel des Bukowiner Religionsfonds anderer-
seits, lassen sich in der personellen Besetzungen der Kirchengremien mitunter deutlich
erkennen. So leitete Vasile Marcu etwa am Beginn der 1920er Jahre die Filiale der ru-
mänischen Nationalbank in Czernowitz und fungierte zeitgleich als Regierungsemissär
im Religionsfonds.67 Die Familie Brătianu wiederum stellte nicht nur während dieser
Periode mehrfach den Ministerpräsidenten des Königreiches, sondern war darüber hin-
aus an der Nationalbank mit erheblichen Kapitaleinlagen beteiligt. Überdies traten, ver-
ursacht durch die häufigen Wechsel in Regierung und Parlament, zahlreiche Gesetze per
Verordnung in Kraft, ohne irgendeine parlamentarische Kontrolle durchlaufen zu haben.
Der greise und mit der Gesamtsituation des Wandels sichtlich überforderte Metro-
polit Repta konnte dieser Entwicklung nichts entgegensetzen. Zudem hatte der Erzbi-
schof zu offensichtlich für Flondor Partei ergriffen und sich damit wohl den Missmut
Nistors zugezogen.68 Das Fondsvermögen geriet in Folge zum Spielball der Politik, re-
präsentiert vor allem in der Person Nistors. Anfang des Jahres 1924 zog sich Wladimir
von Repta von den Amtsgeschäften der Metropolie zurück.69 Zwischenzeitlich führte
65 Glasul Bucovinei Nr. 1804 v. 11.IV.1925, Titelseite, Noua lege a fondului bisericesc ; Nr. 1839 v.
30.V.1925, Titelseite, Fondul bisericesc [Vasile Grecu].
66 Mihai ²2014, Biserica, 61 u. 70 ; Maner 2001, Voraussetzungen, 448.
67 Hausleitner 2001, Rumänisierung, 144.
68 Valenciuc 2010, Fondul, 61f.; Valenciuc bezieht sich auf ein Zirkular Reptas, das im Foaia Oficială
(Nr. 9 v. 24.XII.1918/6.I.1919, 42) veröffentlicht worden war und den auf die Metropolie beschränk-
ten Verwendungszweck des Religionsfondsvermögens besonders hervorhob.
69 Trotz der gesundheitlichen Angeschlagenheit von Repta äußerte sich im ›langen‹ Rücktritt des Erz-
bischofs offenbar eine schwelende Rivalität zu Minister Nistor. Einige Kreise protestierten gegen
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Der griechisch-orientalische Religionsfonds der Bukowina 1783–1949
Kontinuitäten und Brüche einer prägenden Institution des Josephinismus
- Titel
- Der griechisch-orientalische Religionsfonds der Bukowina 1783–1949
- Untertitel
- Kontinuitäten und Brüche einer prägenden Institution des Josephinismus
- Autor
- Kurt Scharr
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2020
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-20927-0
- Abmessungen
- 17.4 x 24.5 cm
- Seiten
- 447
- Kategorien
- Geschichte Historische Aufzeichnungen
Inhaltsverzeichnis
- Zum Geleit! 11
- Einleitung 13
- 1. Vorwort 13
- 2. Institutionen als Forschungsgegenstand: Analyse & Methodik 18
- 3. Aspekte des Josephinismus. Der katholische Religionsfonds 34
- 4. Gründung des griechisch-orientalischen Religionsfonds 43
- 5. Die wirtschaftliche Situation des Religionsfonds Mitte des 19
- 6. Nationsidee, Kirche & Religionsfonds 116
- 7. Die wirtschaftliche Situation des Religionsfonds bis 1914 215
- 8. Fondul Bisericesc Ortodox Român 1918–1948 246
- 9. Die wirtschaftliche Situation um 1938 289
- 10. Hebel strukturellen Wandels : Jakobeny – Dornawatra (1784–1949) 306
- 11. Zusammenfassungen 340
- I. Verzeichnis ungedruckter Quellen 371
- II. Abbildungsverzeichnis 377
- III. Abkürzungsverzeichnis 380
- IV. Literaturverzeichnis 381
- V. Personenregister 433
- VI. Synoptische Ortsnamenkonkordanz 439