Seite - 345 - in Der griechisch-orientalische Religionsfonds der Bukowina 1783–1949 - Kontinuitäten und Brüche einer prägenden Institution des Josephinismus
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Zusammenfassungen 345
Der Fonds als bedeutendster Grundbesitzer der Bukowina bot für den Staat ebenso in
sozialer Hinsicht Möglichkeiten, gegenüber privaten Gutsbesitzern ansonsten nur gegen
großen Widerstand durchzudrückende Reformen umzusetzen oder über den Fonds zu-
mindest hinreichend Druck für Veränderungen aufzubauen. Im konkreten Fall begüns-
tigte diese Politik Wiens mittels Hebelwirkung des Fonds die Stärkung der seit 1849 in
Österreich bestehenden politischen Gemeinden gegenüber den herrschaftlichen Guts-
gebieten. Zudem hatte der Religionsfonds der Bukowina 1875 für die Verbesserung der
inneren Organisationsstruktur eine eigene Güterdirektion erhalten, die mithin
– neben
staatlichen Stellen, Bischof und Konsistorium – ein weiteres Entscheidungsgremium
stellte. Mit den nachfolgenden sukzessiven Anpassungen entstand daraus eine stabile
und vergleichsweise effiziente Verwaltungsstruktur, welche die bis 1914 beachtliche öko-
nomische Entwicklung von Fonds und Kronland maßgeblich beförderte.
Die von der Institution Religionsfonds erwirtschafteten Ressourcen wusste der Staat
geschickt in Bauprojekte zu investieren. Sie kamen sowohl der gr.-orient. Kirche zugute,
entlasteten aber ebenso Landes- wie Zentralbudget, letztere zum Teil erheblich. Der Bau
der Kathedrale, der Metropolitanresidenz, der Güterverwaltung und die Einrichtung der
Franz-Josephs-Universität in Czernowitz etwa sind nur einige besonders repräsentative
Beispiele für diese Wirtschafts- und Strukturpolitik über und mit dem Fonds. Gerade
auf dem wirtschaftlichen Feld, mehr noch als auf dem politischen, zeigte sich dabei die
enge Verflechtung von Religionsfonds und Bildungslandschaft des Kronlandes. Diese
reichte von den Volksschulen bis hin zur Universität.
Nach 1918 war im Allgemeinen die Wirtschaftssituation des rumänischen Königrei-
ches zunächst durchaus von Reformwillen gekennzeichnet, allerdings konnten viele der
Vorhaben nicht auch nur in annähernd geplanter Weise verwirklicht werden. So zog sich
etwa der komplizierte Prozess der Agrarreform bis in den Zweiten Weltkrieg. Die Buko-
wina war
– sowie generell die Neoacquisita des Königreiches
– von diesen Maßnahmen
verhältnismäßig stärker als das Altreich betroffen. Das lässt sich nicht zuletzt durch die
strukturell günstigere Disposition der Bukowina – etwa dem Vorhandensein von Kata-
stern und Grundbüchern, aber eben auch dem Religionsfonds
– erklären. Gerade dieser
Befund traf in besonderem Maße auf die Fondsgüter zu und vergleichsweise weniger auf
jene Güter anderer Großgrundbesitzer der Bukowina. Dennoch, selbst hier sollten die
vom Staat gesetzten Ziele der Landumverteilung am Ende nicht erreicht werden.
Ähnlich wie vor 1918 bediente sich der Staat, nunmehr in Gestalt der Bukarester
Regierung, der wirtschaftlichen Steuerungsmöglichkeiten des Fonds für die Region
und – das war neu – auch darüber hinaus. Dieses Bild lässt sich an anderer Stelle, bei-
spielsweise am Bau des neuen rumänischen Kulturpalastes in Czernowitz, bestätigen. In
anderer Hinsicht zeigt sich ebenso ein Kontinuitätsstrang. Staatliche Ansätze zur Agrar-
reform, ob nun vor dem Wendejahr 1918 oder danach, mussten stets mit einer Reaktion
Der griechisch-orientalische Religionsfonds der Bukowina 1783–1949
Kontinuitäten und Brüche einer prägenden Institution des Josephinismus
- Titel
- Der griechisch-orientalische Religionsfonds der Bukowina 1783–1949
- Untertitel
- Kontinuitäten und Brüche einer prägenden Institution des Josephinismus
- Autor
- Kurt Scharr
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2020
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-20927-0
- Abmessungen
- 17.4 x 24.5 cm
- Seiten
- 447
- Kategorien
- Geschichte Historische Aufzeichnungen
Inhaltsverzeichnis
- Zum Geleit! 11
- Einleitung 13
- 1. Vorwort 13
- 2. Institutionen als Forschungsgegenstand: Analyse & Methodik 18
- 3. Aspekte des Josephinismus. Der katholische Religionsfonds 34
- 4. Gründung des griechisch-orientalischen Religionsfonds 43
- 5. Die wirtschaftliche Situation des Religionsfonds Mitte des 19
- 6. Nationsidee, Kirche & Religionsfonds 116
- 7. Die wirtschaftliche Situation des Religionsfonds bis 1914 215
- 8. Fondul Bisericesc Ortodox Român 1918–1948 246
- 9. Die wirtschaftliche Situation um 1938 289
- 10. Hebel strukturellen Wandels : Jakobeny – Dornawatra (1784–1949) 306
- 11. Zusammenfassungen 340
- I. Verzeichnis ungedruckter Quellen 371
- II. Abbildungsverzeichnis 377
- III. Abkürzungsverzeichnis 380
- IV. Literaturverzeichnis 381
- V. Personenregister 433
- VI. Synoptische Ortsnamenkonkordanz 439