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Geschichte
Nach 1918
Zwischen geistiger Erneuerung und Restauration - US-amerikanische Planungen zur Entnazifizierung und demokratischen Reorientierung und die Nachkriegsrealität österreichischer Wissenschaft 1941-1955
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1. Images , Stereotype und Vorurteile 40 Beobachter / Innen wie zum Beispiel der österreichischen Weltreisenden Ida Pfeiffer88 oder Alexander von Humboldt auslösten.89 Dessen ungeachtet präsentierten insbesondere liberale Autoren wie Alexander Mackay die USA und ihre Verfassung , die amerikanischen Schwurgerichte , das demokratische Parteienwesen , das Erziehungssystem und das politische Leben im Allgemeinen als vor- bildhaft.90 Drei Jahrzehnte später übten sich europäische  – hier vor allem deutsche91  – Autoren nicht mehr bloß in distanzierter Kulturkritik , sondern warnten angesichts der zunehmen- den Macht Amerikas bereits vor ernsten Gefahren für das Geistesleben Europas. So sprach der Physiologe Emil Du Bois-Reymond 1877 offen Ängste gegenüber der „Maschinenzi- vilisation“ aus , indem er „die gefürchtete Überwucherung und Durchdringung der euro- päischen Kultur mit Realismus und das reißend wachsende Übergewicht der Technik als Amerikanisierung“92 thematisierte. 88 Die weithin bekannte österreichische Reiseschriftstellerin Ida Pfeiffer ( 1797–1858 ) hatte Amerika in den Jahren 1853–1854 von San Franscisco ausgehend besucht , und dabei  – neben so manchen sozialen Miss- ständen  – insbesondere die Sklaverei als „größten Schandfleck der Menschheit“ bezeichnet. Vgl. Primus- Heinz Kucher , „… dass die Vereinigten Staaten bisher einzig in der Welt dastehen. Ida Pfeiffers Reisebericht über Amerika. In : Ritter ( Hrsg. ), Amerika im europäischen Roman um 1850. Varianten transatlantischer Erfahrungen , a. a. O., 257. 89 Der Humanist und Aufklärer Alexander von Humboldt hatte sich bereits im Zusammenhang seiner Ex- pedition 1799–1804 in die „Neue Welt“ ausdrücklich gegen jede Form von Sklaverei ausgesprochen. Als der amerikanische Verleger John Sidney Thrasher 1854 Humboldts Schrift „The Island of Cuba“ veröffent- lichte , protestierte dieser lautstark dagegen , dass in der englischen Übersetzung seine kritischen Aussagen zur dortigen Sklaverei einfach weggelassen worden waren. In einem Interview mit der New York Evening Post übte der 85-jährige Humboldt harsche Kritik am amerikanischen Festhalten an der Sklaverei : „You have gone backward , very far backward in every respect. [ … ] In Europe you will also find bad things. But I tell you , you will not find anything half as bad as your system of slavery , and I know what slavery is like in your country.“ Zit. nach : Mischa Honeck , We are the Revolutionists. German-speaking Immigrants and American Abolitionists after 1848 , Athens / Georgia 2011 , 26. 90 Alexander Mackay , Western World , London 1849. 91 Ähnlich wie in Italien waren  – aufgrund der großen Zahl familiärer Kontakte zu Auswandererfamilien  – die antiamerikanischen Stereotype und Vorurteile ursprünglich wohl auch in Frankreich etwas weniger scharf ausgeprägt ; insbesondere in der künstlerisch-literarischen Intelligenz , die die amerikanische Kunst ( „le style américain“ ) europäisierten. Vgl. Philippe Soupalt , The American Influence in France , Seattle 1930 , 30 ff. Dessen ungeachtet existierte auch in Frankreich unter Kommunisten , aber besonders unter der politischen Rechten spätestens in den 1920er-Jahren ein ausgeprägter Antiamerikanismus , da man Ame- rika als Gefahr für die grande nation ansah. Vgl. Richard F. Kuisel , Seducing the French : The Dilemma of Americanization , Berkeley 1993 , 11 ff. ; David Strauss , The Rise of Anti-Americanism in France. French Intellectuals and the American Film Industry , 1927–1932. In : Journal of Popular Culture , 10 , 1977 , 4 , 752 ff. 92 Emil Du Bois-Reymond , Kulturgeschichte und Naturwissenschaft. Rede , 1877. Zit. nach : Basler , a. a. O., 144 ; Vgl. Wagnleitner , Coca-Colonisation , a. a. O., 34. Vgl. Estelle Du Bois-Reymond ( Hrsg. ), Reden von Emil Bois-Reymond , Leipzig 1912 , 541–566.
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Zwischen geistiger Erneuerung und Restauration US-amerikanische Planungen zur Entnazifizierung und demokratischen Reorientierung und die Nachkriegsrealität österreichischer Wissenschaft 1941-1955
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
Title
Zwischen geistiger Erneuerung und Restauration
Subtitle
US-amerikanische Planungen zur Entnazifizierung und demokratischen Reorientierung und die Nachkriegsrealität österreichischer Wissenschaft 1941-1955
Author
Christian H. Stifter
Publisher
Böhlau Verlag
Location
Wien
Date
2014
Language
German
License
CC BY-NC-ND 3.0
Size
17.0 x 24.0 cm
Pages
762
Keywords
US-Reorientierung, Amerika, USA, Besatzungszeit, Demokratisierung, Amerikanisierung, Entnazifizierung, Kalter Krieg, Österreich, Universität, Wissenschaft, Wien
Categories
Geschichte Nach 1918

Table of contents

  1. Vorbemerkung 11
  2. Einleitung 15
  3. 1. Images , Stereotype und Vorurteile – Herkunft und Veränderung der kulturellen Geringschätzung der USA in Europa seit dem 18. Jahrhundert 31
    1. Das Bild Amerikas aus europäischer Sicht bis Anfang der 1930er-Jahre 33
    2. Spiegelung : Anmerkungen zum Bild Deutschlands und Österreichs aus US-amerikanischer Sicht 66
    3. NS-Feindbild Amerika : Antiamerikanismus als Kampf gegen „Niggerkultur“, „Judenstaat“ und „westliche Demokratie“ 82
  4. 2. „ Education for Victory“ – US-Demokratisierungs-Konzepte und die zivilen Reeducation-Planungen für ein post-totalitäres Europa , 1941–1945 97
    1. „Education in Wartime“ – Nationalsozialismus als Fundamentalbedrohung der US-amerikanischen Zivilgesellschaft 99
    2. „Our Country’s Call to Service“ – konkrete Auswirkungen des Verteidigungs- und Abwehr-Diskurses 107
    3. Binnenamerikanische Reeducation : Stärkung nationaler Moral , Militarisierung des Bildungswesens und Bildungsreform 108
    4. Educational Reconstruction – Überlegungen und Konzepte 1942–1943 / 44 zur Demokratisierung nach Kriegsende 138
    5. „What to do with the mentally ill Germans ?“ Ursprünge , Entwicklung und Veränderungen der zivilen Reeducation-Konzepte , 1940–1944 157
    6. Exkurs : die österreichische Emigration in den USA – ein kultur- und bildungspolitisch folgenloses Kapitel für die Nachkriegsplanungen 175
    7. Spätphase der zivilgesellschaftlichen Überlegungen und Konzepte zur Reeducation und Reorientation 1943 / 44–1945 – langfristige Reorientierung als Paradigma 201
    8. Missing Link : Fehlende Umsetzung der Reorientierungs-Konzepte in die militärischen Planungen , 1943–1945 210
    9. „Takeover“ durch die U.S. Army : Wirrwarr und Kompetenzgerangel – Ausdünnung der Reorientation auf ‚unpolitische‘ Säuberungsmaßnahmen 210
    10. Randnotiz zu einem fehlgeschlagenen Experiment der US-Armee – POW-Camps zur Reeducation 228
    11. Zur Rolle Österreichs in der Reeducation-Planung der US-Militärstäbe 1943 / 44–1945 239
    12. Österreich – ein unklarer Planungsfaktor alliierter Politik bis 1944 / 45 239
    13. Militärisch-gremiale Detailplanung für Österreich – Administrationsunterlagen ohne Reorientation als Ergebnis 248
  5. 3. Beginn der US-Reorientierung nach 1945 – die Education Division als zentrale US-Militärbehörde 265
  6. 4. „ The democratic way of life in Austria“ – erste Umsetzungsphase bis zum Nationalsozialistengesetz 1947 : Zwischen Laissez Faire , strenger Observation und milder Beurteilung 277
    1. Kooperation statt Intervention und die Folgen für die Entnazifizierung im Bildungsbereich : das Fallbeispiel Universität 277
    2. Ausgangslage : Perspektive nötiger ‚Säuberungsmaßnahmen‘ 277
    3. Bestimmungen zur Entnazifizierung in US-Planungsdirektiven 288
    4. Die Ausgangssituation an den Universitäten im Frühjahr 1945 292
    5. Personalsäuberungen durch „Sonderkommissionen“ und deren Senate 318
    6. Entnazifizierung am Beispiel der Universität Wien 346
    7. Rückkehr unerwünscht ? – Maßnahmen zur Rückholung österreichischer WissenschafterInnen aus der Emigration 365
    8. Fallbeispiel : Ernst Karl Winter ( 1895–1959 ) 373
    9. Fallbeispiel : Hans Kelsen ( 1881–1973 ) 393
    10. Fallbeispiel : Felix Ehrenhaft ( 1879–1952 ) 404
    11. Wissenschaftspolitische Restauration und amerikanisch- österreichische Beziehungen. Ein Zwischenresümee 410
    12. Rahmenrichtlinien und Entnazifizierung der Studentenschaft an Österreichs Universitäten 427
    13. ÖH-Wahlen November 1946 : erste Großdemonstration gegen „nazistische Umtriebe“ in der Zweiten Republik und die Folgen 448
    14. Auswirkungen der Hochschulkrawalle : Turbulenzen im Alliierten Rat , Re-Screening der Studierenden und Lehrkräfte 477
    15. Turnaround in der Entnazifizierungspolitik – Kontroverse zwischen State Department und War Department 502
  7. 5. US-Reorientierungs-Planungen im Frühen Kalten Krieg : Zwischen Popularisierung des „American Way of Life“ und Psychologischer Kriegsführung , 1947–1950 517
    1. Longe Range Policy 1946 / 47 – Paradigmenwechsel : langfristige zivile Reorientierungs-Konzepte anstelle militärischer Kontrolle 517
    2. Elitenbildung über „Austauschprogramme“: zentrales Element der besatzungspolitisch auf gewer teten US-Reorientierung ab 1947 / 48 548
    3. Die ideologische Überformung der US-Reorientierung durch Propagandakampagnen des Kalten Krieges 562
    4. Cultural Exchange – Rahmenbedingungen der US-Kulturoffensive 562
    5. Reorientierung und psychologische Kriegsführung : „War of ideas“ – „Campaign of Truth“ – „Struggle for Minds“ 573
  8. 6. Endphase der Besatzung : Akademische Austauschprogramme und ihre Umsetzung in Österreich , 1950–1955 595
    1. Beginn der „U.S. Exchange“-Programme – Seltsamkeiten und Pannen 595
    2. Kurzer Exkurs : das Salzburg-Seminar – akademische Freiheit mit Hindernissen 609
    3. Umstrukturierung und Expansion : neuer Anlauf unter Supervision des U.S. Department of State 616
    4. Übernahme durch das State Department – Instrumentalisierung des „Exchange-Program“ als Teil der psychologischen Kriegsführung gegen die Sowjetunion 625
    5. ‚Phasing out‘ – zivile Verwaltung und Beginn der Normalisierung 638
    6. Schlussbemerkung 655
    7. Quellenverzeichnis 665
    8. Literaturverzeichnis 673
    9. Verzeichnis der Abkürzungen 735
    10. Personenverzeichnis 741
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