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2. „Education for Victory“
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nation. The clear fact of German military defeat and the inevitable consequences of aggression
must be appreciated by all levels of German population. The German people must be made to
understand that all necessary steps will be taken to guarantee against a third attempt by them
to conquer the world. Your aim is not oppression , but to prevent Germany from ever again becoming
a threat to the peace of the world.”922 [ Hervorhebung d. Verf. ]
Dass die JCS-Direktive nach öffentlichem Bekanntwerden – „somebody down the line
has handed this out to press“923 ( Roosevelt ) – offenbar auf vehementen Widerstand des
State Departments stieß , lässt sich an einem unmittelbar folgenden „privaten“ Memoran-
dum Präsident Roosevelts an den Secretary of State , Cordell Hull , ablesen. Darin teilte
Roosevelt diesem unmissverständlich mit , dass es keinen guten Eindruck machen würde ,
sollte das State Department querschießen und sich der britischen oder russischen Kritik
an der projektierten Deutschlandpolitik anschließen. Außerdem , so Roosevelts Versuch zu
beschwichtigen , beabsichtige er keineswegs , wie in der Presse verlautet , „to make Germany
a wholly agricultural nation again“.924
Obwohl die Planungsdirektive JCS 1067 nach der Weiterleitung an die aus den drei
Alliierten Mächten zusammengesetzte „European Advisory Commission“ ( EAC ) und
den Einwänden der alliierten Verbündeten im April 1945 in modifizierter Form ange-
nommen wurde , war das Dokument doch
– insbesondere in ökonomischer Hinsicht925
–
dezidiert als „moralische Lektion“926 angelegt. Der gesamte Bereich der „Erziehung“
wurde darin lediglich in einem Paragraphen angesprochen , wobei die Kontrolle des
Schulwesens im Vordergrund stand. Immerhin findet sich aber unter Punkt ( b ) in ei-
nem Satz eine vage „affirmative“ Reorientierungs-Perspektive angesprochen , die klar die
Handschrift des State Departments trug : „A coordinated system of control over German
education and an affirmative program of reorientation will be established designed com-
922 FRUS , Diplomatic Papers. The Conference of Malta and Yalta 1945 , Washington D.C. 1955. Directive
to SCAEF Regarding the Military Government of Germany in the Period Immediately Following the
Cessation of Organized Resistance ( Post Defeat ), Washington D.C., 22. September 1944 , 143.
923 FRUS , Diplomatic Papers. The Conference of Malta and Yalta 1945 , Washington D.C. 1955. The Presi-
dent to the Secretary of State , F[ ranklin ] D. R[ oosevelt ]. Private. Memorandum for the Secretary of State ,
29. September 1944 , 155.
924 Ebd.
925 So warnte U. S. Secretary of State Edward R. Stettinius in einem Memorandum im November 1944 dies-
bezüglich : „We can’t make Germany so week that it will be impossible for her to recover. A look at Russia
in 1920 and in 1940 demonstrates how quickly industrial strength can be built up if a country is left alone
‚to stew in its own juice‘. [ … ] if the security organization is prepared to use force to prevent rearmament ,
we don’t have to cut deep into the German economy [ … ]“. Memorandum by the Acting Secretary of State ,
E. R. Stettinius [ Washington D.C. ] , 22. November 1944 , „Summary of Department’s View on Economic
Treatment of Germany“. FRUS , 1944 , Vol. I. General , a. a. O., 412.
926 Vgl. Anne Armstrong , Unconditional surrender. The impact of the Casablanca policy upon World War II ,
New Brunswick / N. J. 1961 , 80 f.
Zwischen geistiger Erneuerung und Restauration
US-amerikanische Planungen zur Entnazifizierung und demokratischen Reorientierung und die Nachkriegsrealität österreichischer Wissenschaft 1941-1955
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Title
- Zwischen geistiger Erneuerung und Restauration
- Subtitle
- US-amerikanische Planungen zur Entnazifizierung und demokratischen Reorientierung und die Nachkriegsrealität österreichischer Wissenschaft 1941-1955
- Author
- Christian H. Stifter
- Publisher
- Böhlau Verlag
- Location
- Wien
- Date
- 2014
- Language
- German
- License
- CC BY-NC-ND 3.0
- Size
- 17.0 x 24.0 cm
- Pages
- 762
- Keywords
- US-Reorientierung, Amerika, USA, Besatzungszeit, Demokratisierung, Amerikanisierung, Entnazifizierung, Kalter Krieg, Österreich, Universität, Wissenschaft, Wien
- Categories
- Geschichte Nach 1918
Table of contents
- Vorbemerkung 11
- Einleitung 15
- 1. Images , Stereotype und Vorurteile – Herkunft und Veränderung der kulturellen Geringschätzung der USA in Europa seit dem 18. Jahrhundert 31
- 2. „ Education for Victory“ – US-Demokratisierungs-Konzepte und die zivilen Reeducation-Planungen für ein post-totalitäres Europa , 1941–1945 97
- „Education in Wartime“ – Nationalsozialismus als Fundamentalbedrohung der US-amerikanischen Zivilgesellschaft 99
- „Our Country’s Call to Service“ – konkrete Auswirkungen des Verteidigungs- und Abwehr-Diskurses 107
- Binnenamerikanische Reeducation : Stärkung nationaler Moral , Militarisierung des Bildungswesens und Bildungsreform 108
- Educational Reconstruction – Überlegungen und Konzepte 1942–1943 / 44 zur Demokratisierung nach Kriegsende 138
- „What to do with the mentally ill Germans ?“ Ursprünge , Entwicklung und Veränderungen der zivilen Reeducation-Konzepte , 1940–1944 157
- Exkurs : die österreichische Emigration in den USA – ein kultur- und bildungspolitisch folgenloses Kapitel für die Nachkriegsplanungen 175
- Spätphase der zivilgesellschaftlichen Überlegungen und Konzepte zur Reeducation und Reorientation 1943 / 44–1945 – langfristige Reorientierung als Paradigma 201
- Missing Link : Fehlende Umsetzung der Reorientierungs-Konzepte in die militärischen Planungen , 1943–1945 210
- „Takeover“ durch die U.S. Army : Wirrwarr und Kompetenzgerangel – Ausdünnung der Reorientation auf ‚unpolitische‘ Säuberungsmaßnahmen 210
- Randnotiz zu einem fehlgeschlagenen Experiment der US-Armee – POW-Camps zur Reeducation 228
- Zur Rolle Österreichs in der Reeducation-Planung der US-Militärstäbe 1943 / 44–1945 239
- Österreich – ein unklarer Planungsfaktor alliierter Politik bis 1944 / 45 239
- Militärisch-gremiale Detailplanung für Österreich – Administrationsunterlagen ohne Reorientation als Ergebnis 248
- 3. Beginn der US-Reorientierung nach 1945 – die Education Division als zentrale US-Militärbehörde 265
- 4. „ The democratic way of life in Austria“ – erste Umsetzungsphase bis zum Nationalsozialistengesetz 1947 : Zwischen Laissez Faire , strenger Observation und milder Beurteilung 277
- Kooperation statt Intervention und die Folgen für die Entnazifizierung im Bildungsbereich : das Fallbeispiel Universität 277
- Ausgangslage : Perspektive nötiger ‚Säuberungsmaßnahmen‘ 277
- Bestimmungen zur Entnazifizierung in US-Planungsdirektiven 288
- Die Ausgangssituation an den Universitäten im Frühjahr 1945 292
- Personalsäuberungen durch „Sonderkommissionen“ und deren Senate 318
- Entnazifizierung am Beispiel der Universität Wien 346
- Rückkehr unerwünscht ? – Maßnahmen zur Rückholung österreichischer WissenschafterInnen aus der Emigration 365
- Fallbeispiel : Ernst Karl Winter ( 1895–1959 ) 373
- Fallbeispiel : Hans Kelsen ( 1881–1973 ) 393
- Fallbeispiel : Felix Ehrenhaft ( 1879–1952 ) 404
- Wissenschaftspolitische Restauration und amerikanisch- österreichische Beziehungen. Ein Zwischenresümee 410
- Rahmenrichtlinien und Entnazifizierung der Studentenschaft an Österreichs Universitäten 427
- ÖH-Wahlen November 1946 : erste Großdemonstration gegen „nazistische Umtriebe“ in der Zweiten Republik und die Folgen 448
- Auswirkungen der Hochschulkrawalle : Turbulenzen im Alliierten Rat , Re-Screening der Studierenden und Lehrkräfte 477
- Turnaround in der Entnazifizierungspolitik – Kontroverse zwischen State Department und War Department 502
- 5. US-Reorientierungs-Planungen im Frühen Kalten Krieg : Zwischen Popularisierung des „American Way of Life“ und Psychologischer Kriegsführung , 1947–1950 517
- Longe Range Policy 1946 / 47 – Paradigmenwechsel : langfristige zivile Reorientierungs-Konzepte anstelle militärischer Kontrolle 517
- Elitenbildung über „Austauschprogramme“: zentrales Element der besatzungspolitisch auf gewer teten US-Reorientierung ab 1947 / 48 548
- Die ideologische Überformung der US-Reorientierung durch Propagandakampagnen des Kalten Krieges 562
- Cultural Exchange – Rahmenbedingungen der US-Kulturoffensive 562
- Reorientierung und psychologische Kriegsführung : „War of ideas“ – „Campaign of Truth“ – „Struggle for Minds“ 573
- 6. Endphase der Besatzung : Akademische Austauschprogramme und ihre Umsetzung in Österreich , 1950–1955 595
- Beginn der „U.S. Exchange“-Programme – Seltsamkeiten und Pannen 595
- Kurzer Exkurs : das Salzburg-Seminar – akademische Freiheit mit Hindernissen 609
- Umstrukturierung und Expansion : neuer Anlauf unter Supervision des U.S. Department of State 616
- Übernahme durch das State Department – Instrumentalisierung des „Exchange-Program“ als Teil der psychologischen Kriegsführung gegen die Sowjetunion 625
- ‚Phasing out‘ – zivile Verwaltung und Beginn der Normalisierung 638
- Schlussbemerkung 655
- Quellenverzeichnis 665
- Literaturverzeichnis 673
- Verzeichnis der Abkürzungen 735
- Personenverzeichnis 741