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Geschichte
Nach 1918
Zwischen geistiger Erneuerung und Restauration - US-amerikanische Planungen zur Entnazifizierung und demokratischen Reorientierung und die Nachkriegsrealität österreichischer Wissenschaft 1941-1955
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2. „Education for Victory“ 238 rigen machten „Verräter“ an der Niederlage schuldig [ 30 Prozent der über 30-Jährigen ].1015 Des Weiteren sah die Mehrzahl der Befragten weiterhin in den Juden die Ursache für Deutschlands Probleme , selbst unter den ausgewählten Anti-Nazis im POW Camp Fort Eustis beschuldigten zehn Prozent der Befragten die Juden , für Deutschlands Misere ver- antwortlich zu sein.1016 Vor dem Hintergrund dieser Ergebnisse sowie im Hinblick auf die skizzierte Planung und konkrete Durchführung der POW-Reeducation , die sowohl abseits der sonstigen mi- litärischen Planungszenarien für die Nachkriegszeit sowie insbesondere ohne Kontakt zu allen zivilen Gremien und Initiativen ablief , ist dieses Lager-Experiment als vollständig gescheitert anzusehen. Interessanterweise erschien bereits 1946 in Berlin ein von Margret Boveri1017 verfasstes anti-amerikanisches Pamphlet , worin die Autorin die amerikanische „Hollerith-Kultur“1018 der gesellschaftlichen Standardisierung und Normierung just im Zusammenhang mit der NS-Registrierung und den von George Horst Gallup entworfenen „Fragenbogen“ als der  – implizit höherwertig gedeuteten  – deutschen Kultur wesensfremd darzustellen versuchte  – dies freilich unter völliger Ausblendung des Kausalzuammenhanges der Entnazifizierung , nämlich des Holocaust , so , als wäre es bloß um ein kurioses Gesellschaftsspiel zur Belusti- gung der Deutschen gegangen : „Denn darüber sind sich die wenigsten Deutschen klar , daß der Fragebogen nicht als Tortur für die besiegte Nation eigens erfunden wurde , sondern daß jeder Amerikaner sich selbst tausendmal einem Fragebogen unterwirft , daß er über sich selbst nach den gültigen Fragebogenregeln die Summe zieht wie über uns die Angehöri- gen der Control Councils und des CIC. Der Fragebogen entscheidet in Amerika nicht nur über Schulung , Berufswahl und Fortkommen ; es ist gleichzeitig in der Form des ‚Quiz‘ ein nationaler Sport auf geistigem Gebiet , der am Radio , in der Presse , in großen Versammm- lungshallen ebenso eifrig verfolgt wird wie Football und Baseball auf den Spielfeldern.“1019 1015 Zit. nach : Ehrmann , An Experiment in Political Education. The Prisoners-of-War Schools , a. a. O., 307. 1016 Robin , The Barbed-Wire College. Reeducating German POWs , a. a. O., 163 f. 1017 Margret Boveri ( 1900–1975 ), deutsche Journalistin , die während des Nationalsozialismus , obwohl kein NSDAP-Mitglied , von 1939 an als Auslandskorrespondentin der Frankfurter Allgemeinen Zeitung in New York lebte. Ab 1944 arbeitete sie als Autorin bei der Goebbels-Postille Das Reich. Boveri , die in dieser Zeit auch explizit antisemitische Artikel verfasste , war u. a. befreundet mit Ernst Jünger und Gottfried Benn. Vgl. Titus Arnu , „Wir lügen alle“. Margret Boveri 1900–1975. In : Hans-Jürgen Ja- cobs / Wolfgang R. Langenbucher ( Hrsg. ), Das Gewissen ihrer Zeit. Fünfzig Vorbilder des Journalismus , Wien 2004 , 189–203. 1018 Bei den hier angesprochenen „Hollerith-Maschinen“ handelte es sich zwar um IBM-Technologie , über die „Deutsche Hollerith Maschinen Gesellschaft“ ( Dehomag ), die über die Kriegsjahre mit der amerika- nischen IBM verzahnt blieb , erfolgte allerdings via Lochkarten-Computer die ‚effiziente‘ Administration des NS-Vernichtungsapparates. Vgl. Edwin Black , IBM and the Holocaust , The Strategic Alliance bet- ween Nazi Germany and America‘s most Powerful Corporation. 3 Aufl., Washington D.C., 2009 , 30 ff. 1019 Margret Boveri , Amerika-Fibel für erwachsene Deutsche. Ein Versuch , Unverstandenes zu erklären , Freiburg i. Br. 1946 , 50.
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Zwischen geistiger Erneuerung und Restauration US-amerikanische Planungen zur Entnazifizierung und demokratischen Reorientierung und die Nachkriegsrealität österreichischer Wissenschaft 1941-1955
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
Title
Zwischen geistiger Erneuerung und Restauration
Subtitle
US-amerikanische Planungen zur Entnazifizierung und demokratischen Reorientierung und die Nachkriegsrealität österreichischer Wissenschaft 1941-1955
Author
Christian H. Stifter
Publisher
Böhlau Verlag
Location
Wien
Date
2014
Language
German
License
CC BY-NC-ND 3.0
Size
17.0 x 24.0 cm
Pages
762
Keywords
US-Reorientierung, Amerika, USA, Besatzungszeit, Demokratisierung, Amerikanisierung, Entnazifizierung, Kalter Krieg, Österreich, Universität, Wissenschaft, Wien
Categories
Geschichte Nach 1918

Table of contents

  1. Vorbemerkung 11
  2. Einleitung 15
  3. 1. Images , Stereotype und Vorurteile – Herkunft und Veränderung der kulturellen Geringschätzung der USA in Europa seit dem 18. Jahrhundert 31
    1. Das Bild Amerikas aus europäischer Sicht bis Anfang der 1930er-Jahre 33
    2. Spiegelung : Anmerkungen zum Bild Deutschlands und Österreichs aus US-amerikanischer Sicht 66
    3. NS-Feindbild Amerika : Antiamerikanismus als Kampf gegen „Niggerkultur“, „Judenstaat“ und „westliche Demokratie“ 82
  4. 2. „ Education for Victory“ – US-Demokratisierungs-Konzepte und die zivilen Reeducation-Planungen für ein post-totalitäres Europa , 1941–1945 97
    1. „Education in Wartime“ – Nationalsozialismus als Fundamentalbedrohung der US-amerikanischen Zivilgesellschaft 99
    2. „Our Country’s Call to Service“ – konkrete Auswirkungen des Verteidigungs- und Abwehr-Diskurses 107
    3. Binnenamerikanische Reeducation : Stärkung nationaler Moral , Militarisierung des Bildungswesens und Bildungsreform 108
    4. Educational Reconstruction – Überlegungen und Konzepte 1942–1943 / 44 zur Demokratisierung nach Kriegsende 138
    5. „What to do with the mentally ill Germans ?“ Ursprünge , Entwicklung und Veränderungen der zivilen Reeducation-Konzepte , 1940–1944 157
    6. Exkurs : die österreichische Emigration in den USA – ein kultur- und bildungspolitisch folgenloses Kapitel für die Nachkriegsplanungen 175
    7. Spätphase der zivilgesellschaftlichen Überlegungen und Konzepte zur Reeducation und Reorientation 1943 / 44–1945 – langfristige Reorientierung als Paradigma 201
    8. Missing Link : Fehlende Umsetzung der Reorientierungs-Konzepte in die militärischen Planungen , 1943–1945 210
    9. „Takeover“ durch die U.S. Army : Wirrwarr und Kompetenzgerangel – Ausdünnung der Reorientation auf ‚unpolitische‘ Säuberungsmaßnahmen 210
    10. Randnotiz zu einem fehlgeschlagenen Experiment der US-Armee – POW-Camps zur Reeducation 228
    11. Zur Rolle Österreichs in der Reeducation-Planung der US-Militärstäbe 1943 / 44–1945 239
    12. Österreich – ein unklarer Planungsfaktor alliierter Politik bis 1944 / 45 239
    13. Militärisch-gremiale Detailplanung für Österreich – Administrationsunterlagen ohne Reorientation als Ergebnis 248
  5. 3. Beginn der US-Reorientierung nach 1945 – die Education Division als zentrale US-Militärbehörde 265
  6. 4. „ The democratic way of life in Austria“ – erste Umsetzungsphase bis zum Nationalsozialistengesetz 1947 : Zwischen Laissez Faire , strenger Observation und milder Beurteilung 277
    1. Kooperation statt Intervention und die Folgen für die Entnazifizierung im Bildungsbereich : das Fallbeispiel Universität 277
    2. Ausgangslage : Perspektive nötiger ‚Säuberungsmaßnahmen‘ 277
    3. Bestimmungen zur Entnazifizierung in US-Planungsdirektiven 288
    4. Die Ausgangssituation an den Universitäten im Frühjahr 1945 292
    5. Personalsäuberungen durch „Sonderkommissionen“ und deren Senate 318
    6. Entnazifizierung am Beispiel der Universität Wien 346
    7. Rückkehr unerwünscht ? – Maßnahmen zur Rückholung österreichischer WissenschafterInnen aus der Emigration 365
    8. Fallbeispiel : Ernst Karl Winter ( 1895–1959 ) 373
    9. Fallbeispiel : Hans Kelsen ( 1881–1973 ) 393
    10. Fallbeispiel : Felix Ehrenhaft ( 1879–1952 ) 404
    11. Wissenschaftspolitische Restauration und amerikanisch- österreichische Beziehungen. Ein Zwischenresümee 410
    12. Rahmenrichtlinien und Entnazifizierung der Studentenschaft an Österreichs Universitäten 427
    13. ÖH-Wahlen November 1946 : erste Großdemonstration gegen „nazistische Umtriebe“ in der Zweiten Republik und die Folgen 448
    14. Auswirkungen der Hochschulkrawalle : Turbulenzen im Alliierten Rat , Re-Screening der Studierenden und Lehrkräfte 477
    15. Turnaround in der Entnazifizierungspolitik – Kontroverse zwischen State Department und War Department 502
  7. 5. US-Reorientierungs-Planungen im Frühen Kalten Krieg : Zwischen Popularisierung des „American Way of Life“ und Psychologischer Kriegsführung , 1947–1950 517
    1. Longe Range Policy 1946 / 47 – Paradigmenwechsel : langfristige zivile Reorientierungs-Konzepte anstelle militärischer Kontrolle 517
    2. Elitenbildung über „Austauschprogramme“: zentrales Element der besatzungspolitisch auf gewer teten US-Reorientierung ab 1947 / 48 548
    3. Die ideologische Überformung der US-Reorientierung durch Propagandakampagnen des Kalten Krieges 562
    4. Cultural Exchange – Rahmenbedingungen der US-Kulturoffensive 562
    5. Reorientierung und psychologische Kriegsführung : „War of ideas“ – „Campaign of Truth“ – „Struggle for Minds“ 573
  8. 6. Endphase der Besatzung : Akademische Austauschprogramme und ihre Umsetzung in Österreich , 1950–1955 595
    1. Beginn der „U.S. Exchange“-Programme – Seltsamkeiten und Pannen 595
    2. Kurzer Exkurs : das Salzburg-Seminar – akademische Freiheit mit Hindernissen 609
    3. Umstrukturierung und Expansion : neuer Anlauf unter Supervision des U.S. Department of State 616
    4. Übernahme durch das State Department – Instrumentalisierung des „Exchange-Program“ als Teil der psychologischen Kriegsführung gegen die Sowjetunion 625
    5. ‚Phasing out‘ – zivile Verwaltung und Beginn der Normalisierung 638
    6. Schlussbemerkung 655
    7. Quellenverzeichnis 665
    8. Literaturverzeichnis 673
    9. Verzeichnis der Abkürzungen 735
    10. Personenverzeichnis 741
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