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Geschichte
Nach 1918
Zwischen geistiger Erneuerung und Restauration - US-amerikanische Planungen zur Entnazifizierung und demokratischen Reorientierung und die Nachkriegsrealität österreichischer Wissenschaft 1941-1955
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315 Kooperation statt Intervention und die Folgen für die Entnazifizierung Ärzteschaft  – der „Bund sozialdemokratischer AkademikerInnen , Intellektueller und KünstlerInnen“ ( BSA ), der aus partei- beziehungsweise machtpolitischen Motiven die Reintegration auch belasteter „ehemaliger“ Mediziner entscheidend gefördert hat. Durch Hilfe bei der Entregistrierung und durch gezielte Anwerbeaktionen , die sich allerdings nicht auf vertriebene jüdische beziehungsweise linke Funktionäre und Mitglieder erstreck- te ,1342 sollte das durch Faschismus , Emigration und Krieg gegenüber dem katholischen Cartellverband ( CV ) deutlich dezimierte Potenzial sozialdemokratischer Intellektueller und Akademiker  – auch gegen internen antifaschistischen Widerstand  – bundesweit an- gehoben werden.1343 Die fatale und ungeprüfte Reintegration1344 ehemaliger Nationalso- zialisten verlief , gemessen am österreichweiten Schnitt , überaus erfolgreich1345 und trug , wie Wolfgang Neugebauer und Peter Schwarz konstatieren , dazu bei , die „offizielle Ausei- nandersetzung mit dem Nationalsozialismus als Tabu“ zu verfestigen , was „regelrecht eine Mauer des Schweigens , Vergessens , und Verdrängens zementierte“.1346 Im weiteren Verlauf des zitierten Gesprächs zwischen Major Lott und Rektor Ada- movich kristallisierte sich auch heraus , in welcher Weise sich die Kontakte zwischen der US-Education Branch und der Universitätsleitung künftig gestalten würden. Schon in der 1342 Neugebauer / Schwarz , Der Wille zum aufrechten Gang , a. a. O., 32 f. 1343 Der offene Wettlauf und das Buhlen um die Stimmen der ehemaligen setzte spätestens nach der ersten Nationalratswahl zu Beginn des Jahres 1946 ein. Im Zusammenhang mit der Minderbelastetenamne- stie Feburar 1947 stieg der Zulauf zum BSA ab 1948 rasch an : bis 1954 vervierfachte sich dessen Mit- gliederzahl von 2. 312 auf 8. 741. Allein beim Wiener BSA-Ärzteverband befanden sich unter den 365 Mitgliedern insgesamt 126 Registrierte , darunter nicht wenige überaus schwer Belastete. Vgl. Neuge- bauer / Schwarz , Der Wille zum aufrechten Gang , a. a. O., 64 bzw. 238 ff. 1344 Wie Neugebauer und Schwarz anhand der Analyse der vorhandenen BSA-Akten sowohl statistisch als auch durch eine Vielzahl von Fallbeispielen belegen , erfolgte die Aufnahme ziemlich umstandslos : „Es wurde weder überprüft , ob die jeweiligen BeitrittskandidatInnen mit dem Nationalsozialismus gebro- chen hatten , noch ob sie sich zu den Grundwerten des Humanismus , der Demokratie und insbesondere der Sozialdemokratie bekannten.“ Zit. nach : Neugebauer / Schwarz , Der Wille zum aufrechten Gang , a. a. O., 218. 1345 „Im Nachkriegsösterreich entsprach die von Historikern genannte Zahl von ca. 700. 000 ehemaligen NSDAP-Mitgliedern bei einer Einwohnerzahl von ca. 7. 015. 000 ( Volkszählung 1939 ) einem Anteil von 10 Prozent ( einem Zehntel ) an der Gesamtbevölkerung [ allerdings inkludierte diese Bevölkerungs- ziffer zum damaligen Zeitpunkt die Südböhmischen und Südmährischen Gebiete , die im Oktober 1938 der „Ostmark zugeschlagen wurden ; 1941 folgten die Untersteiermark und Oberkrain , die der Steier- mark bzw. Kärnten zugeschlagen wurden , d. Verf. ]. Der Anteil der ehemaligen NSDAP-Mitglieder be- läuft sich in unserer BSA-Ärzte-Stichprobe [ 1. 388 ÄrztInnen , d. Verf. ] hingegen auf 15 Prozent ( 208 von 1. 388 ), das heißt der von uns ermittelte NS-Anteil ( 15 Prozent ) liegt um die Hälfte ( 50 Prozent ) über dem gesamtösterreichischen Wert ( 10 Prozent ). Diese Differenz fällt noch dramatischer aus  – an die 100 Prozent  –, wenn man den Anteil der nach dem NS-Gesetz registrierten ehemaligen National- sozialisten ( ca. 549. 000 ) an der Gesamtbevölkerung ( ca. 7. 015. 000 ) im Ausmaß von 7,8 Prozent mit unserem Ergebnis ( 15 Prozent ) vergleicht.“ Neugebauer / Schwarz , Der Wille zum aufrechten Gang , a. a. O., 226. 1346 Ebd., 221.
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Zwischen geistiger Erneuerung und Restauration US-amerikanische Planungen zur Entnazifizierung und demokratischen Reorientierung und die Nachkriegsrealität österreichischer Wissenschaft 1941-1955
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
Title
Zwischen geistiger Erneuerung und Restauration
Subtitle
US-amerikanische Planungen zur Entnazifizierung und demokratischen Reorientierung und die Nachkriegsrealität österreichischer Wissenschaft 1941-1955
Author
Christian H. Stifter
Publisher
Böhlau Verlag
Location
Wien
Date
2014
Language
German
License
CC BY-NC-ND 3.0
Size
17.0 x 24.0 cm
Pages
762
Keywords
US-Reorientierung, Amerika, USA, Besatzungszeit, Demokratisierung, Amerikanisierung, Entnazifizierung, Kalter Krieg, Österreich, Universität, Wissenschaft, Wien
Categories
Geschichte Nach 1918

Table of contents

  1. Vorbemerkung 11
  2. Einleitung 15
  3. 1. Images , Stereotype und Vorurteile – Herkunft und Veränderung der kulturellen Geringschätzung der USA in Europa seit dem 18. Jahrhundert 31
    1. Das Bild Amerikas aus europäischer Sicht bis Anfang der 1930er-Jahre 33
    2. Spiegelung : Anmerkungen zum Bild Deutschlands und Österreichs aus US-amerikanischer Sicht 66
    3. NS-Feindbild Amerika : Antiamerikanismus als Kampf gegen „Niggerkultur“, „Judenstaat“ und „westliche Demokratie“ 82
  4. 2. „ Education for Victory“ – US-Demokratisierungs-Konzepte und die zivilen Reeducation-Planungen für ein post-totalitäres Europa , 1941–1945 97
    1. „Education in Wartime“ – Nationalsozialismus als Fundamentalbedrohung der US-amerikanischen Zivilgesellschaft 99
    2. „Our Country’s Call to Service“ – konkrete Auswirkungen des Verteidigungs- und Abwehr-Diskurses 107
    3. Binnenamerikanische Reeducation : Stärkung nationaler Moral , Militarisierung des Bildungswesens und Bildungsreform 108
    4. Educational Reconstruction – Überlegungen und Konzepte 1942–1943 / 44 zur Demokratisierung nach Kriegsende 138
    5. „What to do with the mentally ill Germans ?“ Ursprünge , Entwicklung und Veränderungen der zivilen Reeducation-Konzepte , 1940–1944 157
    6. Exkurs : die österreichische Emigration in den USA – ein kultur- und bildungspolitisch folgenloses Kapitel für die Nachkriegsplanungen 175
    7. Spätphase der zivilgesellschaftlichen Überlegungen und Konzepte zur Reeducation und Reorientation 1943 / 44–1945 – langfristige Reorientierung als Paradigma 201
    8. Missing Link : Fehlende Umsetzung der Reorientierungs-Konzepte in die militärischen Planungen , 1943–1945 210
    9. „Takeover“ durch die U.S. Army : Wirrwarr und Kompetenzgerangel – Ausdünnung der Reorientation auf ‚unpolitische‘ Säuberungsmaßnahmen 210
    10. Randnotiz zu einem fehlgeschlagenen Experiment der US-Armee – POW-Camps zur Reeducation 228
    11. Zur Rolle Österreichs in der Reeducation-Planung der US-Militärstäbe 1943 / 44–1945 239
    12. Österreich – ein unklarer Planungsfaktor alliierter Politik bis 1944 / 45 239
    13. Militärisch-gremiale Detailplanung für Österreich – Administrationsunterlagen ohne Reorientation als Ergebnis 248
  5. 3. Beginn der US-Reorientierung nach 1945 – die Education Division als zentrale US-Militärbehörde 265
  6. 4. „ The democratic way of life in Austria“ – erste Umsetzungsphase bis zum Nationalsozialistengesetz 1947 : Zwischen Laissez Faire , strenger Observation und milder Beurteilung 277
    1. Kooperation statt Intervention und die Folgen für die Entnazifizierung im Bildungsbereich : das Fallbeispiel Universität 277
    2. Ausgangslage : Perspektive nötiger ‚Säuberungsmaßnahmen‘ 277
    3. Bestimmungen zur Entnazifizierung in US-Planungsdirektiven 288
    4. Die Ausgangssituation an den Universitäten im Frühjahr 1945 292
    5. Personalsäuberungen durch „Sonderkommissionen“ und deren Senate 318
    6. Entnazifizierung am Beispiel der Universität Wien 346
    7. Rückkehr unerwünscht ? – Maßnahmen zur Rückholung österreichischer WissenschafterInnen aus der Emigration 365
    8. Fallbeispiel : Ernst Karl Winter ( 1895–1959 ) 373
    9. Fallbeispiel : Hans Kelsen ( 1881–1973 ) 393
    10. Fallbeispiel : Felix Ehrenhaft ( 1879–1952 ) 404
    11. Wissenschaftspolitische Restauration und amerikanisch- österreichische Beziehungen. Ein Zwischenresümee 410
    12. Rahmenrichtlinien und Entnazifizierung der Studentenschaft an Österreichs Universitäten 427
    13. ÖH-Wahlen November 1946 : erste Großdemonstration gegen „nazistische Umtriebe“ in der Zweiten Republik und die Folgen 448
    14. Auswirkungen der Hochschulkrawalle : Turbulenzen im Alliierten Rat , Re-Screening der Studierenden und Lehrkräfte 477
    15. Turnaround in der Entnazifizierungspolitik – Kontroverse zwischen State Department und War Department 502
  7. 5. US-Reorientierungs-Planungen im Frühen Kalten Krieg : Zwischen Popularisierung des „American Way of Life“ und Psychologischer Kriegsführung , 1947–1950 517
    1. Longe Range Policy 1946 / 47 – Paradigmenwechsel : langfristige zivile Reorientierungs-Konzepte anstelle militärischer Kontrolle 517
    2. Elitenbildung über „Austauschprogramme“: zentrales Element der besatzungspolitisch auf gewer teten US-Reorientierung ab 1947 / 48 548
    3. Die ideologische Überformung der US-Reorientierung durch Propagandakampagnen des Kalten Krieges 562
    4. Cultural Exchange – Rahmenbedingungen der US-Kulturoffensive 562
    5. Reorientierung und psychologische Kriegsführung : „War of ideas“ – „Campaign of Truth“ – „Struggle for Minds“ 573
  8. 6. Endphase der Besatzung : Akademische Austauschprogramme und ihre Umsetzung in Österreich , 1950–1955 595
    1. Beginn der „U.S. Exchange“-Programme – Seltsamkeiten und Pannen 595
    2. Kurzer Exkurs : das Salzburg-Seminar – akademische Freiheit mit Hindernissen 609
    3. Umstrukturierung und Expansion : neuer Anlauf unter Supervision des U.S. Department of State 616
    4. Übernahme durch das State Department – Instrumentalisierung des „Exchange-Program“ als Teil der psychologischen Kriegsführung gegen die Sowjetunion 625
    5. ‚Phasing out‘ – zivile Verwaltung und Beginn der Normalisierung 638
    6. Schlussbemerkung 655
    7. Quellenverzeichnis 665
    8. Literaturverzeichnis 673
    9. Verzeichnis der Abkürzungen 735
    10. Personenverzeichnis 741
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