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4. „The democratic way of life in Austria“
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versität Wien einsetzte , wollte er zugleich nicht in die inneren Angelegenheiten der Uni-
versität eingreifen und die Causa der universitären „Autonomie“1645 überlassen.
Auf Grund welcher Bemühungen und Urgenzen Winter , der sich insbesondere durch
ÖVP-nahe Kreise blockiert sah ,1646 dann doch die Habilitation erreichte , ist unklar. Jeden-
falls wurde Winter am 2. Oktober 1946 an der Rechts- und Staatswissenschaftlichen Fa-
kultät zum Privatdozenten für Wirtschaftsgeschichte ernannt ; sein abermaliges Ansuchen
um eine Ausweitung der Lehrbefugnis auf Soziologie wurde durch Beschluss des Professo-
renkollegiums jedoch abgelehnt.1647 Als Begründung für die Ablehnung einer erweiterten
Venia legendi gab das Fakultätsgremium gegenüber dem Unterrichtsministerium an , dass
Winter als Professor an der New School for Social Research in New York einen Artikel mit
dem Titel „Austria , guilt and virtue“ im Fachjournal Social Research veröffentlicht hatte ,1648
worin er im Schlussabsatz folgendes – freilich durchaus diskussionswürdiges – Resümee
zog : „Francis Joseph and Hitler are the two Austrians who bear the symbolic responsibility.
Hitler is Francis Joseph’s guilt.“1649
Dieser von Winter angestellte Vergleich wurde von der rechtswissenschaftlichen Fakul-
tät der Universität Wien – Winter selbst vermutete seinen Kontrahenten August Maria
Knoll als Negativ-Gutachter1650 – in grob vereinfachender und den Inhalt regelrecht ver-
zerrender Weise uminterpretiert : die Fakultät behauptete , Winter habe konstatiert , Ös-
terreich habe „beide Weltkriege und zwar den ersten durch Kaiser Franz Joseph I. und
den zweiten durch den Österreicher Hitler verschuldet“.1651 Der genannte Aufsatz wurde
im Sinne eines Beschlusses des Professorenkollegiums vom 19. April 1947 „mit Rücksicht
auf die Frage der persönlichen Würdigkeit des Habilitationswerbers“ als „keine geeignete
Internal Affairs of Austria 1945–1954 ( Mikrofilm-Bestand Institut für Zeitgeschichte der Universität
Wien ), Decimal File , Reel 6 , 1945–1949 , 2.
1645 Winter selbst sprach vom „Missbrauch der Autonomie“. Vgl. Ernst Karl Winter , Bericht an die Herren
Professoren der Rechts- und Staatswissenschaftlichen Fakultät in Wien ( aus Anlass meiner vorläufigen
Rückkehr in die USA , undatiert ( Jänner 1957 ), UAW , Phil. Fakultät , Personalakt Ernst Karl Winter / 23 , 1.
1646 So etwa durch Friedrich Funder , Musil , August Maria Knoll , und Alfons Gorbach. DÖW 15. 060 / 105 ;
zit. nach : Holzbauer , Ernst Karl Winter ( 1895–1959 ), a. a. O., 370.
1647 UAW , Personalakt Ernst Karl Winter / 23 , Dekanat der Universität Wien an das Bundesministerium für
Unterricht , 29. April 1947.
1648 Vgl. Austria. Guilt and Virtue. In : Social Research , Jg. 1940 , VII , 480–496 ; Jg. 1941 , VIII , 106–125.
1649 Winter an Riddleberger , Recordings of the U. S. Department of State , a. a. O., 2.
1650 Immerhin hatte sein Jugendfreund und Studienkollege , nun bereits wieder Professor an der Fakultät –
wie Winter vermutete –, im Oktober jenen anonymen Hetzartikel gegen die „Aktion Winter“ in der
Reichspost verfasst , worin ihm Angriff gegen die Regierung und bolschewistische Propaganda vorgewor-
fen wurde , was dann zu seiner Enthebung als Vizebürgermeister führte. Vgl. Bader , Ernst Karl Winter
und die Versöhnung der politischen Lager , a. a. O., 372.
1651 UAW , Personalakt Ernst Karl Winter / 23 , Dekanat der Universität Wien an das Bundesministerium für
Unterricht , 29. April 1947.
Zwischen geistiger Erneuerung und Restauration
US-amerikanische Planungen zur Entnazifizierung und demokratischen Reorientierung und die Nachkriegsrealität österreichischer Wissenschaft 1941-1955
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Title
- Zwischen geistiger Erneuerung und Restauration
- Subtitle
- US-amerikanische Planungen zur Entnazifizierung und demokratischen Reorientierung und die Nachkriegsrealität österreichischer Wissenschaft 1941-1955
- Author
- Christian H. Stifter
- Publisher
- Böhlau Verlag
- Location
- Wien
- Date
- 2014
- Language
- German
- License
- CC BY-NC-ND 3.0
- Size
- 17.0 x 24.0 cm
- Pages
- 762
- Keywords
- US-Reorientierung, Amerika, USA, Besatzungszeit, Demokratisierung, Amerikanisierung, Entnazifizierung, Kalter Krieg, Österreich, Universität, Wissenschaft, Wien
- Categories
- Geschichte Nach 1918
Table of contents
- Vorbemerkung 11
- Einleitung 15
- 1. Images , Stereotype und Vorurteile – Herkunft und Veränderung der kulturellen Geringschätzung der USA in Europa seit dem 18. Jahrhundert 31
- 2. „ Education for Victory“ – US-Demokratisierungs-Konzepte und die zivilen Reeducation-Planungen für ein post-totalitäres Europa , 1941–1945 97
- „Education in Wartime“ – Nationalsozialismus als Fundamentalbedrohung der US-amerikanischen Zivilgesellschaft 99
- „Our Country’s Call to Service“ – konkrete Auswirkungen des Verteidigungs- und Abwehr-Diskurses 107
- Binnenamerikanische Reeducation : Stärkung nationaler Moral , Militarisierung des Bildungswesens und Bildungsreform 108
- Educational Reconstruction – Überlegungen und Konzepte 1942–1943 / 44 zur Demokratisierung nach Kriegsende 138
- „What to do with the mentally ill Germans ?“ Ursprünge , Entwicklung und Veränderungen der zivilen Reeducation-Konzepte , 1940–1944 157
- Exkurs : die österreichische Emigration in den USA – ein kultur- und bildungspolitisch folgenloses Kapitel für die Nachkriegsplanungen 175
- Spätphase der zivilgesellschaftlichen Überlegungen und Konzepte zur Reeducation und Reorientation 1943 / 44–1945 – langfristige Reorientierung als Paradigma 201
- Missing Link : Fehlende Umsetzung der Reorientierungs-Konzepte in die militärischen Planungen , 1943–1945 210
- „Takeover“ durch die U.S. Army : Wirrwarr und Kompetenzgerangel – Ausdünnung der Reorientation auf ‚unpolitische‘ Säuberungsmaßnahmen 210
- Randnotiz zu einem fehlgeschlagenen Experiment der US-Armee – POW-Camps zur Reeducation 228
- Zur Rolle Österreichs in der Reeducation-Planung der US-Militärstäbe 1943 / 44–1945 239
- Österreich – ein unklarer Planungsfaktor alliierter Politik bis 1944 / 45 239
- Militärisch-gremiale Detailplanung für Österreich – Administrationsunterlagen ohne Reorientation als Ergebnis 248
- 3. Beginn der US-Reorientierung nach 1945 – die Education Division als zentrale US-Militärbehörde 265
- 4. „ The democratic way of life in Austria“ – erste Umsetzungsphase bis zum Nationalsozialistengesetz 1947 : Zwischen Laissez Faire , strenger Observation und milder Beurteilung 277
- Kooperation statt Intervention und die Folgen für die Entnazifizierung im Bildungsbereich : das Fallbeispiel Universität 277
- Ausgangslage : Perspektive nötiger ‚Säuberungsmaßnahmen‘ 277
- Bestimmungen zur Entnazifizierung in US-Planungsdirektiven 288
- Die Ausgangssituation an den Universitäten im Frühjahr 1945 292
- Personalsäuberungen durch „Sonderkommissionen“ und deren Senate 318
- Entnazifizierung am Beispiel der Universität Wien 346
- Rückkehr unerwünscht ? – Maßnahmen zur Rückholung österreichischer WissenschafterInnen aus der Emigration 365
- Fallbeispiel : Ernst Karl Winter ( 1895–1959 ) 373
- Fallbeispiel : Hans Kelsen ( 1881–1973 ) 393
- Fallbeispiel : Felix Ehrenhaft ( 1879–1952 ) 404
- Wissenschaftspolitische Restauration und amerikanisch- österreichische Beziehungen. Ein Zwischenresümee 410
- Rahmenrichtlinien und Entnazifizierung der Studentenschaft an Österreichs Universitäten 427
- ÖH-Wahlen November 1946 : erste Großdemonstration gegen „nazistische Umtriebe“ in der Zweiten Republik und die Folgen 448
- Auswirkungen der Hochschulkrawalle : Turbulenzen im Alliierten Rat , Re-Screening der Studierenden und Lehrkräfte 477
- Turnaround in der Entnazifizierungspolitik – Kontroverse zwischen State Department und War Department 502
- 5. US-Reorientierungs-Planungen im Frühen Kalten Krieg : Zwischen Popularisierung des „American Way of Life“ und Psychologischer Kriegsführung , 1947–1950 517
- Longe Range Policy 1946 / 47 – Paradigmenwechsel : langfristige zivile Reorientierungs-Konzepte anstelle militärischer Kontrolle 517
- Elitenbildung über „Austauschprogramme“: zentrales Element der besatzungspolitisch auf gewer teten US-Reorientierung ab 1947 / 48 548
- Die ideologische Überformung der US-Reorientierung durch Propagandakampagnen des Kalten Krieges 562
- Cultural Exchange – Rahmenbedingungen der US-Kulturoffensive 562
- Reorientierung und psychologische Kriegsführung : „War of ideas“ – „Campaign of Truth“ – „Struggle for Minds“ 573
- 6. Endphase der Besatzung : Akademische Austauschprogramme und ihre Umsetzung in Österreich , 1950–1955 595
- Beginn der „U.S. Exchange“-Programme – Seltsamkeiten und Pannen 595
- Kurzer Exkurs : das Salzburg-Seminar – akademische Freiheit mit Hindernissen 609
- Umstrukturierung und Expansion : neuer Anlauf unter Supervision des U.S. Department of State 616
- Übernahme durch das State Department – Instrumentalisierung des „Exchange-Program“ als Teil der psychologischen Kriegsführung gegen die Sowjetunion 625
- ‚Phasing out‘ – zivile Verwaltung und Beginn der Normalisierung 638
- Schlussbemerkung 655
- Quellenverzeichnis 665
- Literaturverzeichnis 673
- Verzeichnis der Abkürzungen 735
- Personenverzeichnis 741