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4. „The democratic way of life in Austria“
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burtstag und gratulierte ihm zu dessen „bedeutungsvolle[ r ] Arbeit für Wissen schaft und
Frei heit“.1700 Kurz darauf stellte das Professorenkollegium der rechts- und staats wissen-
schaftlichen Fakultät der Universität Wien – nach persönlicher Zustimmung Kelsens ge-
genüber Verdross
– den Antrag auf Ernennung zum Honorar professor des „unter den aus
Österreich stammenden , noch lebenden Juristen“ zweifellos „in der ganzen Welt aner-
kanntesten[ n ] Gelehrte[ n ].“1701 In der Begründung durch Verdross wurde die Ver leihung
dieser höchsten Würde der Fakultät als „patriotische Pflicht“ bezeichnet , da Kelsen viel für
Österreich geleistet habe und „auch im Ausland“ stets „für den Ruhm , der öster reichischen
Wissenschaft“1702 eingetreten sei. Mit keinem Wort erwähnt wurde dabei allerdings Kel-
sens persönlich und beruflich schwierige Situation Ende der Zwanziger jahre in Österreich ,
die antisemitischen Anfeindungen , die ihn geradezu gezwungen hatten , einen Ruf nach
Deutschland anzunehmen. Das moralisch wieder gut zu machende „Unrecht“ hatte Kelsen
quasi außerhalb Österreichs erfahren : „Diese Ehrung bedeutet zugleich eine moralische
Wiedergutmachung für das von den Nazis an Kelsen begangene Unrecht , die ihn 1933 von
seinem Lehrstuhl aus Köln ver trieben haben.“1703
Es ist vielleicht nicht ganz unbedeutend , dass Alfred Verdross-Droßberg die Er nennung
seines Lehrers zum Honorar pro
fessor , zu dem er ein amikales Verhältnis hatte , maßgeblich
betrieben hatte.1704 Nachdem sich Verdross relativ früh von der rechtspositivistischen Leh-
re Kelsens distanziert hatte , war es 1934 zu „ernsthaften per sönlichen Ver stimmungen“1705
rund um das erzwungene Aus scheiden Kelsens als jüdischer Heraus geber der Zeitschrift
für öffentliches Recht gekommen , dessen Haupt schriftleitung nun Verdross übernahm. Nach
Kriegsende versöhnte sich Kelsen aber wieder mit seinem hochgelehrten Kollegen.
Anders als Kelsen hatte Verdross ein keinesfalls klares Verhältnis zum National sozia-
lis mus. Nicht nur hatte er während der NS-Zeit durchgehend an der juridischen Fakul-
tät gelehrt , sondern darüber hinaus einen geradezu „phönixhafte[ n ] Auf stieg“1706 machen
können. Obwohl kein Mitglied der NSDAP , verhielt er sich dem National sozialis mus
gegen über nicht nur wohlwollend positiv – Verdross’ naturrechtlich orientierte Lehr-
meinung fand im NS-Deutschland überaus große Verbreitung und stand mit Sicherheit
1700 Métall , Hans Kelsen , a. a. O., 82.
1701 UAW , Personalakt Hans Kelsen / 13 , Prof. Dr. Hans Kelsen , Ernennung zum Honorarprofessor , Ab-
schrift der Begründung. Bundesminister Hurdes an das Dekanat der rechts- und staatswissen schaft-
lichen Fakultät der Universität Wien , Zl.21287-III / 7–47 , 24. Juni 1947 , 1.
1702 Ebd., 2.
1703 Ebd.
1704 Vgl. Busch , Alfred Verdross , a. a. O., 37.
1705 Vgl. ebd., 27 f. bzw. 36.
1706 Oliver Rathkolb , Die Rechts- und Staatswissenschaftliche Fakultät der Universität Wien zwischen An-
tisemitismus , Deutschnationalismus und National sozia lismus 1938 , davor und danach. In : Heiß et al.
( Hrsg. ), Willfährige Wissen schaft , a. a. O., 216.
Zwischen geistiger Erneuerung und Restauration
US-amerikanische Planungen zur Entnazifizierung und demokratischen Reorientierung und die Nachkriegsrealität österreichischer Wissenschaft 1941-1955
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Title
- Zwischen geistiger Erneuerung und Restauration
- Subtitle
- US-amerikanische Planungen zur Entnazifizierung und demokratischen Reorientierung und die Nachkriegsrealität österreichischer Wissenschaft 1941-1955
- Author
- Christian H. Stifter
- Publisher
- Böhlau Verlag
- Location
- Wien
- Date
- 2014
- Language
- German
- License
- CC BY-NC-ND 3.0
- Size
- 17.0 x 24.0 cm
- Pages
- 762
- Keywords
- US-Reorientierung, Amerika, USA, Besatzungszeit, Demokratisierung, Amerikanisierung, Entnazifizierung, Kalter Krieg, Österreich, Universität, Wissenschaft, Wien
- Categories
- Geschichte Nach 1918
Table of contents
- Vorbemerkung 11
- Einleitung 15
- 1. Images , Stereotype und Vorurteile – Herkunft und Veränderung der kulturellen Geringschätzung der USA in Europa seit dem 18. Jahrhundert 31
- 2. „ Education for Victory“ – US-Demokratisierungs-Konzepte und die zivilen Reeducation-Planungen für ein post-totalitäres Europa , 1941–1945 97
- „Education in Wartime“ – Nationalsozialismus als Fundamentalbedrohung der US-amerikanischen Zivilgesellschaft 99
- „Our Country’s Call to Service“ – konkrete Auswirkungen des Verteidigungs- und Abwehr-Diskurses 107
- Binnenamerikanische Reeducation : Stärkung nationaler Moral , Militarisierung des Bildungswesens und Bildungsreform 108
- Educational Reconstruction – Überlegungen und Konzepte 1942–1943 / 44 zur Demokratisierung nach Kriegsende 138
- „What to do with the mentally ill Germans ?“ Ursprünge , Entwicklung und Veränderungen der zivilen Reeducation-Konzepte , 1940–1944 157
- Exkurs : die österreichische Emigration in den USA – ein kultur- und bildungspolitisch folgenloses Kapitel für die Nachkriegsplanungen 175
- Spätphase der zivilgesellschaftlichen Überlegungen und Konzepte zur Reeducation und Reorientation 1943 / 44–1945 – langfristige Reorientierung als Paradigma 201
- Missing Link : Fehlende Umsetzung der Reorientierungs-Konzepte in die militärischen Planungen , 1943–1945 210
- „Takeover“ durch die U.S. Army : Wirrwarr und Kompetenzgerangel – Ausdünnung der Reorientation auf ‚unpolitische‘ Säuberungsmaßnahmen 210
- Randnotiz zu einem fehlgeschlagenen Experiment der US-Armee – POW-Camps zur Reeducation 228
- Zur Rolle Österreichs in der Reeducation-Planung der US-Militärstäbe 1943 / 44–1945 239
- Österreich – ein unklarer Planungsfaktor alliierter Politik bis 1944 / 45 239
- Militärisch-gremiale Detailplanung für Österreich – Administrationsunterlagen ohne Reorientation als Ergebnis 248
- 3. Beginn der US-Reorientierung nach 1945 – die Education Division als zentrale US-Militärbehörde 265
- 4. „ The democratic way of life in Austria“ – erste Umsetzungsphase bis zum Nationalsozialistengesetz 1947 : Zwischen Laissez Faire , strenger Observation und milder Beurteilung 277
- Kooperation statt Intervention und die Folgen für die Entnazifizierung im Bildungsbereich : das Fallbeispiel Universität 277
- Ausgangslage : Perspektive nötiger ‚Säuberungsmaßnahmen‘ 277
- Bestimmungen zur Entnazifizierung in US-Planungsdirektiven 288
- Die Ausgangssituation an den Universitäten im Frühjahr 1945 292
- Personalsäuberungen durch „Sonderkommissionen“ und deren Senate 318
- Entnazifizierung am Beispiel der Universität Wien 346
- Rückkehr unerwünscht ? – Maßnahmen zur Rückholung österreichischer WissenschafterInnen aus der Emigration 365
- Fallbeispiel : Ernst Karl Winter ( 1895–1959 ) 373
- Fallbeispiel : Hans Kelsen ( 1881–1973 ) 393
- Fallbeispiel : Felix Ehrenhaft ( 1879–1952 ) 404
- Wissenschaftspolitische Restauration und amerikanisch- österreichische Beziehungen. Ein Zwischenresümee 410
- Rahmenrichtlinien und Entnazifizierung der Studentenschaft an Österreichs Universitäten 427
- ÖH-Wahlen November 1946 : erste Großdemonstration gegen „nazistische Umtriebe“ in der Zweiten Republik und die Folgen 448
- Auswirkungen der Hochschulkrawalle : Turbulenzen im Alliierten Rat , Re-Screening der Studierenden und Lehrkräfte 477
- Turnaround in der Entnazifizierungspolitik – Kontroverse zwischen State Department und War Department 502
- 5. US-Reorientierungs-Planungen im Frühen Kalten Krieg : Zwischen Popularisierung des „American Way of Life“ und Psychologischer Kriegsführung , 1947–1950 517
- Longe Range Policy 1946 / 47 – Paradigmenwechsel : langfristige zivile Reorientierungs-Konzepte anstelle militärischer Kontrolle 517
- Elitenbildung über „Austauschprogramme“: zentrales Element der besatzungspolitisch auf gewer teten US-Reorientierung ab 1947 / 48 548
- Die ideologische Überformung der US-Reorientierung durch Propagandakampagnen des Kalten Krieges 562
- Cultural Exchange – Rahmenbedingungen der US-Kulturoffensive 562
- Reorientierung und psychologische Kriegsführung : „War of ideas“ – „Campaign of Truth“ – „Struggle for Minds“ 573
- 6. Endphase der Besatzung : Akademische Austauschprogramme und ihre Umsetzung in Österreich , 1950–1955 595
- Beginn der „U.S. Exchange“-Programme – Seltsamkeiten und Pannen 595
- Kurzer Exkurs : das Salzburg-Seminar – akademische Freiheit mit Hindernissen 609
- Umstrukturierung und Expansion : neuer Anlauf unter Supervision des U.S. Department of State 616
- Übernahme durch das State Department – Instrumentalisierung des „Exchange-Program“ als Teil der psychologischen Kriegsführung gegen die Sowjetunion 625
- ‚Phasing out‘ – zivile Verwaltung und Beginn der Normalisierung 638
- Schlussbemerkung 655
- Quellenverzeichnis 665
- Literaturverzeichnis 673
- Verzeichnis der Abkürzungen 735
- Personenverzeichnis 741