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Kooperation statt Intervention und die Folgen für die Entnazifizierung
genehmen Angele
gen
heit , wobei er die Situation , insbesondere die Passivität des zuständigen
Mini
steri
ums , aus persönlicher Erfahrung heraus wohl nicht ganz falsch einschätzte :
“I wonder if you could build a little fire under Dr. Skrbensky and get some action on the case of
Professor Ehrenhaft. The old boy is in my hair most of the time lately , because he can get no word
from the Ministry of Education. The point is that Hess and Pich [ sic ; recte : Pick ] have been in-
vited to return as guest professors , but the Ministry has not yet invited Ehrenhaft. You will recall
that their original invitation was to return as a permanent member of the faculty , but Ehrenhaft
declined this invitation on the grounds that he would lose his American Citizenship. [ … ] I have
a slight suspicion that Skrbensky is doddling. I do not think that he was very anxious to have
Ehrenhaft return. Now that I know Ehrenhaft pretty well , I can understand Skrbensky’s delaying
action. Nevertheless , Ehrenhaft had a proper invitation originally from the University authori-
ties and I do not think that Skrbensky should be allowed to sidestep the University’s desire.”1747
Am 18. Oktober erhielt die „Austrian University League of America“ vom öster
reichi schen
US-Gesandten in New York , Ludwig Kleinwächter , ein Schreiben , wonach in der Angele-
genheit der Rückberufung ehemaliger österreichischer Hochschul
profes
soren , die
– wie im
Fall zahlreicher Wissenschafter auf der Liste der „League“ – ihre mittler weile erworbene
ausländische Staatsbürger schaft nicht zurückzulegen bereit waren , laut Bundes kanzler amt
nunmehr über die Verleihung einer Gast professur auf Zeit
– „fünf Jahre oder länger“
– ge-
löst werden könne. Weiter hieß es in dem genannten Schreiben , dass das Unterrichtsmi-
nisterium auch in Einzel fällen dazu bereit sei , eine Lehr
kanzel für eine gewisse Zeit vakant
zu halten , um diese mit einem Gastprofessor zu besetzen. Hinsichtlich einer „begünstigten
Be hand lung der zurück kehrenden Hoch schul professoren“, die ja immer hin von Null an
beginnen mussten , und bezüglich „Wohnung , Lebensmittelzuteilung , Reise erleich terung
usw.“ Unter stützung be nötigten , machte das Schreiben des österreichischen Gesandten
aber keinen Hehl daraus , dass man damit nichts zu tun haben wolle , da dies „in die Zustän-
digkeit der amerikani schen Besatzungsbehörden in Österreich fallen würde.“1748
Ehrenhaft , der bereits über ein Schiffsticket für die Überfahrt mit der „Queen Elisabeth“
nach London verfügte , hatte zuvor selbst eine Gastprofessur-Variante ins Spiel gebracht
und drängte nun , aus verständlichen Gründen , mit Nachdruck darauf , noch vor seiner
bevorstehenden Überfahrt
– zunächst nach England
– ein offizielles Ein ladungs schreiben
in Händen zu halten , wie er in Telegrammen an Unter richtsminister Hurdes und Außen-
minister Karl Gruber schon im September 1946 deutlich gemacht hatte.
1747 NARA II , RG 260 , Box 2 , Folder 58 , W. B. Featherstone an Thomas Benner , Education Division
USACA Section , 25. November 1946 , 1.
1748 NARA II , RG 260 , Box 2 , Folder 58. Austrian University League of America , Abstract from a letter re-
ceived from the Representative of the Austrian Federal Government , Dr. Ludwig Kleinwächter , 18. Ok-
tober 1946 , 1.
Zwischen geistiger Erneuerung und Restauration
US-amerikanische Planungen zur Entnazifizierung und demokratischen Reorientierung und die Nachkriegsrealität österreichischer Wissenschaft 1941-1955
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Title
- Zwischen geistiger Erneuerung und Restauration
- Subtitle
- US-amerikanische Planungen zur Entnazifizierung und demokratischen Reorientierung und die Nachkriegsrealität österreichischer Wissenschaft 1941-1955
- Author
- Christian H. Stifter
- Publisher
- Böhlau Verlag
- Location
- Wien
- Date
- 2014
- Language
- German
- License
- CC BY-NC-ND 3.0
- Size
- 17.0 x 24.0 cm
- Pages
- 762
- Keywords
- US-Reorientierung, Amerika, USA, Besatzungszeit, Demokratisierung, Amerikanisierung, Entnazifizierung, Kalter Krieg, Österreich, Universität, Wissenschaft, Wien
- Categories
- Geschichte Nach 1918
Table of contents
- Vorbemerkung 11
- Einleitung 15
- 1. Images , Stereotype und Vorurteile – Herkunft und Veränderung der kulturellen Geringschätzung der USA in Europa seit dem 18. Jahrhundert 31
- 2. „ Education for Victory“ – US-Demokratisierungs-Konzepte und die zivilen Reeducation-Planungen für ein post-totalitäres Europa , 1941–1945 97
- „Education in Wartime“ – Nationalsozialismus als Fundamentalbedrohung der US-amerikanischen Zivilgesellschaft 99
- „Our Country’s Call to Service“ – konkrete Auswirkungen des Verteidigungs- und Abwehr-Diskurses 107
- Binnenamerikanische Reeducation : Stärkung nationaler Moral , Militarisierung des Bildungswesens und Bildungsreform 108
- Educational Reconstruction – Überlegungen und Konzepte 1942–1943 / 44 zur Demokratisierung nach Kriegsende 138
- „What to do with the mentally ill Germans ?“ Ursprünge , Entwicklung und Veränderungen der zivilen Reeducation-Konzepte , 1940–1944 157
- Exkurs : die österreichische Emigration in den USA – ein kultur- und bildungspolitisch folgenloses Kapitel für die Nachkriegsplanungen 175
- Spätphase der zivilgesellschaftlichen Überlegungen und Konzepte zur Reeducation und Reorientation 1943 / 44–1945 – langfristige Reorientierung als Paradigma 201
- Missing Link : Fehlende Umsetzung der Reorientierungs-Konzepte in die militärischen Planungen , 1943–1945 210
- „Takeover“ durch die U.S. Army : Wirrwarr und Kompetenzgerangel – Ausdünnung der Reorientation auf ‚unpolitische‘ Säuberungsmaßnahmen 210
- Randnotiz zu einem fehlgeschlagenen Experiment der US-Armee – POW-Camps zur Reeducation 228
- Zur Rolle Österreichs in der Reeducation-Planung der US-Militärstäbe 1943 / 44–1945 239
- Österreich – ein unklarer Planungsfaktor alliierter Politik bis 1944 / 45 239
- Militärisch-gremiale Detailplanung für Österreich – Administrationsunterlagen ohne Reorientation als Ergebnis 248
- 3. Beginn der US-Reorientierung nach 1945 – die Education Division als zentrale US-Militärbehörde 265
- 4. „ The democratic way of life in Austria“ – erste Umsetzungsphase bis zum Nationalsozialistengesetz 1947 : Zwischen Laissez Faire , strenger Observation und milder Beurteilung 277
- Kooperation statt Intervention und die Folgen für die Entnazifizierung im Bildungsbereich : das Fallbeispiel Universität 277
- Ausgangslage : Perspektive nötiger ‚Säuberungsmaßnahmen‘ 277
- Bestimmungen zur Entnazifizierung in US-Planungsdirektiven 288
- Die Ausgangssituation an den Universitäten im Frühjahr 1945 292
- Personalsäuberungen durch „Sonderkommissionen“ und deren Senate 318
- Entnazifizierung am Beispiel der Universität Wien 346
- Rückkehr unerwünscht ? – Maßnahmen zur Rückholung österreichischer WissenschafterInnen aus der Emigration 365
- Fallbeispiel : Ernst Karl Winter ( 1895–1959 ) 373
- Fallbeispiel : Hans Kelsen ( 1881–1973 ) 393
- Fallbeispiel : Felix Ehrenhaft ( 1879–1952 ) 404
- Wissenschaftspolitische Restauration und amerikanisch- österreichische Beziehungen. Ein Zwischenresümee 410
- Rahmenrichtlinien und Entnazifizierung der Studentenschaft an Österreichs Universitäten 427
- ÖH-Wahlen November 1946 : erste Großdemonstration gegen „nazistische Umtriebe“ in der Zweiten Republik und die Folgen 448
- Auswirkungen der Hochschulkrawalle : Turbulenzen im Alliierten Rat , Re-Screening der Studierenden und Lehrkräfte 477
- Turnaround in der Entnazifizierungspolitik – Kontroverse zwischen State Department und War Department 502
- 5. US-Reorientierungs-Planungen im Frühen Kalten Krieg : Zwischen Popularisierung des „American Way of Life“ und Psychologischer Kriegsführung , 1947–1950 517
- Longe Range Policy 1946 / 47 – Paradigmenwechsel : langfristige zivile Reorientierungs-Konzepte anstelle militärischer Kontrolle 517
- Elitenbildung über „Austauschprogramme“: zentrales Element der besatzungspolitisch auf gewer teten US-Reorientierung ab 1947 / 48 548
- Die ideologische Überformung der US-Reorientierung durch Propagandakampagnen des Kalten Krieges 562
- Cultural Exchange – Rahmenbedingungen der US-Kulturoffensive 562
- Reorientierung und psychologische Kriegsführung : „War of ideas“ – „Campaign of Truth“ – „Struggle for Minds“ 573
- 6. Endphase der Besatzung : Akademische Austauschprogramme und ihre Umsetzung in Österreich , 1950–1955 595
- Beginn der „U.S. Exchange“-Programme – Seltsamkeiten und Pannen 595
- Kurzer Exkurs : das Salzburg-Seminar – akademische Freiheit mit Hindernissen 609
- Umstrukturierung und Expansion : neuer Anlauf unter Supervision des U.S. Department of State 616
- Übernahme durch das State Department – Instrumentalisierung des „Exchange-Program“ als Teil der psychologischen Kriegsführung gegen die Sowjetunion 625
- ‚Phasing out‘ – zivile Verwaltung und Beginn der Normalisierung 638
- Schlussbemerkung 655
- Quellenverzeichnis 665
- Literaturverzeichnis 673
- Verzeichnis der Abkürzungen 735
- Personenverzeichnis 741