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Longe Range Policy 1946 / 47 – Paradigmenwechsel
zism. Unfortunately , the pattern of Prussian education and thought in pre-Hitler Germany
prepared the German character for a too docile acceptance of Nazi teaching [ … ]. The problem
of such a re-education is not to be solved by new textbooks alone , or by mere teaching of items
of knowledge and specific skills. Nor can it be solved in a few days or years , or by casual effort.
It calls for a fundamental reorientation of German attitudes towards life , codes of behavior and moral
and spiritual values. It calls for a carefully developed , carefully supervised educational program
which will continue until re-education has been achieved.”2230 [ Hervorhebung d. Verf. ]
Die in dem Report unterbreiteten , zum Teil sehr detaillierten Vorschläge umfassten das
gesamte Erziehungs- und Bildungswesen , angefangen vom Kindergarten über Schulen ,
Universitäten , Erwachsenenbildungseinrichtungen und Massenmedien , wobei ganz be-
sonderes Augenmerk auf die Einbeziehung von Überlebenden der Konzentrations lager ,
von Widerstandskämpfern , nachweislichen Gegnern des NS-Regimes sowie von ideolo-
gisch unverdächtigen Emigranten gelegt wurde : „The core of the German staff which is to
reconstruct and administer German education should be recruited as far as possible from
men and women whom the Nazis imprisoned in Buchenwald , Dachau , and other prison
and concentration camps. [ … ] We recommend that the fullest possible use be made [ … ]
of any anti-Nazi members of the teaching profession , churches , or trade unions the reality
of whose opposition to Nazism was evidenced by their being dismissed or persecuted for
their convictions , and [ … ] of German exiles who have proved that they are strongly and
convincingly anti-Nazi , and are not believers in the doctrine of German superiority.“2231
Im Gegenzug sollte allen Personen , die auch nur im Ansatz mit dem NS-Regime ko-
operiert hatten oder in NS-Bildungseinrichtungen tätig waren , aus Gründen einer nach-
haltigen „Purification“ vorerst rigoros jeder erzieherische Kontakt zur Jugend untersagt
werden.2232
Von besonderem Interesse ist , dass dem Report des „Institute on Re-education of the
Axis Countries“ ein von Foerster , Schairer und Jacques Maritain aus ge arbeiteter Vorschlag
zur Einrichtung eines „Board of Educational Advisors“ bei gefügt wurde , der bereits am
16. März 1945 in einer Instituts-Besprechung unter Vorsitz von Ruth Bryan Owen Roh-
de2233 angenommen worden war. Um den schwierigen Transformationsprozess der Bil-
2230 Ebd., 2.
2231 Ebd., 7.
2232 Ebd.
2233 Ruth Bryan Owen [ Rohde ] ( 1885–1954 ), geboren in Florida als Tochter des demokratischen Ab geord-
neten und Außenministers ( 1913–1915 ) William Jennings Bryan ; Owen war Erwachsenen bildnerin
( Chautauqua lectures ), Universitätslehrerin , demokratische Kongressabge ordnete ( 1928–1930 ) und
wurde 1930 von Präsident Theodore Roosevelt als erste Frau zur US-Gesandten in Dänemark ernannt.
Danach war Rohde Mitarbeiterin des State Departments und ab 1945 u. a. Delegierte der „United Na-
tions General Assembly“. Owen war einflussreiche Vorkämpferin für Frauenrechte und setzte sich in ih-
rer politischen Laufbahn darüber hinaus für Kinderfürsorge und Gesundheitsfragen ein. Vgl. Jo Freeman ,
Zwischen geistiger Erneuerung und Restauration
US-amerikanische Planungen zur Entnazifizierung und demokratischen Reorientierung und die Nachkriegsrealität österreichischer Wissenschaft 1941-1955
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Title
- Zwischen geistiger Erneuerung und Restauration
- Subtitle
- US-amerikanische Planungen zur Entnazifizierung und demokratischen Reorientierung und die Nachkriegsrealität österreichischer Wissenschaft 1941-1955
- Author
- Christian H. Stifter
- Publisher
- Böhlau Verlag
- Location
- Wien
- Date
- 2014
- Language
- German
- License
- CC BY-NC-ND 3.0
- Size
- 17.0 x 24.0 cm
- Pages
- 762
- Keywords
- US-Reorientierung, Amerika, USA, Besatzungszeit, Demokratisierung, Amerikanisierung, Entnazifizierung, Kalter Krieg, Österreich, Universität, Wissenschaft, Wien
- Categories
- Geschichte Nach 1918
Table of contents
- Vorbemerkung 11
- Einleitung 15
- 1. Images , Stereotype und Vorurteile – Herkunft und Veränderung der kulturellen Geringschätzung der USA in Europa seit dem 18. Jahrhundert 31
- 2. „ Education for Victory“ – US-Demokratisierungs-Konzepte und die zivilen Reeducation-Planungen für ein post-totalitäres Europa , 1941–1945 97
- „Education in Wartime“ – Nationalsozialismus als Fundamentalbedrohung der US-amerikanischen Zivilgesellschaft 99
- „Our Country’s Call to Service“ – konkrete Auswirkungen des Verteidigungs- und Abwehr-Diskurses 107
- Binnenamerikanische Reeducation : Stärkung nationaler Moral , Militarisierung des Bildungswesens und Bildungsreform 108
- Educational Reconstruction – Überlegungen und Konzepte 1942–1943 / 44 zur Demokratisierung nach Kriegsende 138
- „What to do with the mentally ill Germans ?“ Ursprünge , Entwicklung und Veränderungen der zivilen Reeducation-Konzepte , 1940–1944 157
- Exkurs : die österreichische Emigration in den USA – ein kultur- und bildungspolitisch folgenloses Kapitel für die Nachkriegsplanungen 175
- Spätphase der zivilgesellschaftlichen Überlegungen und Konzepte zur Reeducation und Reorientation 1943 / 44–1945 – langfristige Reorientierung als Paradigma 201
- Missing Link : Fehlende Umsetzung der Reorientierungs-Konzepte in die militärischen Planungen , 1943–1945 210
- „Takeover“ durch die U.S. Army : Wirrwarr und Kompetenzgerangel – Ausdünnung der Reorientation auf ‚unpolitische‘ Säuberungsmaßnahmen 210
- Randnotiz zu einem fehlgeschlagenen Experiment der US-Armee – POW-Camps zur Reeducation 228
- Zur Rolle Österreichs in der Reeducation-Planung der US-Militärstäbe 1943 / 44–1945 239
- Österreich – ein unklarer Planungsfaktor alliierter Politik bis 1944 / 45 239
- Militärisch-gremiale Detailplanung für Österreich – Administrationsunterlagen ohne Reorientation als Ergebnis 248
- 3. Beginn der US-Reorientierung nach 1945 – die Education Division als zentrale US-Militärbehörde 265
- 4. „ The democratic way of life in Austria“ – erste Umsetzungsphase bis zum Nationalsozialistengesetz 1947 : Zwischen Laissez Faire , strenger Observation und milder Beurteilung 277
- Kooperation statt Intervention und die Folgen für die Entnazifizierung im Bildungsbereich : das Fallbeispiel Universität 277
- Ausgangslage : Perspektive nötiger ‚Säuberungsmaßnahmen‘ 277
- Bestimmungen zur Entnazifizierung in US-Planungsdirektiven 288
- Die Ausgangssituation an den Universitäten im Frühjahr 1945 292
- Personalsäuberungen durch „Sonderkommissionen“ und deren Senate 318
- Entnazifizierung am Beispiel der Universität Wien 346
- Rückkehr unerwünscht ? – Maßnahmen zur Rückholung österreichischer WissenschafterInnen aus der Emigration 365
- Fallbeispiel : Ernst Karl Winter ( 1895–1959 ) 373
- Fallbeispiel : Hans Kelsen ( 1881–1973 ) 393
- Fallbeispiel : Felix Ehrenhaft ( 1879–1952 ) 404
- Wissenschaftspolitische Restauration und amerikanisch- österreichische Beziehungen. Ein Zwischenresümee 410
- Rahmenrichtlinien und Entnazifizierung der Studentenschaft an Österreichs Universitäten 427
- ÖH-Wahlen November 1946 : erste Großdemonstration gegen „nazistische Umtriebe“ in der Zweiten Republik und die Folgen 448
- Auswirkungen der Hochschulkrawalle : Turbulenzen im Alliierten Rat , Re-Screening der Studierenden und Lehrkräfte 477
- Turnaround in der Entnazifizierungspolitik – Kontroverse zwischen State Department und War Department 502
- 5. US-Reorientierungs-Planungen im Frühen Kalten Krieg : Zwischen Popularisierung des „American Way of Life“ und Psychologischer Kriegsführung , 1947–1950 517
- Longe Range Policy 1946 / 47 – Paradigmenwechsel : langfristige zivile Reorientierungs-Konzepte anstelle militärischer Kontrolle 517
- Elitenbildung über „Austauschprogramme“: zentrales Element der besatzungspolitisch auf gewer teten US-Reorientierung ab 1947 / 48 548
- Die ideologische Überformung der US-Reorientierung durch Propagandakampagnen des Kalten Krieges 562
- Cultural Exchange – Rahmenbedingungen der US-Kulturoffensive 562
- Reorientierung und psychologische Kriegsführung : „War of ideas“ – „Campaign of Truth“ – „Struggle for Minds“ 573
- 6. Endphase der Besatzung : Akademische Austauschprogramme und ihre Umsetzung in Österreich , 1950–1955 595
- Beginn der „U.S. Exchange“-Programme – Seltsamkeiten und Pannen 595
- Kurzer Exkurs : das Salzburg-Seminar – akademische Freiheit mit Hindernissen 609
- Umstrukturierung und Expansion : neuer Anlauf unter Supervision des U.S. Department of State 616
- Übernahme durch das State Department – Instrumentalisierung des „Exchange-Program“ als Teil der psychologischen Kriegsführung gegen die Sowjetunion 625
- ‚Phasing out‘ – zivile Verwaltung und Beginn der Normalisierung 638
- Schlussbemerkung 655
- Quellenverzeichnis 665
- Literaturverzeichnis 673
- Verzeichnis der Abkürzungen 735
- Personenverzeichnis 741