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Longe Range Policy 1946 / 47 – Paradigmenwechsel
fentlichen Kritik an der schlecht kommunizierten Reeducation-Politik der US-Regierung
in Deutschland
– im Februar 1946 Dossiers , die eine Analyse der Kritik nach Schwerpunk-
ten und Medien gliederte und deren Fazit ebenfalls auf eine „longe range policy“ hinauslief :
„A large majority of the American public believes that it will be a long time before we can
afford to let the Germans manage their own education.“2237
Durchaus auch im stillen Einvernehmen mit den US-Militärstellen , die sich schon zu
Beginn der Posthostilities-Planungen für die Bereiche Bildung und kulturelle Wiederauf-
bau-Angelegenheiten nicht wirklich zuständig gefühlt hatten , begann das State Depart-
ment im Frühjahr 1945 schließlich damit , einen zivilen Expertenstab einzurichten : in die-
sem befanden sich neben prominenten Schul- und Uni versitäts fachleuten , Speziali sten für
Sozial- und Jugenderziehung unter anderem auch Fachleute für Er wachsenen bildung. Sie
sollten künftig als Beratungsgremium – als „Advisory Committee“ – für die langfristige
„Reeducation“ fungieren und dabei die zuständigen Beamten des State Department , des Of-
fice of War Information ( OWI ) und auch des War Department mit Information versorgen.
Die ursprüngliche Anregung , ein „Advisory Committee on German Education“ einzu-
richten , kam vom zivilen Bildungsexperten Bryn J. Hovde , der im Februar 1945 – nach ei-
ner Besprechung mit Mitgliedern der European Branch
– gegenüber Archibald MacLeish
im U.S. Department of State den Vorschlag unterbereitet hatte , ein „Advisory Com mittee“
zu schaffen , das heißt ein aus zivilen Experten zusammen gesetztes Gremium , das die „Re-
orientation-Policy“ in den US-Besatzungszonen künftig maß geblich mit planen sollte.2238
In diesem Fall wurden die Pläne bald Realität und das „Advisory Committee“ innerhalb
des State Departments mit der klaren Zielvorgabe eingerichtet , die in einen längerfristigen
Planungs horizont eingebetteten komplexen Reorien tierungs -Aufgaben nun in die Hand
ziviler Stellen zu legen :
“Since the problem [ reeducation , d. Verf. ] is one of the greatest difficulty , the Department in-
vited a group of citizens distinguished and experienced in the field of education to advise with
cation Program , 7 February 1946 , 2 f. The U. S. Occupation of Germany : Educational Reform 1945–1949 ,
Microfilm-Collection Congres sional Information Service , edited by Gary H. Tsuchimochi , Tokyo 1991
( Bestand Institut für Zeitgeschichte der Universität Wien , Bibliothek ), 1-A-15.
2237 Ebd., Analysis , 2.
2238 Seinem Vorschlag beigefügt waren die Namen von zivilen Experten , die Hovde für die Besetzung dieses
Komitees vorschlug , wobei Hovde selbst , Lindemann und Day dann tatsächlich im neugeschaffenen
Gremium vertreten waren : Calvin Hoover ( geb. 1897 ), der Dekan der Duke University , Reinhold Nie-
buhr ( geb. 1892 ), Edmund E. Day ( geb. 1883 ), Ökonom , Präsident der Cornell University und u. a. Di-
rektor des „Education Boards“ der Rockefeller Foundation 1933–1937 , Eduard Lindemann ( geb. 1885 ),
Professor für Social Work an der Columbia University und Spezialist für Deutsches Bildungs wesen , N. L.
Engelhardt ( geb. 1882 ), Superintendent der New York Public Schools mit Deutschlanderfahrung , sowie
Ruth Benedict ( geb. 1887 ), Anthropologie pro fessorin an der Columbia University , die bereits im OWI
sozialwissenschaftlichen Analysen durch geführt hatte. The U. S. Occupation of Germany : Educational
Reform 1945–1949 , Microfilm-Collection , a. a. O., 1-A-223 , a. a. O., 1-A-15.
Zwischen geistiger Erneuerung und Restauration
US-amerikanische Planungen zur Entnazifizierung und demokratischen Reorientierung und die Nachkriegsrealität österreichischer Wissenschaft 1941-1955
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Title
- Zwischen geistiger Erneuerung und Restauration
- Subtitle
- US-amerikanische Planungen zur Entnazifizierung und demokratischen Reorientierung und die Nachkriegsrealität österreichischer Wissenschaft 1941-1955
- Author
- Christian H. Stifter
- Publisher
- Böhlau Verlag
- Location
- Wien
- Date
- 2014
- Language
- German
- License
- CC BY-NC-ND 3.0
- Size
- 17.0 x 24.0 cm
- Pages
- 762
- Keywords
- US-Reorientierung, Amerika, USA, Besatzungszeit, Demokratisierung, Amerikanisierung, Entnazifizierung, Kalter Krieg, Österreich, Universität, Wissenschaft, Wien
- Categories
- Geschichte Nach 1918
Table of contents
- Vorbemerkung 11
- Einleitung 15
- 1. Images , Stereotype und Vorurteile – Herkunft und Veränderung der kulturellen Geringschätzung der USA in Europa seit dem 18. Jahrhundert 31
- 2. „ Education for Victory“ – US-Demokratisierungs-Konzepte und die zivilen Reeducation-Planungen für ein post-totalitäres Europa , 1941–1945 97
- „Education in Wartime“ – Nationalsozialismus als Fundamentalbedrohung der US-amerikanischen Zivilgesellschaft 99
- „Our Country’s Call to Service“ – konkrete Auswirkungen des Verteidigungs- und Abwehr-Diskurses 107
- Binnenamerikanische Reeducation : Stärkung nationaler Moral , Militarisierung des Bildungswesens und Bildungsreform 108
- Educational Reconstruction – Überlegungen und Konzepte 1942–1943 / 44 zur Demokratisierung nach Kriegsende 138
- „What to do with the mentally ill Germans ?“ Ursprünge , Entwicklung und Veränderungen der zivilen Reeducation-Konzepte , 1940–1944 157
- Exkurs : die österreichische Emigration in den USA – ein kultur- und bildungspolitisch folgenloses Kapitel für die Nachkriegsplanungen 175
- Spätphase der zivilgesellschaftlichen Überlegungen und Konzepte zur Reeducation und Reorientation 1943 / 44–1945 – langfristige Reorientierung als Paradigma 201
- Missing Link : Fehlende Umsetzung der Reorientierungs-Konzepte in die militärischen Planungen , 1943–1945 210
- „Takeover“ durch die U.S. Army : Wirrwarr und Kompetenzgerangel – Ausdünnung der Reorientation auf ‚unpolitische‘ Säuberungsmaßnahmen 210
- Randnotiz zu einem fehlgeschlagenen Experiment der US-Armee – POW-Camps zur Reeducation 228
- Zur Rolle Österreichs in der Reeducation-Planung der US-Militärstäbe 1943 / 44–1945 239
- Österreich – ein unklarer Planungsfaktor alliierter Politik bis 1944 / 45 239
- Militärisch-gremiale Detailplanung für Österreich – Administrationsunterlagen ohne Reorientation als Ergebnis 248
- 3. Beginn der US-Reorientierung nach 1945 – die Education Division als zentrale US-Militärbehörde 265
- 4. „ The democratic way of life in Austria“ – erste Umsetzungsphase bis zum Nationalsozialistengesetz 1947 : Zwischen Laissez Faire , strenger Observation und milder Beurteilung 277
- Kooperation statt Intervention und die Folgen für die Entnazifizierung im Bildungsbereich : das Fallbeispiel Universität 277
- Ausgangslage : Perspektive nötiger ‚Säuberungsmaßnahmen‘ 277
- Bestimmungen zur Entnazifizierung in US-Planungsdirektiven 288
- Die Ausgangssituation an den Universitäten im Frühjahr 1945 292
- Personalsäuberungen durch „Sonderkommissionen“ und deren Senate 318
- Entnazifizierung am Beispiel der Universität Wien 346
- Rückkehr unerwünscht ? – Maßnahmen zur Rückholung österreichischer WissenschafterInnen aus der Emigration 365
- Fallbeispiel : Ernst Karl Winter ( 1895–1959 ) 373
- Fallbeispiel : Hans Kelsen ( 1881–1973 ) 393
- Fallbeispiel : Felix Ehrenhaft ( 1879–1952 ) 404
- Wissenschaftspolitische Restauration und amerikanisch- österreichische Beziehungen. Ein Zwischenresümee 410
- Rahmenrichtlinien und Entnazifizierung der Studentenschaft an Österreichs Universitäten 427
- ÖH-Wahlen November 1946 : erste Großdemonstration gegen „nazistische Umtriebe“ in der Zweiten Republik und die Folgen 448
- Auswirkungen der Hochschulkrawalle : Turbulenzen im Alliierten Rat , Re-Screening der Studierenden und Lehrkräfte 477
- Turnaround in der Entnazifizierungspolitik – Kontroverse zwischen State Department und War Department 502
- 5. US-Reorientierungs-Planungen im Frühen Kalten Krieg : Zwischen Popularisierung des „American Way of Life“ und Psychologischer Kriegsführung , 1947–1950 517
- Longe Range Policy 1946 / 47 – Paradigmenwechsel : langfristige zivile Reorientierungs-Konzepte anstelle militärischer Kontrolle 517
- Elitenbildung über „Austauschprogramme“: zentrales Element der besatzungspolitisch auf gewer teten US-Reorientierung ab 1947 / 48 548
- Die ideologische Überformung der US-Reorientierung durch Propagandakampagnen des Kalten Krieges 562
- Cultural Exchange – Rahmenbedingungen der US-Kulturoffensive 562
- Reorientierung und psychologische Kriegsführung : „War of ideas“ – „Campaign of Truth“ – „Struggle for Minds“ 573
- 6. Endphase der Besatzung : Akademische Austauschprogramme und ihre Umsetzung in Österreich , 1950–1955 595
- Beginn der „U.S. Exchange“-Programme – Seltsamkeiten und Pannen 595
- Kurzer Exkurs : das Salzburg-Seminar – akademische Freiheit mit Hindernissen 609
- Umstrukturierung und Expansion : neuer Anlauf unter Supervision des U.S. Department of State 616
- Übernahme durch das State Department – Instrumentalisierung des „Exchange-Program“ als Teil der psychologischen Kriegsführung gegen die Sowjetunion 625
- ‚Phasing out‘ – zivile Verwaltung und Beginn der Normalisierung 638
- Schlussbemerkung 655
- Quellenverzeichnis 665
- Literaturverzeichnis 673
- Verzeichnis der Abkürzungen 735
- Personenverzeichnis 741