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5. US-Reorientierungs-Planungen im Frühen Kalten Krieg
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sende anti
kommunistische Propagandafeldzug
– gewissermaßen das außen politische Prälu-
dium zum nach
folgenden McCarthysmus
– von höchster Planungs ebene als neues , durchaus
aggressives Paradigma US-amerikanischer Informations
politik zementiert. Die Super vision
und die inhaltliche Neudefinition der Reorientierung auch als psychologische Beeinflussung
und „Stärkung der westlichen Moral“ fiel damit verstärkt an die Intelligence-Abteilungen
des State Department beziehungsweise des Department of Defense ;2477 diese wurden von
George F. Kennan unterstützt und schufen gemeinsam mit der CIA am 4. April 1951 eine
eigene , mit Sonderaufgaben ausgestattete , unabhängige Geheim
dienst
abteilung
– das „Psy-
chological Strategy Board“ ( PSB ) unter Leitung von Gordon Gray.2478 Zuvor hatten sich
aber bereits US-Geheimdienstabteilungen mit Eventual planungen , Szenarien psychologi-
scher Kriegsführung und harter Aktionen auch auf europäischem Boden auseinandergesetzt.
Schon Ende des Jahres 1948 hatte sich
– vor dem Hintergrund der Ereignisse in der Tsche-
choslowakei
– eine Studie der „Special Warfare Division“ mit dem Titel „Instantaneous War“
mit einem Putsch der französischen Kommunisten beschäftigt und dabei geradezu Horrors-
zenarien eines Blitz-Krieges mit modernen Waffen entworfen. Darin wurde insbesondere auf
die Bedeutung der psychologischen Kriegsführung als einer „systematic drainage“ verwiesen :
„In the psychological domain , propaganda and its effect on the brain has shown itself to be a
forerunner and gives an insight into the possible future effects of biological warfare.“2479
Hauptquartier des CCF errichtet und als Gegenmaßnahme zur Sowjet-Propaganda u. a. eine Reihe von
Zeitschriften gegründet , die –– insbesondere die intellektuelle Meinungsbildung in Europa maßgeb-
lich beeinflussen helfen sollten. Darunter : Encounter ( London ), Preuves ( Paris ), Der Monat ( Hamburg ),
Tempo Presente ( Rom ) und das Forum in Wien unter redaktioneller Leitung des aus der US-Emigration
zurückgekehrten Friedrich Torberg. Mit Ausnahme des Forum , das sich hauptsächlich der kulturellen
Renaissance der Wiener Fin de siècle-Kultur widmete , zielten die anderen genannten CCF-Zeitschrif-
ten in ihrer Kulturberichterstattung auf Propagierung rezenter US-amerikanischer „high brow culture“
im Bereich von Moderner Kunst , Malerei , Musik oder Literatur. In Österreich trug Torberg in seiner
medialen Schlüsselposition im Forum mit seinem Negativurteil maßgeblich zum langjährigen Brecht-
Boykott in den Österreichischen Theatern bei. Zum CCF siehe : Saunders , The Cultural Cold War , a. a. O.,
73 ff. ; Michael Hochgeschwender , Freiheit in der Offensive ? Der Kongreß für kulturelle Freiheit und die
Deutschen , München 1998 , 229 ff. ; Felix W. Tweraser , Paris Calling Vienna : The Congress for Cultural
Freedom and Friedrich Torberg’s Editorship of Forum. In : Austrian Studies , Vol. 13 : Austria and France ,
2005 , 158–172 ; Ders., „Our Man in Vienna“: Friedrich Torberg’s Journal Forum and the Popularization of
American Letters in Austria. In : TRANS. Internet-Zeitschrift für Kultur wissenschaften , Nr. 17 , Februar
2010 , siehe : http://www.inst.at/trans/17Nr/1–11/1–11_tweraser17.htm [ Zugriff 28. 3. 2013 ] ; Kurt Palm ,
Vom Boykott zur Anerkennung. Brecht und Österreich , Wien 1983. Siehe auch die offizielle Informa-
tion zum CCF auf der CIA-Website : https://www.cia.gov/library/center-for-the-study-of-intelligence/
csi-publications/csi-studies/studies/95unclass/Warner.html [ Zugriff 28. 3. 2013 ].
2477 1947 wurde das 1789 ins Leben gerufene U. S. War Department in „Department of the Army“ um benannt ,
bis 1949 die Reorganisation des Ministeriums unter dem neuen Namen „Department of Defense“ erfolgte.
2478 Vgl. Prados , Safe for democracy , a. a. O., 80 f. ; weiters : Saunders , The Cultural Cold War , a. a. O., 148 f.
2479 Instantaneous War [ 1948 ] , 9. NARA II , RG 319 , 279 / 18 / 19 / 1 , Records of the Army Staff. Records of
the Office of Special Warfare. Secret Correspondence , 1951–58 , Box 05 [ Entry 338 ].
Zwischen geistiger Erneuerung und Restauration
US-amerikanische Planungen zur Entnazifizierung und demokratischen Reorientierung und die Nachkriegsrealität österreichischer Wissenschaft 1941-1955
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Title
- Zwischen geistiger Erneuerung und Restauration
- Subtitle
- US-amerikanische Planungen zur Entnazifizierung und demokratischen Reorientierung und die Nachkriegsrealität österreichischer Wissenschaft 1941-1955
- Author
- Christian H. Stifter
- Publisher
- Böhlau Verlag
- Location
- Wien
- Date
- 2014
- Language
- German
- License
- CC BY-NC-ND 3.0
- Size
- 17.0 x 24.0 cm
- Pages
- 762
- Keywords
- US-Reorientierung, Amerika, USA, Besatzungszeit, Demokratisierung, Amerikanisierung, Entnazifizierung, Kalter Krieg, Österreich, Universität, Wissenschaft, Wien
- Categories
- Geschichte Nach 1918
Table of contents
- Vorbemerkung 11
- Einleitung 15
- 1. Images , Stereotype und Vorurteile – Herkunft und Veränderung der kulturellen Geringschätzung der USA in Europa seit dem 18. Jahrhundert 31
- 2. „ Education for Victory“ – US-Demokratisierungs-Konzepte und die zivilen Reeducation-Planungen für ein post-totalitäres Europa , 1941–1945 97
- „Education in Wartime“ – Nationalsozialismus als Fundamentalbedrohung der US-amerikanischen Zivilgesellschaft 99
- „Our Country’s Call to Service“ – konkrete Auswirkungen des Verteidigungs- und Abwehr-Diskurses 107
- Binnenamerikanische Reeducation : Stärkung nationaler Moral , Militarisierung des Bildungswesens und Bildungsreform 108
- Educational Reconstruction – Überlegungen und Konzepte 1942–1943 / 44 zur Demokratisierung nach Kriegsende 138
- „What to do with the mentally ill Germans ?“ Ursprünge , Entwicklung und Veränderungen der zivilen Reeducation-Konzepte , 1940–1944 157
- Exkurs : die österreichische Emigration in den USA – ein kultur- und bildungspolitisch folgenloses Kapitel für die Nachkriegsplanungen 175
- Spätphase der zivilgesellschaftlichen Überlegungen und Konzepte zur Reeducation und Reorientation 1943 / 44–1945 – langfristige Reorientierung als Paradigma 201
- Missing Link : Fehlende Umsetzung der Reorientierungs-Konzepte in die militärischen Planungen , 1943–1945 210
- „Takeover“ durch die U.S. Army : Wirrwarr und Kompetenzgerangel – Ausdünnung der Reorientation auf ‚unpolitische‘ Säuberungsmaßnahmen 210
- Randnotiz zu einem fehlgeschlagenen Experiment der US-Armee – POW-Camps zur Reeducation 228
- Zur Rolle Österreichs in der Reeducation-Planung der US-Militärstäbe 1943 / 44–1945 239
- Österreich – ein unklarer Planungsfaktor alliierter Politik bis 1944 / 45 239
- Militärisch-gremiale Detailplanung für Österreich – Administrationsunterlagen ohne Reorientation als Ergebnis 248
- 3. Beginn der US-Reorientierung nach 1945 – die Education Division als zentrale US-Militärbehörde 265
- 4. „ The democratic way of life in Austria“ – erste Umsetzungsphase bis zum Nationalsozialistengesetz 1947 : Zwischen Laissez Faire , strenger Observation und milder Beurteilung 277
- Kooperation statt Intervention und die Folgen für die Entnazifizierung im Bildungsbereich : das Fallbeispiel Universität 277
- Ausgangslage : Perspektive nötiger ‚Säuberungsmaßnahmen‘ 277
- Bestimmungen zur Entnazifizierung in US-Planungsdirektiven 288
- Die Ausgangssituation an den Universitäten im Frühjahr 1945 292
- Personalsäuberungen durch „Sonderkommissionen“ und deren Senate 318
- Entnazifizierung am Beispiel der Universität Wien 346
- Rückkehr unerwünscht ? – Maßnahmen zur Rückholung österreichischer WissenschafterInnen aus der Emigration 365
- Fallbeispiel : Ernst Karl Winter ( 1895–1959 ) 373
- Fallbeispiel : Hans Kelsen ( 1881–1973 ) 393
- Fallbeispiel : Felix Ehrenhaft ( 1879–1952 ) 404
- Wissenschaftspolitische Restauration und amerikanisch- österreichische Beziehungen. Ein Zwischenresümee 410
- Rahmenrichtlinien und Entnazifizierung der Studentenschaft an Österreichs Universitäten 427
- ÖH-Wahlen November 1946 : erste Großdemonstration gegen „nazistische Umtriebe“ in der Zweiten Republik und die Folgen 448
- Auswirkungen der Hochschulkrawalle : Turbulenzen im Alliierten Rat , Re-Screening der Studierenden und Lehrkräfte 477
- Turnaround in der Entnazifizierungspolitik – Kontroverse zwischen State Department und War Department 502
- 5. US-Reorientierungs-Planungen im Frühen Kalten Krieg : Zwischen Popularisierung des „American Way of Life“ und Psychologischer Kriegsführung , 1947–1950 517
- Longe Range Policy 1946 / 47 – Paradigmenwechsel : langfristige zivile Reorientierungs-Konzepte anstelle militärischer Kontrolle 517
- Elitenbildung über „Austauschprogramme“: zentrales Element der besatzungspolitisch auf gewer teten US-Reorientierung ab 1947 / 48 548
- Die ideologische Überformung der US-Reorientierung durch Propagandakampagnen des Kalten Krieges 562
- Cultural Exchange – Rahmenbedingungen der US-Kulturoffensive 562
- Reorientierung und psychologische Kriegsführung : „War of ideas“ – „Campaign of Truth“ – „Struggle for Minds“ 573
- 6. Endphase der Besatzung : Akademische Austauschprogramme und ihre Umsetzung in Österreich , 1950–1955 595
- Beginn der „U.S. Exchange“-Programme – Seltsamkeiten und Pannen 595
- Kurzer Exkurs : das Salzburg-Seminar – akademische Freiheit mit Hindernissen 609
- Umstrukturierung und Expansion : neuer Anlauf unter Supervision des U.S. Department of State 616
- Übernahme durch das State Department – Instrumentalisierung des „Exchange-Program“ als Teil der psychologischen Kriegsführung gegen die Sowjetunion 625
- ‚Phasing out‘ – zivile Verwaltung und Beginn der Normalisierung 638
- Schlussbemerkung 655
- Quellenverzeichnis 665
- Literaturverzeichnis 673
- Verzeichnis der Abkürzungen 735
- Personenverzeichnis 741