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6. Endphase der Besatzung
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Die insgesamt 110 Seminarteilnehmer des ersten Zyklus des Salzburg-Seminars
– bis Som-
mer 1948 nahmen in Summe 175 Personen aus Europa teil2582 – kamen , abgesehen von
Österreich2583 und Amerika , aus Frankreich , Holland , Belgien , Deutschland , Dänemark ,
Schweden , Finnland , Großbritannien und Australien. Der Umstand , dass außerdem zwei
Teil nehmer aus Ländern hinter dem „Iron Curtain“ teilnahmen , nämlich aus der Tsche-
chos lowakei und Ungarn , erregte bald den Verdacht „linker“ Umtriebe.
Obwohl sich Samuel H. Williams noch Anfang September 1947 in einem Schreiben an
den Präsidenten der Harvard University , James B. Conant , grundsätzlich positiv über den
ersten Kurs in Leopoldskron geäußert hatte ,2584 trug die Leitung der USFA Education
Division bald maßgeblich dazu bei , die Leitung des „Salzburg Seminars“ zu diskreditieren
und das Experiment eines internationalen , akademisch-freien und intellektuellen Diskur-
ses hart an den Rand des Scheiterns zu führen.
Nachdem ein CIC-Report , datiert vom 26. Juli 1947 , kommunistische Aktivitäten beim
Salzburg Seminar festgestellt hatte und dabei unter anderen Heller und Matthiessen der
Sub version verdächtigte ,2585 entschloss sich die Leitung der Education Division um-
2582 Smith , The Salzburg Seminar , a. a. O., 34.
2583 Unter den Teilnehmenden aus Österreich finden sich einige ( später ) prominente Personen. Die Namen
der österreichischen TeilnehmerInnen des Kurses im Jahr 1947 lauten : George Berner ( Salzburg ), Rea
Sylvia Cicin ( DP Camp Hellbrünn / Salzburg ), Fritz Czerwenka ( Wien ), Nataly Engelhardt ( DP Camp
Parsch / Salzburg ), Edith Farcas ( Salzburg ), Heinz Fuchs ( Graz ), Otto Haindl ( Wien ), Wilhelm Hein
( Wien ), Otto Hietsch ( Wien ), Hans-Heiriek Isenbarth ( Wien ), Justine Krünes ( Wien ), Judith Lukacs
( Salzburg ), Wolfram Moeckel ( Tirol ), Fritz Molden ( Wien ), Gustav Otruba ( Kritzendorf / NÖ ), Benita
Petkovic ( Innsbruck ), Felix Pronay ( Wien ), Rudolf Rhomberg ( Wien ), Leopold Rosenmayr ( Wien ),
Tatiana Sayoka ( Salzburg ), Kurt Seidel ( Wien ), Otto H. Smital ( Wien ), Ingeborg Sreck ( Wien ), Adam
Wandruzka ( Wien ). Am Kurs im Jahr 1948 nahmen folgende österreichische Personen teil : Leonhard J.
Bianchi ( Innsbruck , „Economics“ ), Lisbeth Eisler ( Wien , „Art“ ), France [ sic ] Halberg ( Universität In-
nsbruck / Histologisches Institut ), Robert Hindel ( Wien , „History“ ), Peter Hirt ( Wien , „History“ ), En-
gelbert Knosp ( Salzburg , „Literature“ ), Justine Krunes [ sic ] ( Wien ), Judith Lukacs ( Salzburg ), Gertrud
Maresch ( Wien , „Literature“ ), Max Neureiter ( Klagenfurt ), Anton Rainer ( Salzburg ), Ferdinand Rei-
chel ( Wien , „Literature“ ), L. G. Scheidl ( Graz , „Economics“ ), Anton Sieberer ( Wien , „Literature“ ), Ilse
Winter ( Wien ), Erich Zöllner ( Wien , „History“ ). Siehe : Recordings of the U. S. Department of State
relating to the Internal Affairs of Austria 1945–1954 ( Mikrofilm-Bestand Institut für Zeitgeschichte der
Universität Wien ), Decimal File , Reel 6 , 1945–1949 , Report to the Secretary of State , Washington D.C.,
21. Oktober 1948 , 4 f.
2584 So schrieb Williams am 3. September 1947 an Conant : „We watched the experiment very closely because
of the Division’s Education Mission is in an extremely delicate situation. It was imperative that we guard
against any activities which might negate the occupation mission or which might be deliterious to the
interest’s of our Government’s benefit attempts to re-establish Austrians auto nomy [ … ] it is a pleasure
for us to submit a most favorable report to General Keyes and the State Department.“ Zit. nach : Schmidt ,
Civil Empire by Co-optation , a. a. O., 337.
2585 Laut CIC-Report habe Heller u. a. gegen die US-Miliärregierung polemisiert , den Wiener Kurier als
US-finanziertes , kriegstreiberisches Propagandamedium denunziert und seine Abscheu vor dem tsche-
chischen Außenminister Jan Masaryk zum Ausdruck gebracht. NARA II , RG 260 , USACA Education
Zwischen geistiger Erneuerung und Restauration
US-amerikanische Planungen zur Entnazifizierung und demokratischen Reorientierung und die Nachkriegsrealität österreichischer Wissenschaft 1941-1955
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Title
- Zwischen geistiger Erneuerung und Restauration
- Subtitle
- US-amerikanische Planungen zur Entnazifizierung und demokratischen Reorientierung und die Nachkriegsrealität österreichischer Wissenschaft 1941-1955
- Author
- Christian H. Stifter
- Publisher
- Böhlau Verlag
- Location
- Wien
- Date
- 2014
- Language
- German
- License
- CC BY-NC-ND 3.0
- Size
- 17.0 x 24.0 cm
- Pages
- 762
- Keywords
- US-Reorientierung, Amerika, USA, Besatzungszeit, Demokratisierung, Amerikanisierung, Entnazifizierung, Kalter Krieg, Österreich, Universität, Wissenschaft, Wien
- Categories
- Geschichte Nach 1918
Table of contents
- Vorbemerkung 11
- Einleitung 15
- 1. Images , Stereotype und Vorurteile – Herkunft und Veränderung der kulturellen Geringschätzung der USA in Europa seit dem 18. Jahrhundert 31
- 2. „ Education for Victory“ – US-Demokratisierungs-Konzepte und die zivilen Reeducation-Planungen für ein post-totalitäres Europa , 1941–1945 97
- „Education in Wartime“ – Nationalsozialismus als Fundamentalbedrohung der US-amerikanischen Zivilgesellschaft 99
- „Our Country’s Call to Service“ – konkrete Auswirkungen des Verteidigungs- und Abwehr-Diskurses 107
- Binnenamerikanische Reeducation : Stärkung nationaler Moral , Militarisierung des Bildungswesens und Bildungsreform 108
- Educational Reconstruction – Überlegungen und Konzepte 1942–1943 / 44 zur Demokratisierung nach Kriegsende 138
- „What to do with the mentally ill Germans ?“ Ursprünge , Entwicklung und Veränderungen der zivilen Reeducation-Konzepte , 1940–1944 157
- Exkurs : die österreichische Emigration in den USA – ein kultur- und bildungspolitisch folgenloses Kapitel für die Nachkriegsplanungen 175
- Spätphase der zivilgesellschaftlichen Überlegungen und Konzepte zur Reeducation und Reorientation 1943 / 44–1945 – langfristige Reorientierung als Paradigma 201
- Missing Link : Fehlende Umsetzung der Reorientierungs-Konzepte in die militärischen Planungen , 1943–1945 210
- „Takeover“ durch die U.S. Army : Wirrwarr und Kompetenzgerangel – Ausdünnung der Reorientation auf ‚unpolitische‘ Säuberungsmaßnahmen 210
- Randnotiz zu einem fehlgeschlagenen Experiment der US-Armee – POW-Camps zur Reeducation 228
- Zur Rolle Österreichs in der Reeducation-Planung der US-Militärstäbe 1943 / 44–1945 239
- Österreich – ein unklarer Planungsfaktor alliierter Politik bis 1944 / 45 239
- Militärisch-gremiale Detailplanung für Österreich – Administrationsunterlagen ohne Reorientation als Ergebnis 248
- 3. Beginn der US-Reorientierung nach 1945 – die Education Division als zentrale US-Militärbehörde 265
- 4. „ The democratic way of life in Austria“ – erste Umsetzungsphase bis zum Nationalsozialistengesetz 1947 : Zwischen Laissez Faire , strenger Observation und milder Beurteilung 277
- Kooperation statt Intervention und die Folgen für die Entnazifizierung im Bildungsbereich : das Fallbeispiel Universität 277
- Ausgangslage : Perspektive nötiger ‚Säuberungsmaßnahmen‘ 277
- Bestimmungen zur Entnazifizierung in US-Planungsdirektiven 288
- Die Ausgangssituation an den Universitäten im Frühjahr 1945 292
- Personalsäuberungen durch „Sonderkommissionen“ und deren Senate 318
- Entnazifizierung am Beispiel der Universität Wien 346
- Rückkehr unerwünscht ? – Maßnahmen zur Rückholung österreichischer WissenschafterInnen aus der Emigration 365
- Fallbeispiel : Ernst Karl Winter ( 1895–1959 ) 373
- Fallbeispiel : Hans Kelsen ( 1881–1973 ) 393
- Fallbeispiel : Felix Ehrenhaft ( 1879–1952 ) 404
- Wissenschaftspolitische Restauration und amerikanisch- österreichische Beziehungen. Ein Zwischenresümee 410
- Rahmenrichtlinien und Entnazifizierung der Studentenschaft an Österreichs Universitäten 427
- ÖH-Wahlen November 1946 : erste Großdemonstration gegen „nazistische Umtriebe“ in der Zweiten Republik und die Folgen 448
- Auswirkungen der Hochschulkrawalle : Turbulenzen im Alliierten Rat , Re-Screening der Studierenden und Lehrkräfte 477
- Turnaround in der Entnazifizierungspolitik – Kontroverse zwischen State Department und War Department 502
- 5. US-Reorientierungs-Planungen im Frühen Kalten Krieg : Zwischen Popularisierung des „American Way of Life“ und Psychologischer Kriegsführung , 1947–1950 517
- Longe Range Policy 1946 / 47 – Paradigmenwechsel : langfristige zivile Reorientierungs-Konzepte anstelle militärischer Kontrolle 517
- Elitenbildung über „Austauschprogramme“: zentrales Element der besatzungspolitisch auf gewer teten US-Reorientierung ab 1947 / 48 548
- Die ideologische Überformung der US-Reorientierung durch Propagandakampagnen des Kalten Krieges 562
- Cultural Exchange – Rahmenbedingungen der US-Kulturoffensive 562
- Reorientierung und psychologische Kriegsführung : „War of ideas“ – „Campaign of Truth“ – „Struggle for Minds“ 573
- 6. Endphase der Besatzung : Akademische Austauschprogramme und ihre Umsetzung in Österreich , 1950–1955 595
- Beginn der „U.S. Exchange“-Programme – Seltsamkeiten und Pannen 595
- Kurzer Exkurs : das Salzburg-Seminar – akademische Freiheit mit Hindernissen 609
- Umstrukturierung und Expansion : neuer Anlauf unter Supervision des U.S. Department of State 616
- Übernahme durch das State Department – Instrumentalisierung des „Exchange-Program“ als Teil der psychologischen Kriegsführung gegen die Sowjetunion 625
- ‚Phasing out‘ – zivile Verwaltung und Beginn der Normalisierung 638
- Schlussbemerkung 655
- Quellenverzeichnis 665
- Literaturverzeichnis 673
- Verzeichnis der Abkürzungen 735
- Personenverzeichnis 741