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Heimatrecht und Staatsbürgerschaft österreichischer Juden - Vom Ende des 18. Jahrhunderts bis in die Gegenwart
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68 Von der Epoche des josephinischen Reformabsolutismus und Schankgewerbe (in Zusammenhang mit der neuen Gewerbeordnung) und die Aufhebung des Aufenthaltsverbots außerhalb von Städten für Galizien und die Bu- kowina.225 Die wohl wichtigste Reform aber war die Beseitigung des Realitäten- und Grund- besitzverbotes für Juden. Diese war in mehreren Ministerkonferenzen heftig und kon- trovers diskutiert worden. Im September 1859 war ein Gesetz erschienen, wonach die kaiserliche Regierung eine noch in Ungarn, Kroatien und Slavonien bestehende Beschränkung des Niederlassungs- und Grunderwerbsrechtes für Protestanten (den 26. ungarischen Diätal-Artikel aus dem Jahr 1791) aufhob, und darüber hinaus ihren Wunsch verkündete, dass auch »die Ausschließung der Protestanten aus Tirol nun- mehr ihr Ende nehme«.226 Dies führte zu einer öffentlichen Debatte darüber, ob nun auch Juden das Niederlassungsrecht an allen Orten sowie der Realitätenbesitz zu gestatten sei. Einer Juden immer wieder vorgehaltenen unpatriotischen, kosmopoli- tischen, gar revolutionären Gesinnung könne am ehesten dadurch begegnet werden, argumentierte etwa Heinrich Jaques, dass man ihnen den Grundbesitz, in dem die Wurzel der Heimatliebe liege, gestatte.227 In der Ministerkonferenz wurde das Thema ebenfalls ausführlich erläutert. Unterrichtsminister Thun konnte sich zwar den Er- werb städtischer Immobilien durch Juden vorstellen, nicht aber den Erwerb land- täflicher (adliger) und bäuerlicher Güter. Finanzminister Bruck warnte jedoch zum wiederholten Male vor dem Einfluss der Juden auf den »öffentlichen Kredit« und vor den zu befürchtenden negativen Konsequenzen im Falle einer Aufrechterhaltung des Realitätenbesitzverbotes auf die österreichischen Finanzoperationen.228 Budgetnöte und die Befürchtung negativer Reaktionen der internationalen Finanzmärkte gaben 225 MK v. 17.11.1859/V. 226 Zit. nach : Jaques, Denkschrift, S.  11. 227 Ebenda, S.  25. 228 Finanzminister Bruck bemerkte in der Ministerkonferenz vom 31. Dezember 1859, dass für das abgelaufene Verwaltungsjahr noch ein Abgang von 70 Millionen Gulden zu decken und das Erfor- dernis des laufenden sicherzustellen sei. Dies könne nur durch eine »Kreditoperation« geschehen. Er habe aber mit seinen Anträgen gezögert, weil zur Erleichterung der Durchführung noch eine sehr wichtige Maßnahme der Regierung fehle, und zwar, »die Zulassung der Juden zum Realbesitz«. Der Einfluss der Juden auf den öffentlichen Kredit sei bekannt. Würden sie in ihren gerechten Erwartungen getäuscht, so sei auf ihre Mitwirkung für eine österreichische Finanzoperation nicht zu rechnen. Der Finanzminister bat daher »um baldigste und liberalste Erledigung« und gab zu Bedenken, dass die daraus sich ergebenden vereinzelten Übelstände und Nachteile gering seien, gegenüber »der Aufrechterhaltung größerer Beschränkungen des Judenbesitzes für unsern Kredit im In- und Auslande.« ÖMProt. IV/1, Das Ministerium Rechberg, hg. Stefan Malfèr (Wien 2003), Protokoll Nr. 87 vom 31. Dezember 1859, S.  350 und Einleitung, S.  LX. Diese vermeintliche »Ubiquität in Zeit und Raum« nährte, nach Dan Diner, »Vorstellungen über die vorgebliche All- macht« der Juden und nistete sich »in den Kern dessen ein, was man Antisemitismus nennt«. Diner, Synchrone Welten, S.  30.
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Heimatrecht und Staatsbürgerschaft österreichischer Juden Vom Ende des 18. Jahrhunderts bis in die Gegenwart
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
Title
Heimatrecht und Staatsbürgerschaft österreichischer Juden
Subtitle
Vom Ende des 18. Jahrhunderts bis in die Gegenwart
Author
Hannelore Burger
Location
Wien
Date
2014
Language
German
License
CC BY-NC-ND 3.0
ISBN
978-3-205-79495-0
Size
15.5 x 23.5 cm
Pages
292
Keywords
Heimatrecht, Staatsbürgerschaft, Juden, Österreichische Juden, Judenemanzipation, Toleranz, Josephinische Reformen, Österreichische Monarchie, Ausgleich, Österreich-Ungarn, Erste Republik, Nationalsozialistische Judenverfolgung, Ausbürgerung
Categories
Geschichte Historische Aufzeichnungen

Table of contents

  1. Einführung 9
  2. Von der Epoche des josephinischen Reformabsolutismus bis zum Ende des Neoabsolutismus 15
  3. Die Frage der jüdischen Bürgerrechte in der Aufklärung 15
  4. Exkurs : Juden in den österreichischen Ländern vom Hochmittelalter bis in das Zeitalter der Emanzipation 19
  5. Die josephinische Zäsur 26
  6. Das böhmisch-mährische System der Familienstellen 29
  7. Das Toleranzpatent für die Juden Galiziens 34
  8. Anhaltende »Verschiedenheit des politischen Zustandes« 38
  9. Die Vertretung der Tolerierten 39
  10. Das Judenamt 40
  11. Die Hofkanzlei als Hüterin der Toleranz 45
  12. Taufen und Nobilitierungen 47
  13. Die Kodifizierung des Staatsbürgerschaftsrechts 51
  14. Die staatsbürgerliche Stellung der Juden im Vormärz
  15. und das Auftauchen der »Judenfrage« 53
  16. Die bürgerliche Revolution von 1848 und die veränderte staatsbürgerliche Stellung der Juden 59
  17. Juden als österreichische Reichsbürger 62
  18. Inklusion und Exklusion von Juden in der Zeit des Neoabsolutismus 64
  19. Das Heimatrecht der österreichischen Juden 70
  20. Die Sonderstellung der »türkischen« Juden 74
  21. Die Entwicklung von Heimatrecht und Staatsbürgerschaft in der Epoche des Ausgleichs 77
  22. Der Anteil der Juden an den Einbürgerungen 77
  23. Die Vermehrung der jüdischen Bevölkerung in Cisleithanien 80
  24. Die rechtliche Gleichstellung der Juden durch das Staatsgrundgesetz über die allgemeinen Rechte der Staatsbürger im Dezember 1867 82
  25. Rückkehr in die »verbotene Stadt« 83
  26. Paradoxe Fremde 85
  27. Die dualistische Verschärfung 86
  28. Motive für den Erwerb von Heimatrecht und Staatsbürgerschaft 88
  29. Heimatrecht und Staatsbürgerschaft jüdischer Frauen 90
  30. Heimatrecht und soziale Frage 91
  31. Der Fall Dr. Hugo Stark 92
  32. Der Fall Julia Singer 93
  33. Der Fall Lea Weitzmann 95
  34. »Schutzgenossen« und »Untertanen de facto« 96
  35. Zur Ambivalenz von Heimatrecht und Staatsbürgerschaft 97
  36. Die Nationalitätenkonflikte der Verfassungszeit und die (sprach-)nationale Identität der Juden 100
  37. Kafkas Sprachen 100
  38. Die Bedeutung von Bildung im Judentum 103
  39. Sprache, Nationalität und Recht im Unterrichtswesen 105
  40. Jüdische Kinder in den Mühlen des Nationalitätenkampfes 109
  41. Der Anteil jüdischer Schüler am höheren Bildungswesen 112
  42. Sprachen, Nationalitäten, Identitäten 114
  43. Das mehrsprachige Unterrichtswesen in der Bukowina 115
  44. Der Verdacht gegen die Mehrsprachigkeit 116
  45. Die Ethnisierung der Nationalitätenkonflikte 117
  46. Die Wiederkehr der »Judenfrage« in der Epoche des Ausgleichs 119
  47. Juden im Ersten Weltkrieg 130
  48. Theorie und Praxis von Heimatrecht und Staatsbürgerschaft in der Ersten Republik 132
  49. Die Aus- und Einbürgerungen des autoritären Ständestaates 141
  50. Verfolgung, Vertreibung, Ausbürgerung, Vernichtung während der NS-Herrschaft 146
  51. Die Implementierung der Nürnberger Gesetze in Österreich 146
  52. Signaturen der Vertreibung 152
  53. Die Ausbürgerung und der Befehl zur »Endlösung« 155
  54. Die Wiederherstellung der Staatsbürgerschaft in der Zweiten Republik 166
  55. Der Fall Raviv 172
  56. Staatenlosigkeit als Massenschicksal 187
  57. Der Fall Elias Canetti 188
  58. Der Fall Manès Sperber 200
  59. Semantische Nachbemerkungen 213
  60. Verzeichnis der Archive 222
  61. Literaturverzeichnis 223
  62. Verzeichnis der Abbildungen und Tabellen 244
  63. Zeittafel 245
  64. Register 264
  65. Personen 264
  66. Orte 269
  67. Sachen 271
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